Erste Anbieter starten Zweitmarkt Ein Flohmarkt für E-Books und Co.

Immer mehr Menschen besitzen Bücher, Musik oder Filme nur noch als E-Book oder MP3-Datei. Die aber lassen sich bisher kaum legal weitergeben oder verschenken. Nun aber starten erste Anbieter den digitalen Zweitmarkt. Das freut die Kunden – und alarmiert die großen Medienkonzerne.

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eBook-Reader Quelle: dpa

Millionen Deutsche stöbern allwöchentlich auf Trödelmärkten, suchen nach Schätzen und Schnäppchen oder versilbern vermeintlich alten Plunder. Im zunehmend digitalen Zeitalter aber gerät der Flohmarkt auf die Liste der bedrohten Arten, denn immer mehr Warenquellen versiegen. Aus CDs werden MP3-Dateien, aus Taschenbüchern E-Books, und statt DVDs gibt es Filme als Download aus dem Internet.

Die Digitalisierung der Unterhaltungsindustrie vollzieht sich immer schneller. Im vorigen Jahr wurde nach Berechnungen der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers bereits ein knappes Drittel aller Medien digital verkauft. Musik, Filme oder Bücher auf dem PC, Smartphone oder Tablet sind praktisch und beliebt. Doch die digitalen Daten haben ein gravierendes Manko: Aus Angst vor unkontrollierter Vervielfältigung verhindern Studios, Labels und Verlage bisher die freie Handelbarkeit legal erworbener elektronischer Güter.

Kunden wollen verschenken und verleihen

Dagegen laufen nicht nur immer mehr Kunden Sturm. Sie wollen ihre elektronischen Schmöker, Musikstücke oder Filme – wie aus analoger Zeit gewöhnt – gerne verleihen, verkaufen oder verschenken. Inzwischen legen sich auch erste innovative Dienstleister mit den Branchenriesen an. Sie bauen digitale Flohmärkte für MP3-Dateien oder E-Books auf.

Immerhin schneiden Amazon, Apple & Co. nicht nur die Nachschubwege für Flohmärkte ab. Vor allem hebeln sie ein essenzielles Grundprinzip der Marktwirtschaft aus, dass nämlich erst die freie Handelbarkeit von Waren die faire Preisbildung ermöglicht. Genau das aber verhindern die digitalen Branchenriesen, indem sie die Rechte der Konsumenten mit gut versteckten Klauseln in den Tiefen unverständlicher Geschäftsbedingungen beschneiden. Denn wo "Kaufen" draufsteht, steckt tatsächlich oft nur ein "Nutzungsrecht" drin.

Gleicher Preis, weniger Rechte

Das ist auch Tim Krieger inzwischen übel aufgestoßen. Der Mitarbeiter eines Hamburger Verlages sucht auf den Märkten der Hansestadt gern nach Schnäppchen. Und auch selbst hat der 32-Jährige oft Kisten auf Flohmärkte geschleppt, um Platz im Regal zu schaffen. Seit vergangenem Weihnachten allerdings schmökert Krieger Bücher vor allem auf Amazons Lesegerät Kindle. Nun blockieren die ausgelesenen E-Books – statt Raum im Regal – Speicherplatz auf dem Lesegerät. "Obwohl die Kosten für den Druck wegfallen, zahle ich für ein digitales Buch fast den gleichen Preis wie für das physische Exemplar", schimpft Krieger. "Und dann kann ich es nicht einmal mehr weiterverkaufen."

Unterstützung bekommen Kunden wie er inzwischen von Verbraucherschützern. "Wer sich ein Buch herunterlädt, sollte nicht anders dastehen als jemand, der eine gebundene Ausgabe im Laden kauft", fordert Helke Heidemann-Peuser, Referatsleiterin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Der führt derzeit vor Gerichten in Dortmund und Hamburg mehrere Musterklagen gegen Online-Buchhändler und Spielefirmen.

