Neue Zielgruppen Der Handel braucht einen Migrationshelfer

Egal ob Wurstbrot oder Peynirli Pide: Menschen freuen sich in der Ferne über Kulinarisches aus der Heimat. Eine Schweizer Kette bietet deshalb typisch deutsche Spezialitäten an. Nur der deutsche Handel stellt sich stur.

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Das Schweizer Unternehmen Migros setzt auf deutsche Produkten für die Deutschen in der Schweiz. Quelle: Screenshot

Deutschland ist nicht das einzige typische Einwanderungsland. Bei unseren Nachbarn in der Schweiz leben acht Millionen Menschen, 23 Prozent davon sind Ausländer oder haben einen ausländischen Hintergrund. Die größte Gruppe bilden die Italiener mit rund 290.000 Menschen, dann kommen die Deutschen mit rund 276.000 Menschen, dann rund 224.000 Portugiesen, 102.000 Serben sowie Franzosen (99.500), Asiaten (95.000), Amerikaner (72.000), Kosovaren (72.000), Türken (70.000), Spanier (66.000), Mazedonier (61.000) und Afrikaner (60.600).

Maggi Fix und Spreewaldgurken in der Schweiz

Mit diesen Menschen lässt sich Geld verdienen. Auch viele Schweizer Einzelhändler haben das begriffen. So führt Migros, das größte Einzelhandelsunternehmen der Schweiz, "deutsche Lieblingsprodukte" im Sortiment.

Für die zweitgrößte Ausländergruppe des Landes stehen in 30 Filialen in Zürich Duplo, Erasco-Eintöpfe, Pfanni-Knödel, Spreewaldgurken, Löwen-Senf, Leipniz-Kekse sowie Maggi Fix und Tütensuppen von Knorr im Regal. Für das Unternehmen lohnt es sich, deutsche Produkte anzubieten: Mit mehr als 30.000 Menschen bilden die Deutschen die größte Ausländergruppe in Zürich, sogar noch vor Italienern, Serben und Montenegrinern. "Wir konnten bei der Sortimentsauswahl von Erfahrungen der "Migros Deutschland" profitieren", sagt Andreas Reinhart von der Genossenschaft Migros Zürich. "Gleichzeitig haben wir Deutsche in unserem Umfeld direkt nach Ihren Bedürfnissen gefragt." Dementsprechend gut funktionieren Kohlroulade und Co. "Der Absatz ist erfreulich, wir sind sehr zufrieden", sagt Reinhart. Mittlerweile sei ein regelrechter Dialog mit den deutschen Kunden entstanden, die sich Lebensmittel aus der alten Heimat auch im neuen Zuhause wünschen.

Die Wurzeln der deutschen Konsumenten

Die deutschen Kunden sind aber nicht die Einzigen, die der Schweizer Einzelhandel umgarnt. Das ohnehin umfangreiche Ethno-Sortiment der Migros verändert sich immer wieder, wie Reinhart erzählt. "Die jüngsten Zugänge kommen aus Österreich: Kaiserschmarrn und Semmelknödel im Convenience-Regal." Auch das zweitgrößte Handelsunternehmen Coop, das seinen deutschen Pendants schon beim Thema Lebensmitteltransparenz einiges voraus hat, hat erkannt, dass sich mit den Migranten in der Schweiz ein gutes Geschäft machen lässt. Bei Coop gibt es im Sortiment auch türkische Produkte - und auch hier wird das Sortiment für diese Zielgruppe regelmäßig erweitert.

Nur der deutsche Handel lässt, abgesehen von Wellness oder In-Food wie Sushi, das sogenannte Ethno-Marketing links liegen. Es scheint, als würde der deutsche Lebensmitteleinzelhandel auf Umsätze in Millionenhöhe verzichten, weil er so tut, als gäbe es keine Migranten in Deutschland.

