Millionen Deutsche stöbern allwöchentlich auf Trödelmärkten, suchen nach Schätzen und Schnäppchen oder versilbern vermeintlich alten Plunder. Im zunehmend digitalen Zeitalter aber gerät der Flohmarkt auf die Liste der bedrohten Arten, denn immer mehr Warenquellen versiegen. Aus CDs werden MP3-Dateien, aus Taschenbüchern E-Books, und statt DVDs gibt es Filme als Download aus dem Internet.
Die Digitalisierung der Unterhaltungsindustrie vollzieht sich immer schneller. Im vorigen Jahr wurde nach Berechnungen der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers bereits ein knappes Drittel aller Medien digital verkauft. Musik, Filme oder Bücher auf dem PC, Smartphone oder Tablet sind praktisch und beliebt. Doch die digitalen Daten haben ein gravierendes Manko: Aus Angst vor unkontrollierter Vervielfältigung verhindern Studios, Labels und Verlage bisher die freie Handelbarkeit legal erworbener elektronischer Güter.
Kunden wollen verschenken und verleihen
Dagegen laufen nicht nur immer mehr Kunden Sturm. Sie wollen ihre elektronischen Schmöker, Musikstücke oder Filme – wie aus analoger Zeit gewöhnt – gerne verleihen, verkaufen oder verschenken. Inzwischen legen sich auch erste innovative Dienstleister mit den Branchenriesen an. Sie bauen digitale Flohmärkte für MP3-Dateien oder E-Books auf.
Immerhin schneiden Amazon, Apple & Co. nicht nur die Nachschubwege für Flohmärkte ab. Vor allem hebeln sie ein essenzielles Grundprinzip der Marktwirtschaft aus, dass nämlich erst die freie Handelbarkeit von Waren die faire Preisbildung ermöglicht. Genau das aber verhindern die digitalen Branchenriesen, indem sie die Rechte der Konsumenten mit gut versteckten Klauseln in den Tiefen unverständlicher Geschäftsbedingungen beschneiden. Denn wo "Kaufen" draufsteht, steckt tatsächlich oft nur ein "Nutzungsrecht" drin.
Gleicher Preis, weniger Rechte
Das ist auch Tim Krieger inzwischen übel aufgestoßen. Der Mitarbeiter eines Hamburger Verlages sucht auf den Märkten der Hansestadt gern nach Schnäppchen. Und auch selbst hat der 32-Jährige oft Kisten auf Flohmärkte geschleppt, um Platz im Regal zu schaffen. Seit vergangenem Weihnachten allerdings schmökert Krieger Bücher vor allem auf Amazons Lesegerät Kindle. Nun blockieren die ausgelesenen E-Books – statt Raum im Regal – Speicherplatz auf dem Lesegerät. "Obwohl die Kosten für den Druck wegfallen, zahle ich für ein digitales Buch fast den gleichen Preis wie für das physische Exemplar", schimpft Krieger. "Und dann kann ich es nicht einmal mehr weiterverkaufen."
Unterstützung bekommen Kunden wie er inzwischen von Verbraucherschützern. "Wer sich ein Buch herunterlädt, sollte nicht anders dastehen als jemand, der eine gebundene Ausgabe im Laden kauft", fordert Helke Heidemann-Peuser, Referatsleiterin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Der führt derzeit vor Gerichten in Dortmund und Hamburg mehrere Musterklagen gegen Online-Buchhändler und Spielefirmen.
Internet-Flohmarkt vor Gericht
Und auch in New York beginnt in diesen Tagen ein wegweisender Prozess zur Handelbarkeit digitaler Medien. Vor Gericht steht ReDigi, der erste Internet-Flohmarkt für Musikdateien. ReDigi ist eine von mehreren Firmen, die inzwischen den Austausch digitaler Güter ermöglichen. Auch das Münchner Startup Skoobe etwa bietet E-Books für 9,99 Euro monatlich zum Ausleihen an. Fast 10 000 Titel hat das Gemeinschaftsunternehmen der Verlage Bertelsmann und Georg von Holtzbrinck aktuell im Angebot.
