Architektur Die schöne Fassade des Einkaufens

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40 Prozent mehr Umsatz

Wenn es nach Jürgen Koch ginge, dann wäre die Front des Rewe-Markts in Berlin-Rudow bis zum Boden verglast. Doch Glas verträgt sich nicht mit den nötigen Regalflächen und erfordert bei direktem Tageslicht eine Verschattung. Wenn die Sonne zu grell durch das 280 Meter lange, umlaufende Fensterband scheint, gehen die innen liegenden Rollos automatisch hinunter. Zur Inszenierung der Warengruppen wird zusätzlich künstliches Licht mit Farbfiltern eingesetzt: So wird das Fleisch bei Rewe gern mit Rotlicht bestrahlt, damit es noch frischer, noch saftiger wirkt im Kontrast zum Schwarz der Regale und Truhen.

Warenpräsentation in Sperrholzkisten

Zu den Vorreitern dieses Schwarz-Trends gehören die FrischeParadiese, ein „Spezialmarkt und Lieferant für feinste Lebensmittel“. Seine vom Berliner Architekturbüro Robertneun gestalteten Märkte kombinieren Großhandel mit Einzelhandel. Die 2009 am Rand des Prenzlauer Bergs, in Nachbarschaft von Toom und Lidl eröffnete Filiale mit ihrer aufgeständerten, in patinierte Holzbretter gekleideten Dach-Box beherbergt im Erdgeschoss neben den Kommissionierungs- und Lagerbereichen den eigentlichen Markt mit seiner schwarz eingerahmten Glasfassade. Auch die Geflügelabteilung und das Regal mit Trüffeln und Kaviar hinter der Kassenzone werden schwarz inszeniert. Die Fischabteilung kontrastiert dazu mit einem handbemalten blauweißen Fliesenmosaik in holländischer Manier ebenso effektvoll wie die hell glänzende Kupferwand in der Käseabteilung und das Chrom hinter den Obst und Gemüsetruhen.

Das Ziel war es, so Architekt Nils Buschmann, die Lebensmittel in eine „spezifische Sinnlichkeit und Materialität“ einzubetten, die etwas von der „Rauheit und Einfachheit des Großhandels“ vermittelt. Die Einrichtung der FrischeParadiese soll, so Buschmann, in ihrer Gesamterscheinung „industriell“ wirken. Deshalb die zusammengeschraubten Sperrholzkisten, wie man sie aus dem Versandhandel kennt, und die in den FrischeParadiesen Berlin der Warenpräsentation dienen.

Immerhin: Umsatzsteigerungen von bis zu 40 Prozent sind nach Umbauten erzielt worden. Die FrischeParadiese ziehen ein zahlungskräftiges Publikum an, das Olivenöl vom Ätna oder fein marmoriertes Schweinefleisch aus Thüringen goutiert. In den Umbau der jüngst eröffneten Charlottenburger Dependance, erzählt Betriebsleiter Thomas Warmer, wurden 3,5 Millionen Euro investiert. Die edelrustikale Auskleidung der Verkaufsräume mit See-Kiefernholz wirke in Charlottenburg „noch heimeliger“.

Die relativ hohen Preise werden nicht nur durch die Architektur, sondern vor allem durch den Service gerechtfertigt. Das Personal besteht fast nur aus Köchen. „Der Bedien-Tresen kommt wieder“, prophezeit Warmer. Die Kunden schätzen die eine oder andere Rezeptempfehlung zum Tafelspitz. Ein „KaDeWe mit Parkplatz“ ist das Charlottenburger FrischeParadies genannt worden. Im Hof sind die neuesten Modelle von Audi oder Bentley zu bestaunen. Das Publikum kommt aus Grunewald, Steglitz, Wilmersdorf, Zehlendorf und Potsdam. Oder aus dem Regierungsviertel. Kürzlich ist hier auch die Kanzlerin gesichtet worden.

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