Internet-Flohmarkt vor Gericht

Ein Mann sitzt mit einem Kopfhörer vor einer Internetseite, die Musik zum herunterladen anbietet Quelle: dpa

Und auch in New York beginnt in diesen Tagen ein wegweisender Prozess zur Handelbarkeit digitaler Medien. Vor Gericht steht ReDigi, der erste Internet-Flohmarkt für Musikdateien. ReDigi ist eine von mehreren Firmen, die inzwischen den Austausch digitaler Güter ermöglichen. Auch das Münchner Startup Skoobe etwa bietet E-Books für 9,99 Euro monatlich zum Ausleihen an. Fast 10 000 Titel hat das Gemeinschaftsunternehmen der Verlage Bertelsmann und Georg von Holtzbrinck aktuell im Angebot.

Noch drei Mal größer ist das Angebot des IT-Hauses Divibib aus Wiesbaden. Es hat für die deutschen Bibliotheken den Dienst Onleihe entwickelt, der rege genutzt wird. "Im Gesamtjahr 2012 werden es vier Millionen Ausleihen", sagt Geschäftsführer Jörg Meyer. Eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr und immerhin annähernd so viel, wie deutsche Leseratten im ersten Halbjahr 2012 insgesamt an digitalen Büchern gekauft haben: 4,6 Millionen E-Books. Das allerdings sind erst zwei Prozent aller verkauften Bücher in Deutschland.

Erklärungen überzeugen nicht

Flohmärkte für gebrauchte Dateien

Ein entscheidender Grund für die Kaufzurückhaltung – speziell im Vergleich zum Verleihboom in den Bibliotheken – ist nach Ansicht vieler Beobachter die fehlende Weitergabemöglichkeit der Titel. "Ich würde mehr E-Books kaufen, wenn ich sie später wieder loswerden könnte", sagt jedenfalls Krieger, und zahlreichen anderen Buchfans geht es genauso. "Warum also darf ich das nicht?", fragte der Hamburger den Kundendienst von Amazon. Mit gebrauchten Büchern auf Papier treibe der Internet-Riese schließlich auch einen schwunghaften Handel? Digitale Inhalte seien immer mit einem Kindle-Kundenkonto verknüpft, antwortete der US-Buchriese. Daher könnten Bücher nicht auf andere Personen übertragen werden. Krieger, der als Produktentwickler selbst an digitalen Projekten arbeitet, überzeugt die Erklärung nicht: "Technisch kann das eigentlich kein Problem sein."

So drängt sich der Verdacht auf, dass bei Amazon & Co. weniger technische Hürden dahinterstecken als vielmehr der Versuch, einen Zweitmarkt zu verhindern. Denn während benutzte CDs meist Kratzer haben und Bücher mit der Zeit regelrecht zerlesen werden, nutzen sich digitale Güter nicht ab. Eine Zweitverwertungsmöglichkeit von Produkten in identischer Qualität würde deren Preise deutlich drücken.

Gebrauchte Lieder statt Neukauf

Genau diesen Gebrauchtmarkt bietet nun ReDigi an, zuerst für Musik und bald auch für Bücher. Das Grundprinzip von ReDigi ist simpel: Wer beispielsweise Lady Gagas ersten Hit "Poker Face" nicht mehr hören kann, hat die Möglichkeit die MP3-Datei bei ReDigi zu verhökern. Dort kostet das Lied dann 0,79 Cent, während es beim Neukauf aus Apples iTunes-Musikladen noch mit 1,29 Dollar zu Buche schlägt.

Hinter dem Internet-Flohmarkt für gebrauchte Dateien steckt John Ossenmacher. Optisch könnte der 42-Jährige als früh ergrauter Rockmusiker durchgehen, zumindest aber als Manager einer Plattenfirma: die Ärmel bis über die Ellenbogen gekrempelt, das jeansblaue Hemd halb aufgeknöpft, damit seine silberne Kette zur Geltung kommt.