Noch drei Mal größer ist das Angebot des IT-Hauses Divibib aus Wiesbaden. Es hat für die deutschen Bibliotheken den Dienst Onleihe entwickelt, der rege genutzt wird. "Im Gesamtjahr 2012 werden es vier Millionen Ausleihen", sagt Geschäftsführer Jörg Meyer. Eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr und immerhin annähernd so viel, wie deutsche Leseratten im ersten Halbjahr 2012 insgesamt an digitalen Büchern gekauft haben: 4,6 Millionen E-Books. Das allerdings sind erst zwei Prozent aller verkauften Bücher in Deutschland.
Erklärungen überzeugen nicht
Flohmärkte für gebrauchte Dateien
Dieser Internet-Dienst fungiert als Handelsplattform für gebrauchte Musik. Songs kosten 0,69 oder 0,79 Cent. Verkaufen können Musikfreunde dort derzeit nur Titel, die sie bei Apples iTunes erworben haben. Wer Lieder anbietet, erhält 20 Cent. Nach dem Verkauf gibt es noch einmal 12 Cent – allerdings in Form von Gutschriften, die sich bei ReDigi und iTunes einlösen lassen. Auch der Handel mit E-Books soll demnächst möglich sein.
Noch ist der Dienst nur in den USA verfügbar. Doch im kommenden Jahr soll er auch in Deutschland starten.
Über die App des Münchner Anbieters können iPhone- und iPad-Nutzer E-Books ausleihen. Maximal fünf aus bald 10.000 Titeln von 70 Verlagen können Skoobe-Kunden gleichzeitig lesen. Bis zu drei Geräte kann der Nutzer mit seinem Konto verbinden. Dabei lässt sich ein Buch immer nur auf einem Gerät gleichzeitig lesen. Der Dienst kostet monatlich 9,99 Euro. Bis zum 1. März 2013 können Bücherfreunde beliebig viele Titel pro Monat ausleihen. Danach gibt’s für den Preis monatlich zwei Schmöker.
Über Onleihe können die neun Millionen Kunden öffentlicher Bibliotheken in Deutschland auch elektronische Medien ausleihen. Außer den üblichen Bibliotheksgebühren fallen keine weiteren Kosten an. Bis Jahresende sollen 600 Büchereien an den Dienst angeschlossen sein. 30.000 Titel stehen bereits zur Verfügung – E-Books, E-Paper, Hörbücher, Musik und Filme. 9000 sind allein 2012 dazugekommen.
Ein entscheidender Grund für die Kaufzurückhaltung – speziell im Vergleich zum Verleihboom in den Bibliotheken – ist nach Ansicht vieler Beobachter die fehlende Weitergabemöglichkeit der Titel. "Ich würde mehr E-Books kaufen, wenn ich sie später wieder loswerden könnte", sagt jedenfalls Krieger, und zahlreichen anderen Buchfans geht es genauso. "Warum also darf ich das nicht?", fragte der Hamburger den Kundendienst von Amazon. Mit gebrauchten Büchern auf Papier treibe der Internet-Riese schließlich auch einen schwunghaften Handel? Digitale Inhalte seien immer mit einem Kindle-Kundenkonto verknüpft, antwortete der US-Buchriese. Daher könnten Bücher nicht auf andere Personen übertragen werden. Krieger, der als Produktentwickler selbst an digitalen Projekten arbeitet, überzeugt die Erklärung nicht: "Technisch kann das eigentlich kein Problem sein."
So drängt sich der Verdacht auf, dass bei Amazon & Co. weniger technische Hürden dahinterstecken als vielmehr der Versuch, einen Zweitmarkt zu verhindern. Denn während benutzte CDs meist Kratzer haben und Bücher mit der Zeit regelrecht zerlesen werden, nutzen sich digitale Güter nicht ab. Eine Zweitverwertungsmöglichkeit von Produkten in identischer Qualität würde deren Preise deutlich drücken.
Gebrauchte Lieder statt Neukauf
Genau diesen Gebrauchtmarkt bietet nun ReDigi an, zuerst für Musik und bald auch für Bücher. Das Grundprinzip von ReDigi ist simpel: Wer beispielsweise Lady Gagas ersten Hit "Poker Face" nicht mehr hören kann, hat die Möglichkeit die MP3-Datei bei ReDigi zu verhökern. Dort kostet das Lied dann 0,79 Cent, während es beim Neukauf aus Apples iTunes-Musikladen noch mit 1,29 Dollar zu Buche schlägt.
