Diese Rolle spielt Aldi im Einzelhandel
Aldi ist der führende Lebensmittel-Discounter in Deutschland. Fast neun von zehn Haushalten kaufen Schätzungen zufolge bei Aldi Nord und Aldi Süd regelmäßig oder spontan ein. „Da ist derjenige dabei, der zweimal in der Woche bei Aldi seinen Grundbedarf deckt, aber auch derjenige, der am Urlaubsort zufällig bei Aldi vorbeikommt und dort einkauft“, sagt der GfK-Handelsexperte Wolfgang Adlwarth.
„Der Einfluss von Aldi wird noch immer gern unterschätzt“, findet Matthias Queck vom Handelsinformationsunternehmen Planet Retail. Wenn man den deutschen Lebensmittel-Einzelhandel insgesamt betrachte, liege der Marktanteil von Aldi Nord und Süd zusammengenommen zwar nur bei 15 Prozent. Bei einzelnen Produkten sei der Marktanteil und damit der Einfluss aber wesentlich höher. „Ob bei Milch, Saft oder Zucker - Aldi legt vor und bestimmt den Preis, und alle anderen reagieren innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen“, schildert der Experte. An Aldi-Preisen orientierten sich die großen Supermarkt-Gruppen in der untersten Preislage.
Mit dem dichten Filialnetz von insgesamt rund 4300 Märkten in Deutschland und dem begrenzten Sortiment würden Aldi Nord und Aldi Süd über Nacht zu einem der größten Verkäufer, wenn sie ein neues Produkt wie jüngst Coca-Cola in ihr Sortiment aufnehmen. Bei den eigenen Aldi-Marken stützten sich die Discountketten zum Teil auch auf verschiedene Lieferanten. „Der Discounter kann damit Lieferanten austauschen und sorgt damit für Wettbewerb unter den Herstellern.“
Die Gewerkschaft Verdi wirft Aldi Nord und Aldi Süd vor, systematisch Mehrarbeit von Mitarbeitern nicht zu bezahlen. „Aldi bezahlt die Mitarbeiter zwar grundsätzlich nach den Flächentarifverträgen. Wir stellen aber fest, dass bestimmte Zeiten wie Überstunden nicht angerechnet werden“, sagt der Verdi-Fachgruppenleiter Einzelhandel, Ulrich Dalibor. Das summiere sich zu riesigen Beträgen, die die Unternehmen ihre Mitarbeitern vorenthalten würden. „Deshalb ist die Einhaltung von Tarifverträgen in Anführungszeichen zu setzen.“
Aldi Nord beschäftigt nach eigenen Angaben rund 28.000 Mitarbeiter in Deutschland, bei Aldi Süd wird in Kreisen der Gewerkschaft Verdi von etwa 25.000 Mitarbeitern in Deutschland ausgegangen.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter sieht Aldi mit dessen Fokus auf niedrige Preise zudem als einen Wegbereiter der Billigmentalität. „Aldi nutzt Chancen, die die Molkereiwirtschaft und Milchviehhalter mit einem Überangebot an Milch bieten, wirtschaftlich bis zur letzten Nuance aus“, schildert Sprecher des Bundes, Hans Foldenauer.
Aldi Süd weist den Vorwurf, dass Mehrarbeit systematisch nicht bezahlt würde, zurück. „Eine über die offizielle Arbeitszeit hinausgehende, nicht vergütete Mehrarbeit wird weder erwartet noch geduldet. Dies wird durch den jeweiligen Vorgesetzten kontrolliert“, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens. In einigen Fällen könne es selbstverständlich vorkommen, dass es zu Mehrarbeit, also Arbeitsstunden, die über die im Vertrag festgehaltene Arbeitszeit hinausgehen, komme. „Derartige Mehrarbeit wird immer entweder vergütet oder durch Freizeitausgleich abgegolten“, betonte sie.
Das Schwesterunternehmen Aldi Nord weist die Kritik ebenfalls zurück. Es werde eine Mehrarbeitsvergütung bezahlt - unabhängig davon, ob die Mitarbeiter tatsächlich Mehrarbeit geleistet hätten oder nicht. Dazu gebe es Vereinbarungen mit der Mitarbeitervertretung.
Verglichen mit Österreich, gebe es in Deutschland „Nachholbedarf“, sagt Thomas Mattesich, Chef des Münchner Büros von ATP Architekten Ingenieure. Zu lange sei billiges Einkaufen mit dürftigem Design gleichgesetzt worden: mit der geschlossenen Black Box, wo der Kunde im Schnelldurchgang seine Runde dreht. Dass Gestaltung und Funktion im Einzelhandel unbedingt zusammenpassen müssen, schließe nicht aus, dass der Boden eines Supermarkts, wie im Innsbrucker Kaufhaus Tirol, mit Edelholzparkettboden ausgelegt ist, und der Blick des Kunden gern auch mal zur Decke und dann erst ins Regal geht.
Dazu gehört der nötige Platz. In Ingolstadt hat ATP im Jahr 2006 den Prototyp eines Supermarkts für Edeka-Süd gebaut, der über eine „lichte Raumhöhe“ von 5, 50 Metern bei einer Regalhöhe von 1,60 Metern verfügt, was dem Kunden einen guten Überblick und damit Orientierung ermöglicht. Der auf zwei Seiten komplett verglaste Pavillon rückt, neben den Parkplätzen, an die Straße vor „wie ein überdachter Marktplatz“, der Blick geht von außen in die Tiefe des Raums über die Kassen bis zur hinteren Fleischtheke, der Eingang ist im Sinne des Corporate Designs als gelbe Box gestaltet mit Café und Bäckerei.
Lichtkuppeln bei Aldi
Transparenz, intelligenter Einsatz von Tageslicht und ordentliches Design ist inzwischen sogar für einen Discounter wie Aldi kein Tabu mehr. Die im September 2010 in Betrieb genommene Aldi-Süd-Filiale in Rastatt versuchte erstmals über Lichtkuppeln die Tageslichtverteilung im Verkaufsraum des Discounters zu verbessern.
Für den neuen Aldi-Nord-Markt im Stadtteilzentrum Oldenburg-Dietrichsfeld hat neun-grad-Architekt Lars Frerichs den Vordach-Bereich neben dem Drogeriemarkt nach dem Vorbild einer Sechzigerjahre-Tankstelle im Retro-Stil inszeniert, mit verklinkerten Rundungen, vertieften Deckenlampen und hohen Fenstern mit anthrazitfarbenem Rahmen. „Ein Quantensprung für Aldi“, sagt Jochen Rehling, Geschäftsführer von neun grad.