ReDigi punktet mit Sicherheit

Die zehn erfolgreichsten Tourneen 2011
Platz 10: Sade AduAuf Platz zehn der erfolgreichsten Tourneen 2011 landet die R&B-Sängerin Sade Adu mit ihrer Band Sade. Zu den 59 Konzerten der Tournee kamen insgesamt fast 600.000 Besucher. Damit nahm die mehrfache Grammy-Preisträgerin 53.178.550 US-Dollar (40.320.402 Euro) ein. Nach einer langen Pause war die Band 2010 mit dem Album „Soldier of Love“ und einer Doppel-CD der größten Hits ins Rampenlicht zurückgekehrt und begann ihre erfolgreiche Welttournee. Die nigerianisch-britische Bandleaderin lässt sich viel Zeit zwischen ihren Veröffentlichungen und meidet den roten Teppich.
Platz 9: André RieuEr gilt als Traumprinz aller Großmütter und zieht bei seinen vielen Konzerten eine Menge Fans an. Der niederländische Geiger André Rieu gab in der vergangenen Saison 102 Konzerte und lockte damit 657.757 Besucher an. Der Salonmusiker weiß sich zu inszenieren und wählt als Kulisse für seine Konzerte oft ein pompöses Schloss. Wer sich so zu vermarkten weiß, kann auch mit ordentlichen Einnahmen rechnen: Über 50 Millionen Euro spülten die Konzertbesucher in die Tournee-Kasse – Platz neun unter den erfolgreichsten Konzerttourneen. Quelle: AP
Platz 8: Lady GagaAuch Lady Gaga hat im vergangenen Jahr ordentlich Kasse gemacht. Die schrille Stil-Ikone nahm insgesamt knapp 72 Millionen US-Dollar (55 Millionen Euro) durch Konzerte ein und erreicht Platz 8 im Ranking der erfolgreichsten Tourneen. Ihre Single-Auskopplung „Born This Way“ landete innerhalb weniger Stunden nach Erscheinen auf Platz Eins der der meisten Download-Portale. Die exzentrische New Yorkerin war 2008 mit ihrem Album „The Fame“ auf dem unter anderem auch „Poker Face“ zu hören ist berühmt geworden und gehört heute zu den kommerziell erfolgreichsten Musikern weltweit. Quelle: dpa
Platz 7: UsherNoch erfolgreicher war der R&B-Sänger Usher. Zu seinen Konzerten kamen 2011 insgesamt 922.327 Besucher – damit landet er auf Platz 7. Alle zusammen bezahlten rund 75 Millionen Dollar für ihre Eintrittskarten. Zusammen mit den US-amerikanischen Rappern Ludacris und Lil Jon hatte er 2004 mit „Yeah“ seinen ersten Nummer 1-Hit in Deutschland gelandet. Von da an gehörten seine CDs zum festen Bestandteil der deutschen R&B-Gemeinde. Neben seiner eigenen Karriere kümmert sich Usher auch um den musikalischen Nachwuchs. Er gilt als Mentor der kanadischen Teenie-Stars Justin Biber. Quelle: dpa
Platz 6: Kenny ChesneyAuf Platz sechs ist der Country-Sänger Kenny Chesney der erste der mit seiner Tournee die Besuchermarke von einer Million knackt. 1.160.132 Besucher strömten zu seinen Konzerten und brachten insgesamt knapp 85 Millionen US-Dollar (64 Millionen Euro) mit. Er gehört zu den Top Drei der finanziell erfolgreichsten Musiker weltweit und hatte schon mehr als 30 Top-Ten-Singles in den Billboard-Country-Charts. Auch mit seinem Privatleben sorgte der Sänger schon für Aufsehen. Seine Ehe mit Oscar-Preisträgerin Renée Zellweger hielt nur vier Monate. Quelle: REUTERS
Platz 5: Taylor SwiftNoch mehr Zuschauer hatte die Country-Pop-Sängerin Taylor Swift, die 2011 die finanziell erfolgreichste Musikerin weltweit war. 1.356.720 Fans waren live dabei, als sie ihre selbst geschriebenen Songs aus dem 2010 veröffentlichten Album „Speak Now“ sang. Die Platte hatte sich in den USA innerhalb einer Woche mehr als eine Million Mal verkauft. Neben ihrer Karriere als Musikerin spielt sie hin und wieder auch in Filmen mit. So zum Beispiel 2009 in „Hannah Montana – Der Film“ oder in einer Gastrolle in der Fernsehserie „CSI“. Quelle: REUTERS
Platz 4: Roger WatersAuf Platz vier landet Roger Waters. Der Sänger und Bassist, der sich zu den Gründungsmitgliedern der legendären Rockband „Pink Floyd“ zählen darf, ist auch als Solist höchst erfolgreich. Zu seinen 92 Shows kamen 1.362.993 Besucher. Und die spülten ordentlich Geld in die Kasse des Musikers: 185.175.360 US-Dollar (113.677.582 Euro) bezahlten die Fans insgesamt für ihre Eintrittskarten. Während seiner Tournee trat er am 12. Mai 2011 auch mit zwei ehemaligen Bandkollegen (David Gilmour und Nick Mason) von Pink Floyd auf. Quelle: dapd