Hinter dem Internet-Flohmarkt für gebrauchte Dateien steckt John Ossenmacher. Optisch könnte der 42-Jährige als früh ergrauter Rockmusiker durchgehen, zumindest aber als Manager einer Plattenfirma: die Ärmel bis über die Ellenbogen gekrempelt, das jeansblaue Hemd halb aufgeknöpft, damit seine silberne Kette zur Geltung kommt.
ReDigi punktet mit Sicherheit
Und doch sieht die Musikindustrie in dem Mann mit den stahlblauen Augen keinen der ihren. Für sie ist ReDigi das neue Pirate Bay, jene schwedische Titel-Tausch-Plattform, die mittlerweile zum Synonym für Musikpiraterie wurde.
Dabei hat Ossenmacher, um Missbrauch auszuschließen, selbst eine gigantische Überwachungsmaschine für den Handel in der Digitalgüterwirtschaft entwickelt. Wer bei ReDigi Musikstücke versilbern will, muss sich eine Software installieren, die die gesamte Mediensammlung scannt und prüft, ob die Dateien von einer CD, aus Apples iTunes-Laden oder einer illegalen Tauschbörse stammen.
ReDigi könne die Herkunft von Musikstücken fast zweifelsfrei identifizieren, versichert Ossenmacher. Und so könnten auf seiner Plattform nur Titel verkauft werden, die zuvor legal erworben wurden. Zudem verschiebt das System die entsprechenden MP3-Dateien komplett auf die eigenen Server und toleriert keine Kopien.
ReDigi plant Ausdehnung nach Europa
Wer etwa nach dem Verkauf des Lady-Gaga-Stücks an seinen Rechner einen iPod anschließt, auf dem sich der verkaufte Hit noch einmal befindet, bekommt von ReDigi die Aufforderung, die Datei zu löschen. Nach drei Vorfällen dieser Art wird das Nutzerkonto gesperrt, bis die entsprechenden Duplikate entfernt sind.
Die Streaming-Anbieter im Internet
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2008
Sitz: Berlin
Musikangebot: kein lineares Streaming
Besonderes: Auswahl von Stationen für Musikgattungen und Stimmungen, kostenloses Angebot mit Werbung und Abo-Modell
Typ:On-Demand-Streaming
Gestartet: 2007
Sitz: Paris
Musikangebot: 35 Millionen Titel
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2002
Sitz: London
Musikangebot: kein lineares Streaming
Besonderes: Spielt nach Angabe von Lieblingsgruppen Musik von ähnlicher Richtung
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2000
Sitz: Oakland, Kalifornien
Musikangebot: Spielt nach Vorgaben der Nutzer Musik in ähnlicher Richtung, in Deutschland nicht verfügbar
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2005
Sitz: Berkeley, Kalifornien
Musikangebot: 16 Millionen Titel. In Deutschland nicht verfügbar
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 1999 als Tauschplattform, seit 2005 als kommerzieller On-Demand-Service
Sitz: Los Angeles
Musikangebot: 25 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2011
Sitz: London
Musikangebot: mehr als 22 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2010
Sitz: San Francisco
Musikangebot: mehr als 30 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2009
Sitz: Köln
Musikangebot: mehr als 25 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2008
Sitz: Stockholm
Musikangebot: über 20 Millionen Titel
Derzeit bietet die Firma mit Sitz in der US-Universitätsstadt Cambridge ihren Dienst nur amerikanischen Kunden an. "Wir wollen aber Mitte nächsten Jahres nach Europa kommen", sagt Ossenmacher. Vor allem in Deutschland würde er gern aktiv werden, schließlich stammen seine Großeltern aus dem Rheinland. Derzeit analysieren Juristen die europäische Rechtslage, denn schon in den USA hat Ossenmacher Ärger. Gleich nach dem Start vor gut einem Jahr beschwerte sich der US-Musikverband RIAA, und das Musiklabel Emi hat über die US-Tochter Capitol Records eine Klage gegen ReDigi eingereicht. Für jeden eigenen Song auf der Plattform verlangt das Label 150 000 Dollar. Eine einstweilige Verfügung wies das Gericht im Frühjahr zurück. Am 5. Oktober nun beginnt der Prozess.