Umsatzchance verschlafen

Wohin die meisten Deutschen auswandern
Platz 10: NiederlandeGay Pride in Amsterdam - in der holländischen Stadt lebt es sich locker und fröhlich: 3 466 deutsche Staatsbürger sind im Jahr 2010 ins Nachbarland ausgewandert. (Quelle: Statistisches Jahrbuch 2012) Quelle: dapd
Platz 9: AustralienDas Business-Viertel in Sydney - 3 662 Deutsche haben 2010 in Down Under den Neustart gewagt. Quelle: REUTERS
Platz 8: Türkei2010 sind 4 735 Deutsche in die Türkei ausgewandert. Viele lassen sich in Istanbul (im Bild) nieder, unter ihnen befinden sich auch viele Deutsch-Türken. Quelle: REUTERS
Platz 7: FrankreichAn der Seine und anderswo im schönen Frankreich leben seit 2010 ungefähr 6 559 deutsche Staatsbürger zusätzlich. Quelle: dapd
Platz 6: SpanienVon Madrid ist es nur noch ein Katzensprung zum Himmel, so ein Sprichwort aus der spanischen Hauptstadt. Trotz der schweren Staatsschuldenkrise sind 6 709 Deutsche davon überzeugt - und leben seit 2010 in Spanien. Quelle: REUTERS
Platz 5: Vereinigtes KönigreichDie City von London, eines der großen Finanzzentren der Welt, zieht viele Deutsche an: zum arbeiten, studieren, leben. Seit 2010 sind 8 530 Personen mit deutschen Pass, die sich auf den britischen Inseln niedergelassen haben. Quelle: REUTERS
Platz 4: Polen Nicht nur die Stadien sind in Polen toll, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung machen den einstigen Ostblock-Staat sehr attraktiv. Die Deutsche haben das längst gemerkt: 9 434 leben seit 2010 an der Weichsel. Quelle: dpa

Dabei haben alleine die Türken in Deutschland eine Kaufkraft von mehr als 20 Milliarden Euro, wie Experten von Ethnomarketing.net schätzen. Die mehr als 2,5 Millionen Menschen in Deutschland, die aus den Nachfolgerstaaten der Sowjet-Union stammen, geben sogar etwas mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr für Konsum und Lebensmittel aus. Nur eben kaum im deutschen Einzelhandel, weil dieser ihre Bedürfnisse ignoriert. Die Schätzungen, wie viel Geld dem Handel dadurch durch die Lappen gehen, variieren.

Fünf Milliarden Dollar Umsatz mit Halal-Produkten

Mit islam-konformen Produkten, sogenannten Halal-Lebensmitteln, wurde allein im Jahr 2010 europaweit 67 Milliarden Dollar Umsatz generiert. Nach Schätzungen haben die rund 400 Unternehmen in Deutschland, die Halal-Produkte anbieten, circa fünf Milliarden Dollar umgesetzt. Verkauft wurden sie nur eben kaum in deutschen Geschäften, sondern in den rund 10.000 türkischen und arabischen Supermärkten, die es in der Bundesrepublik gibt.

Herkunftsländer der deutschen Muslime

"Die Rewe Group beobachtet die Entwicklung bezüglich Halal noch. Derzeit gibt es keine entsprechend ausgelobten einzelne Produkte", sagt Raimund Esser, Bereichsleiter Unternehmenskommunikation bei der Rewe Handelsgruppe. In Anbetracht der Tatsache, dass es die muslimischen Kunden hierzulande nicht erst seit einigen Monaten gibt, eine eher unverständliche Haltung.

Etwas offener geht Konkurrent Edeka dem Thema ausländische Kundschaft um: "Selbstverständlich bieten eine Vielzahl von Edeka-Märkten bereits islamkonforme Lebensmittel (Halal-Produkte) an", heißt es seitens des Unternehmens. So biete die Filiale in Bremen Walle beispielsweise eine besonders große Auswahl an Halal-Produkten an und ein Edeka-Markt in Hamburg führe koschere Produkte für die jüdischen Kunden. Dazu gehören Produkte, die unter anderem kein Blut oder Fleisch von Schweinen, Pferden, Kaninchen, Wild oder Meeresfrüchten enthalten. Die Entscheidung, welche Artikel ins Sortiment der jeweiligen Märkte aufgenommen werden, treffen die rund 4.500 selbstständigen Kaufleute des Unternehmens abhängig von der konkreten Kundennachfrage.

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Weil der deutsche Lebensmitteleinzelhandel die breite und kaufkräftige Zielgruppe der Muslime jahrelang völlig ignoriert hat, haben sich parallele Einkaufsstrukturen gebildet, wie Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL) sagt. "Die Muslime gehen gerade in den Großstädten eher in den türkischen Supermarkt."