Und doch sieht die Musikindustrie in dem Mann mit den stahlblauen Augen keinen der ihren. Für sie ist ReDigi das neue Pirate Bay, jene schwedische Titel-Tausch-Plattform, die mittlerweile zum Synonym für Musikpiraterie wurde.

Dabei hat Ossenmacher, um Missbrauch auszuschließen, selbst eine gigantische Überwachungsmaschine für den Handel in der Digitalgüterwirtschaft entwickelt. Wer bei ReDigi Musikstücke versilbern will, muss sich eine Software installieren, die die gesamte Mediensammlung scannt und prüft, ob die Dateien von einer CD, aus Apples iTunes-Laden oder einer illegalen Tauschbörse stammen.

ReDigi könne die Herkunft von Musikstücken fast zweifelsfrei identifizieren, versichert Ossenmacher. Und so könnten auf seiner Plattform nur Titel verkauft werden, die zuvor legal erworben wurden. Zudem verschiebt das System die entsprechenden MP3-Dateien komplett auf die eigenen Server und toleriert keine Kopien.

ReDigi plant Ausdehnung nach Europa

Wer etwa nach dem Verkauf des Lady-Gaga-Stücks an seinen Rechner einen iPod anschließt, auf dem sich der verkaufte Hit noch einmal befindet, bekommt von ReDigi die Aufforderung, die Datei zu löschen. Nach drei Vorfällen dieser Art wird das Nutzerkonto gesperrt, bis die entsprechenden Duplikate entfernt sind.

Die Streaming-Anbieter im Internet

Derzeit bietet die Firma mit Sitz in der US-Universitätsstadt Cambridge ihren Dienst nur amerikanischen Kunden an. "Wir wollen aber Mitte nächsten Jahres nach Europa kommen", sagt Ossenmacher. Vor allem in Deutschland würde er gern aktiv werden, schließlich stammen seine Großeltern aus dem Rheinland. Derzeit analysieren Juristen die europäische Rechtslage, denn schon in den USA hat Ossenmacher Ärger. Gleich nach dem Start vor gut einem Jahr beschwerte sich der US-Musikverband RIAA, und das Musiklabel Emi hat über die US-Tochter Capitol Records eine Klage gegen ReDigi eingereicht. Für jeden eigenen Song auf der Plattform verlangt das Label 150 000 Dollar. Eine einstweilige Verfügung wies das Gericht im Frühjahr zurück. Am 5. Oktober nun beginnt der Prozess.

"Richtig coolen, fantastischen Kopierschutz"

Die Plattenfirmen fürchten eine neue Plattform, auf der illegal heruntergeladene Songs zu Geld gemacht werden können. Genau das will Ossenmacher verhindern, der wie ein Hardliner der Musikindustrie klingt, wenn er von seiner Technik schwärmt: "Wir machen einen großartigen, richtig coolen, fantastischen Kopierschutz."