"Richtig coolen, fantastischen Kopierschutz"
Die Plattenfirmen fürchten eine neue Plattform, auf der illegal heruntergeladene Songs zu Geld gemacht werden können. Genau das will Ossenmacher verhindern, der wie ein Hardliner der Musikindustrie klingt, wenn er von seiner Technik schwärmt: "Wir machen einen großartigen, richtig coolen, fantastischen Kopierschutz."
Er glaubt nicht, dass es seinen Gegnern wirklich um Raubkopien geht. Schließlich hätten einige Musiklabels auch schon angefragt, ob sie die patentierte Verifikationstechnik lizenzieren können. An der hat sein Team um den Informatikprofessor Larry Rudolph vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) zwei Jahre getüftelt.
Gebrauchtmarkt als wichtiger Wirtschaftsfaktor
"Der Grund für die Klage ist klar", sagt der ReDigi-Chef. "Es soll keinen Gebrauchtmarkt für digitale Güter geben." Dabei könnte genau der auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor werden. Denn bisherige Erfahrungen zeigen, dass Verkaufserlöse von Gebrauchtgütern oft dazu dienen, neue Waren zu kaufen – unter anderem auch Dinge, die man sich sonst nicht leisten könnte.
Ein Beispiel ist Gamestop, der größte Händler für gebrauchte, physische Computerspiele: Fast zehn Milliarden Dollar setzte das börsennotierte Unternehmen im Vorjahr um. "Es gibt zu wenig Verständnis dafür, dass der Handel gut für die Branche ist", sagt Gamestop-Chef Paul Raines. Schließlich steckten Verkäufer gebrauchter Spiele 70 Prozent ihres erhaltenen Geldes wieder in neue Games, rechnet Raines vor.
Bücher werden meist nur einmal gelesen
"Auch die Expansion des E-Book-Marktes wird durch den fehlenden Wiederverkaufswert gebremst", sagt Ossenmacher, der daher künftig auch elektronische Bücher auf seinem Digitalflohmarkt handeln will. Derzeit läuft ein Test, bis Anfang November sollen alle Nutzer E-Books kaufen und verkaufen können.
Tatsächlich spielen E-Books eine Schlüsselrolle in dem Streit: Während Musik immer wieder angehört wird, werden Bücher meist nur einmal gelesen. Sie sind prädestiniert, weitergegeben zu werden. Elektronische Bücher noch mehr, da sie nach der Lektüre nicht einmal das Wohnzimmerregal schmücken. Der intellektuelle Prestigegewinn durch einen vollgestopften Kindle-Speicher ist schließlich nicht vergleichbar.
So überlegen sich viele potenzielle Leser zweimal, ob sie Bücher tatsächlich elektronisch kaufen. Besonders in Deutschland, wo die elektronischen Ausgaben wegen der Buchpreisbindung kaum weniger kosten. Viele weichen daher auf Angebote wie die Onleihe-App der Bibliotheken aus.
Kopien wären Segen und Fluch zugleich
Doch wer den Dienst ausprobiert, findet meist nur ein gelbes Symbol und die Information: "ausgeliehen". Denn auch fürs E-Book gilt: "Man kann es nur ausleihen, wenn kein anderer es gerade hat", erklärt Monika Ziller, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands. Dabei bräuchte es das leidige Problem vergriffener Bücher nicht mehr zu geben, weil sich elektronische Medien beliebig oft kopieren lassen. Genau das fürchten jedoch die Verlage, so gilt auch in elektronischen Bibliotheken das Prinzip begrenzter Stückzahlen.
Einige Verleger versuchen die traditionelle Buchwelt ins elektronische Zeitalter zu übertragen, andere verweigern sich dem Thema noch ganz. Der zu Rupert Murdochs News Corp. gehörende Großverlag HarperCollins etwa erlaubt es Bibliotheken, jedes lizenzierte Exemplar 26 Mal auszuleihen. Das entspräche der durchschnittlichen Lebensdauer eines gedruckten Buches, argumentiert der Verlagsriese.
Hardcover mit Download-Code
Auch in Deutschland wird es bald neue Varianten geben. "Wir verhandeln mit einigen Verlagen über neue Lizenzmodelle", sagt Onleihe-Chef Meyer. So könnten die Bibliotheken gegen einen Aufpreis von aktuellen Titeln einige Wochen lang mehr Exemplare anbieten, mit der Zeit reduziert sich die Stückzahl wieder. Auf der Frankfurter Buchmesse in diesem Monat will Meyer einige solcher Deals bekannt geben.