Geringes Vertrauen in den Handel

Was steckt in unserem Essen?
Gestreckter KaffeeUm mehr Geld zu verdienen kommt es immer wieder vor, dass Hersteller ihren Kaffee strecken. Dafür mischen sie laut einer NDR-Reportage den gemahlenen Bohnen zu etwa zehn Prozent den Stoff Maltodextrin bei. Dabei handelt es sich um eine Zuckerart, die in der Lebensmittelindustrie als günstiger Füllstoff eingesetzt wird. Auch Karamell wird zum Strecken verwendet. Kunden sollten im Supermarkt bei der Aufschrift "Melange" hellhörig werden. Auch im Kleingedruckten geben die Hersteller an, ob sie das Produkt gestreckt haben. Damit gibt es keine rechtlichen Konsequenzen. Quelle: dpa
Ewig frisches FleischSeit Tagen liegt das Hackfleisch im Kühlschrank und noch immer sieht es frisch aus. Die Lebensmittelindustrie macht es möglich, indem sie einfach ein Gasgemisch mit viel Sauerstoff in die Verpackung pumpt. Dadurch bleibt das Fleisch optisch frisch. Am Geschmack lässt sich das Alter dann aber doch erkennen. Das Max-Rubner-Institut hat herausgefunden, dass derartig behandelte Ware ranzig schmeckt. Außerdem soll das Gasgemisch das Wachstum bestimmter Bakterien fördern. Quelle: dpa
Gefärbte OlivenIm Handel werden sowohl schwarze als auch grüne Oliven vertrieben. Schwarze Oliven gelten dabei als besondere Delikatesse, da sie schon reif und damit vollmundiger im Geschmack sind. Die grünen Oliven sind noch sehr jung und damit eher herb und säuerlich im Geschmack. Weil sich die schwarzen Exemplare besser verkaufen lassen, sind findige Hersteller auf die Idee gekommen, grüne Oliven einfach schwarz zu färben. Rein optisch ist es sehr schwer die echten von den gefälschten schwarzen Oliven im Glas unterscheiden zu können. Wer wissen will, welche Oliven er kauft, muss einen Blick auf die Zutatenliste werfen. Sind die Stabilisatoren Eisen-2-Gluconat oder Eisen-2-Lactat aufgelistet, handelt es sich um Trickserei. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Natürliche AromenVielen Verbrauchern ist es wichtig, dass in Produkten keine oder zumindest wenig Chemie enthalten ist. Wer aber darauf vertraut, dass in einer Erdbeermarmelade mit "natürlichen Aromen" nur Erdbeeren und Zucker enthalten sind, der kann sich täuschen. Natürliche Aromen können nämlich auch pflanzliche Öle sein, die dem Obstgeschmack nahe kommen. Quelle: dpa
PestoSo beklagt die Verbraucherorganisation Foodwatch, dass beispielsweise im Pesto Verde der Marke Bertolli (Unilever) Cashewnüsse, Pflanzenöl, Aroma und Säuerungsmittel enthalten sind. Dabei wirbt Unilever mit "original italienischer Rezeptur", "nur die besten Zutaten", "feinstes Bertolli Olivenöl" und Pinienkernen. Mehr als ein Fingerhut voll Olivenöl muss aber gar nicht drin sein und auch die teuren Pinienkernen müssen nur zu einem geringen Teil enthalten sein. Quelle: Fotolia
PuddingAuch im Pudding muss nicht drin sein, was draufsteht: So reicht es beispielsweise, wenn im Schokoladenpudding ein Prozent echtes Kakaopulver enthalten ist. Der Rest darf eine bunte Mischung aus Aromen, Zucker, Fett und Gelatine sein. Nur wenn weniger als ein Prozent Kakao - also Schokolade - im Schokopudding ist, muss das entsprechend deklariert werden. Quelle: dpa/dpaweb
FruchtsaftgetränkeAuch bei Fruchtsäften müssen Verbraucher aufmerksam sein. Nur, wenn auf der Packung "Fruchtsaft aus 100 Prozent Frucht" steht, ist tatsächlich nichts anderes drin. Die deutsche Fruchtsaftverordnung erlaubt allerdings auch die Verwendung von Fruchtsaftkonzentrat und 15 Gramm zusätzlichem Zucker pro Liter Saft. Saft aus Zitronen, Limetten, Bergamotten und schwarzen, roten oder weißen Johannisbeeren darf mehr Zucker zugesetzt werden. Beim Fruchtnektar handelt es sich dagegen um eine Mischung aus Fruchtsaft und/oder Fruchtmark, Wasser und Zucker. Der Fruchtanteil beträgt 25 bis 50 Prozent. Noch niedriger ist der Fruchtanteil bei Fruchtsaftgetränken: Bei Orangensaft liegt dieser bei sechs Prozent, bei Traubensaft und Apfelsaft bei 30 Prozent. Bei Eistees reicht es, wenn Obst auf der Packung abgebildet ist, enthalten sein muss keins. So beanstandet Foodwatch den Pfanner-Eistee "Zitrone-Physalis", in dem die Menge an Physalis ist so gering ist, dass sie nicht einmal deklariert werden muss. Im zwei-Liter-Karton sind außerdem enthalten: 44 Stück Würfelzucker, 15 Prozent gelber Tee, Aromen und E330 (Zitronensäure). Quelle: dapd

Engin Ergün, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungsunternehmens ethno IQ, wundert das kaum. Die türkischen und arabischen Supermärkte böten ihren Kunden ein ganzheitliches Konzept und eine hohe Glaubwürdigkeit. Das Produktsortiment sei weitaus größer als im deutschen Lebensmitteleinzelhandel und - was entscheidend sei - "die Kunden können sich sicher sein, dass die Produkte keinen Alkohol und keine Spuren von Schweinefleisch enthalten."