Er glaubt nicht, dass es seinen Gegnern wirklich um Raubkopien geht. Schließlich hätten einige Musiklabels auch schon angefragt, ob sie die patentierte Verifikationstechnik lizenzieren können. An der hat sein Team um den Informatikprofessor Larry Rudolph vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) zwei Jahre getüftelt.

Gebrauchtmarkt als wichtiger Wirtschaftsfaktor

Ein iPad Tablet mit einer Bücherwand auf dem Bildschirm Quelle: dpa

"Der Grund für die Klage ist klar", sagt der ReDigi-Chef. "Es soll keinen Gebrauchtmarkt für digitale Güter geben." Dabei könnte genau der auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor werden. Denn bisherige Erfahrungen zeigen, dass Verkaufserlöse von Gebrauchtgütern oft dazu dienen, neue Waren zu kaufen – unter anderem auch Dinge, die man sich sonst nicht leisten könnte.

Ein Beispiel ist Gamestop, der größte Händler für gebrauchte, physische Computerspiele: Fast zehn Milliarden Dollar setzte das börsennotierte Unternehmen im Vorjahr um. "Es gibt zu wenig Verständnis dafür, dass der Handel gut für die Branche ist", sagt Gamestop-Chef Paul Raines. Schließlich steckten Verkäufer gebrauchter Spiele 70 Prozent ihres erhaltenen Geldes wieder in neue Games, rechnet Raines vor.

Bücher werden meist nur einmal gelesen

"Auch die Expansion des E-Book-Marktes wird durch den fehlenden Wiederverkaufswert gebremst", sagt Ossenmacher, der daher künftig auch elektronische Bücher auf seinem Digitalflohmarkt handeln will. Derzeit läuft ein Test, bis Anfang November sollen alle Nutzer E-Books kaufen und verkaufen können.

eBücher ohne Blättern
Kindle Fire Quelle: Presse
Amazon Kindle Quelle: Presse
Oyo Reader Quelle: Presse
Apple iPad 2 Quelle: Presse
Story iRiver Quelle: Presse
Sony Reader WiFi Quelle: Presse

Tatsächlich spielen E-Books eine Schlüsselrolle in dem Streit: Während Musik immer wieder angehört wird, werden Bücher meist nur einmal gelesen. Sie sind prädestiniert, weitergegeben zu werden. Elektronische Bücher noch mehr, da sie nach der Lektüre nicht einmal das Wohnzimmerregal schmücken. Der intellektuelle Prestigegewinn durch einen vollgestopften Kindle-Speicher ist schließlich nicht vergleichbar.

So überlegen sich viele potenzielle Leser zweimal, ob sie Bücher tatsächlich elektronisch kaufen. Besonders in Deutschland, wo die elektronischen Ausgaben wegen der Buchpreisbindung kaum weniger kosten. Viele weichen daher auf Angebote wie die Onleihe-App der Bibliotheken aus.

Kopien wären Segen und Fluch zugleich

Doch wer den Dienst ausprobiert, findet meist nur ein gelbes Symbol und die Information: "ausgeliehen". Denn auch fürs E-Book gilt: "Man kann es nur ausleihen, wenn kein anderer es gerade hat", erklärt Monika Ziller, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands. Dabei bräuchte es das leidige Problem vergriffener Bücher nicht mehr zu geben, weil sich elektronische Medien beliebig oft kopieren lassen. Genau das fürchten jedoch die Verlage, so gilt auch in elektronischen Bibliotheken das Prinzip begrenzter Stückzahlen.

Einige Verleger versuchen die traditionelle Buchwelt ins elektronische Zeitalter zu übertragen, andere verweigern sich dem Thema noch ganz. Der zu Rupert Murdochs News Corp. gehörende Großverlag HarperCollins etwa erlaubt es Bibliotheken, jedes lizenzierte Exemplar 26 Mal auszuleihen. Das entspräche der durchschnittlichen Lebensdauer eines gedruckten Buches, argumentiert der Verlagsriese.