Die Verlage Haffmans & Tolkemitt aus Hamburg sowie Rogner & Bernhard aus Berlin propagieren dagegen das Nebeneinander von E-Book und Hardcover. In ihre Bücher drucken sie einen Code zum Herunterladen in elektronischer Form. Bei Literaturfreunden wie Tim Krieger kommt das an. Er stieß in einer Biografie über den Mitgründer der britischen Komikertruppe Monty Python, Graham Chapman, auf den Code. "Das fand ich ziemlich cool", sagt Krieger. Weiterverkaufen allerdings kann er auch dieses E-Book noch nicht.
EuGH erlaubt Handel mit Software
Doch auch das könnte sich ändern. Denn in der Rue du Fort Niedergrünewald in Luxemburg fiel kürzlich ein wegweisendes Urteil zum Handel mit digitalen Waren. Denn der dort ansässige Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied: Der Handel mit gebrauchter Software ist zulässig. Für Beobachter war das überraschend deutlich. "Der EuGH zündete eine Bombe", erklärt Thomas Hoeren, Professor für Informationsrecht an der Universität Münster.
Es ging um einen Streit zwischen dem Softwareriesen Oracle und dem Münchner Unternehmen Usedsoft. Deren Chef Peter Schneider kauft gebrauchte Lizenzen für Unternehmenssoftware und bietet sie seinen Kunden zum Verdruss von Herstellern wie Oracle deutlich günstiger an.
Grundgesetzt gilt auch für immaterielle Güter
Usedsoft berief sich auf den Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht. Er besagt, dass die Rechte des Urhebers durch den ersten Verkauf eines Werkes erschöpft sind. Für körperliches Eigentum ist das unstrittig. Nun stellte der EuGH erstmals klar: Der Grundsatz gilt auch für immaterielle Güter wie Software.
Die Entscheidung ist nicht direkt auf Musik oder Bücher übertragbar, weil für sie eine andere Richtlinie gilt. "Es wird aber schwer sein, zu begründen, warum die Argumentation für andere digitale Güter nicht auch gelten soll", sagt der Anwalt und Urheberrechtsspezialist Till Kreutzer.
Hersteller darf Weiterverkauf verhindern
Für Bücher wird sich das bald zeigen, denn Verbraucherschützer haben auch die Online-Buchhändler Libri.de und Buch.de verklagt. Sie fordern ein Wiederverkaufsrecht für E-Books. Die Richter am Oberlandesgericht Hamburg und dem Landgericht Dortmund wollten erst die Entscheidung des EuGH abwarten. Die haben sie nun.
Eine Hintertür allerdings haben die europäischen Richter den Anbietern offen gelassen: So ist der Weiterverkauf gebrauchter Software zwar rechtlich zulässig, aber der Hersteller darf ihn technisch verhindern. Immer öfter funktionieren Programme deshalb erst nach einer Online-Registrierung und Freischaltung. Diese Praxis hat der Bundesgerichtshof etwa beim populären Ballerspiel "Half Life 2" akzeptiert. Das funktioniert nur mit einem Online-Account bei der Spieleplattform Steam, der nicht auf andere Personen übertragbar ist.
Widerstand der Konsumenten zeigt Wirkung
Auch dagegen aber rebellieren die Verbraucherschützer: "Es ist wettbewerbswidrig, dass die Nutzer am Weiterverkauf gehindert werden", sagt VZBV-Expertin Carola Elbrecht. Sie hat den Steam-Hersteller Valve abgemahnt und ihm ein Ultimatum bis zum 10. Oktober gesetzt.
Inzwischen, so scheint es, zeigt der Widerstand der Konsumenten sogar Wirkung. In den USA etwa können Nutzer von Amazons Kindle E-Books zumindest schon mal verleihen. Und die Funktion soll schnellstmöglich auch nach Deutschland kommen. "Das steht auf unserer Prioritätenliste weit oben, denn viele Kunden fragen danach", versichert Veronika von Bredow, Kindle-Expertin in der Münchner Deutschlandzentrale von Amazon.
Nicht nur für Bücherfreund Krieger aus Hamburg dürfte das E-Book damit deutlich an Attraktivität gewinnen.