Hardcover mit Download-Code

Das bewegte Leben von Kim Schmitz
Founder of online file-sharing site Megaupload.com Kim Dotcom, a German national also known as Kim Schmitz and Kim Tim Jim Vestor attends a hearing at the North Shore District Court in Aucklan Quelle: Reuters
Kim Schmitz (rechts) wurde in Neuseeland festgenommen. Der deutsche Internet-Unternehmer soll der Kopf hinter Megaupload sein, einem der beliebtesten Musik- und Videoportale im Netz. Doch laut Anklage habe Megaupload der Unterhaltungsindustrie durch Raubkopien einen Schaden von 500 Millionen Dollar zugefügt. Quelle: dapd
Der Zugriff erfolgte in der "Villa Dotcom" im neuseeländischen Coatesville, 300 Kilometer nordwestlich von Auckland. Die Anlage ist mit 25 Millionen Dollar eine der teuersten im Land. Ursprünglich wollte Schmitz die Villa kaufen. Doch Politiker schlugen dazwischen, am Ende musste Kim Dotcom es mieten. Eine Niederlassungs-Erlaubnis erhielt er aber immerhin - dem Vernehmen nach kaufte er zuvor Staatsanleihen für zehn Millionen Dollar und spendete für Opfer des schweren Erdbebens in Christchurch. Er soll zurückgezogen unter dem Schutz von Bodyguards gelebt haben - aber gerne auch mal Riesensummen für ein Silvesterfeuerwerk ausgegeben haben. Quelle: dpa
Es wurde auch Kims gesamter Fuhrpark beschlagnahmt: Neben einem Rolls Royce Phantom und einem rosa Cadillac gleich ein Dutzend Mercedes-Limousinen. Die Kennzeichen der Fahrzeuge lauteten beispielsweise MAFIA, HACKER, STONED oder POLICE. Quelle: dpa
Einen Autofaible hatte Schmitz schon immer, so nahm er mehrfach an der legendären Gumball-Rallye teil, bei der Stars ihre Luxusschlitten unter realen Bedingungen testen. Einmal gewann Schmitz das halblegale Rennen sogar. Schon 1999 stellte Schmitz auf der Cebit gemeinsam mit dem Tuning-Spezialisten Brabus den Megacar vor - einen Mercedes Benz S 500 L mit integriertem Videokonferenzsystem und Internet-Computer.  In die Kopfstützen der Limousine waren Bildschirme sowie Kameras eingelassen, ein 17-Zoll-Flachbildschirm für den Internet-Computer war am Wagenhimmel befestigt. Quelle: dpa
Lange war darüber spekuliert worden, dass Schmitz hinter Megaupload steckt. Vor einigen Wochen tauchte er dann in einem Werbevideo auf. In dem Musikvideo hat Kim Hip-Hop-Superstars wie Kanye West, P.Diddy oder Will.i.am von den Black Eyed Peas um sich versammelt, sie bejubelten Megaupload genauso, wie Alicia Keys, Chris Brown oder Mary J Blidge.
Der 37-Jährige war eine der schillerndsten Figuren der New Economy: Vom Hacker wurde er zum Internet-Star. „Kim Tim Jim Vestor“ sagte gern: "In zehn Jahren will ich zu den reichsten Männern der Welt gehören".

Auch in Deutschland wird es bald neue Varianten geben. "Wir verhandeln mit einigen Verlagen über neue Lizenzmodelle", sagt Onleihe-Chef Meyer. So könnten die Bibliotheken gegen einen Aufpreis von aktuellen Titeln einige Wochen lang mehr Exemplare anbieten, mit der Zeit reduziert sich die Stückzahl wieder. Auf der Frankfurter Buchmesse in diesem Monat will Meyer einige solcher Deals bekannt geben.

Die Verlage Haffmans & Tolkemitt aus Hamburg sowie Rogner & Bernhard aus Berlin propagieren dagegen das Nebeneinander von E-Book und Hardcover. In ihre Bücher drucken sie einen Code zum Herunterladen in elektronischer Form. Bei Literaturfreunden wie Tim Krieger kommt das an. Er stieß in einer Biografie über den Mitgründer der britischen Komikertruppe Monty Python, Graham Chapman, auf den Code. "Das fand ich ziemlich cool", sagt Krieger. Weiterverkaufen allerdings kann er auch dieses E-Book noch nicht.

EuGH erlaubt Handel mit Software

Doch auch das könnte sich ändern. Denn in der Rue du Fort Niedergrünewald in Luxemburg fiel kürzlich ein wegweisendes Urteil zum Handel mit digitalen Waren. Denn der dort ansässige Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied: Der Handel mit gebrauchter Software ist zulässig. Für Beobachter war das überraschend deutlich. "Der EuGH zündete eine Bombe", erklärt Thomas Hoeren, Professor für Informationsrecht an der Universität Münster.

Es ging um einen Streit zwischen dem Softwareriesen Oracle und dem Münchner Unternehmen Usedsoft. Deren Chef Peter Schneider kauft gebrauchte Lizenzen für Unternehmenssoftware und bietet sie seinen Kunden zum Verdruss von Herstellern wie Oracle deutlich günstiger an.

Grundgesetzt gilt auch für immaterielle Güter

Usedsoft berief sich auf den Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht. Er besagt, dass die Rechte des Urhebers durch den ersten Verkauf eines Werkes erschöpft sind. Für körperliches Eigentum ist das unstrittig. Nun stellte der EuGH erstmals klar: Der Grundsatz gilt auch für immaterielle Güter wie Software.

Die Entscheidung ist nicht direkt auf Musik oder Bücher übertragbar, weil für sie eine andere Richtlinie gilt. "Es wird aber schwer sein, zu begründen, warum die Argumentation für andere digitale Güter nicht auch gelten soll", sagt der Anwalt und Urheberrechtsspezialist Till Kreutzer.

Hersteller darf Weiterverkauf verhindern

Für Bücher wird sich das bald zeigen, denn Verbraucherschützer haben auch die Online-Buchhändler Libri.de und Buch.de verklagt. Sie fordern ein Wiederverkaufsrecht für E-Books. Die Richter am Oberlandesgericht Hamburg und dem Landgericht Dortmund wollten erst die Entscheidung des EuGH abwarten. Die haben sie nun.

Eine Hintertür allerdings haben die europäischen Richter den Anbietern offen gelassen: So ist der Weiterverkauf gebrauchter Software zwar rechtlich zulässig, aber der Hersteller darf ihn technisch verhindern. Immer öfter funktionieren Programme deshalb erst nach einer Online-Registrierung und Freischaltung. Diese Praxis hat der Bundesgerichtshof etwa beim populären Ballerspiel "Half Life 2" akzeptiert. Das funktioniert nur mit einem Online-Account bei der Spieleplattform Steam, der nicht auf andere Personen übertragbar ist.

Widerstand der Konsumenten zeigt Wirkung

Auch dagegen aber rebellieren die Verbraucherschützer: "Es ist wettbewerbswidrig, dass die Nutzer am Weiterverkauf gehindert werden", sagt VZBV-Expertin Carola Elbrecht. Sie hat den Steam-Hersteller Valve abgemahnt und ihm ein Ultimatum bis zum 10. Oktober gesetzt.

Inzwischen, so scheint es, zeigt der Widerstand der Konsumenten sogar Wirkung. In den USA etwa können Nutzer von Amazons Kindle E-Books zumindest schon mal verleihen. Und die Funktion soll schnellstmöglich auch nach Deutschland kommen. "Das steht auf unserer Prioritätenliste weit oben, denn viele Kunden fragen danach", versichert Veronika von Bredow, Kindle-Expertin in der Münchner Deutschlandzentrale von Amazon.

Nicht nur für Bücherfreund Krieger aus Hamburg dürfte das E-Book damit deutlich an Attraktivität gewinnen.

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