Im deutschen Zertifikate-Wust aus zahlreichen Öko-, Bio-, Regional-, Nachhaltig- oder eben auch Halal-Siegeln blickt ohnehin fast niemand durch, und wenn es Pferdefleisch ins Rinderhack schafft, dann vielleicht auch Schweinefleisch in die Geflügelsalami. Dieses Risiko wollen die Kunden nicht eingehen und kaufen lieber bei ihrem türkischen Markt nebenan. "Die muslimischen Kunden vertrauen dem Ladenbesitzer", sagt Ergün. Schließlich stehe hinter dem jeweiligen Geschäft keine anonyme Kette, sondern eine Familie, die im gleichen Viertel wohnt und die man kennt.

"Taste of Home" für Europa - nur nicht für Deutschland

Ergün hat das Unternehmen ethno IO 2007 gegründet und begleitet seit dem deutsche Unternehmen, die ihre Produkte auch auf den arabischen Markt bringen wollen. Unter anderem berät sein Unternehmen Haribo, Vodafone, Maggi oder den Konsumgüterhersteller Procter & Gamble. Denn die großen deutschen Unternehmen sind alle auch in der arabischen Welt tätig und die Lebensmittelhersteller verkaufen dort natürlich Halal-Produkte - nur eben in Deutschland nicht.

Auch Meike Schmidt von Nestlé erzählt, dass sich der Nahrungsmittelkonzern zwar grundsätzlich den Bedürfnissen in den jeweiligen Märkten anpasse und in rund einem Viertel seiner weltweit 461 Fabriken auch Halal-Produkte herstelle. "In Europa erhöht Nestlé kontinuierlich sein Angebot an Halal und "Ethic"-Lebensmitteln", sagt Schmidt. "Wir haben Halal-zertifizierte Produktionsanlagen in 20 europäischen Fabriken." So habe es im Jahr 2011 eine Kampagne mit dem Namen "Taste of Home" gegeben, bei der in Europa kleinere Eckläden mit Halal-Produkten beliefert worden seien. Nur auf dem deutschen Markt gibt es keine islam-konformen Lebensmitteln des Schweizer Industrieunternehmens.

Halal-Pizza - nur ohne erkennbares Siegel

Die Marke Dr. Oetker produziert seit 2008 Halal-zertifizierte Tiefkühlpizza. So sind die Pizzen Spinaci, Vegetale, Tonno, Mozzarella, Quattro Formaggi, Funghi, Formaggi & Pomodori und Pepperoni der Reihe "Ristorante Pizza" alle halal. "Ein Ausbau ist geplant, gestaltet sich jedoch schwierig, da es nicht sehr viele Hersteller, Schlacht- und Zerlege-Betriebe gibt, die Halal-zertifiziert sind und die entsprechenden Rohwaren liefern können", sagt Christina Krumpoch vom Lebensmittelkonzern Dr. Oetker. Die von der SGS Germany GmbH Halal zertifizierten-Pizzen werden, wie auch die islam-konformen Nestlé-Produkte ausschließlich ins Ausland exportiert.

Im deutschen Handel liegen zwar die gleichen Pizzen, die auch in die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, den Libanon, Singapur, Malaysia, China, Australien oder Südafrika verkauft werden, hierzulande suchen Kunden das entsprechende Siegel aber vergebens. "Da für die Produkte auf dem deutschen Markt keine Zertifikate vorliegen, erfolgt keine diesbezügliche Werbung", sagt Krumpoch. Auf Anfrage teilt das Unternehmen den Kunden aber mit, welche Produkte frei sind von Schweinefleisch und Alkohol.

Letzte Chance E-Commerce

Die Trends beim Einkaufen
Hersteller werden zu HändlernAls einen der wesentlichen Trends der vergangenen Jahre sehen die Experten von KPMG und EHI, dass Markenartikelhersteller zunehmend eigene Einzelhandelsaktivitäten entwickeln. „Ob Adidas, Boss oder WMF – sie alle haben in den letzten Jahren massiv eigene Geschäfte eröffnet“, heißt es in der Studie. Diese Strategie sei nun in den Fokus zahlreicher Hersteller gerückt. „Überall dort, wo Hersteller aus den eigenen Produktionsstätten ein kompetentes Sortiment anbieten können und gleichzeitig eine starke Marke haben, gibt es hierfür zumindest eine gute Grundlage.“ Quelle: AP
Händler werden DienstleisterDie Integration von Dienstleistungen in Handelskonzepte könnte neuen Umsatzschwung bringen. So könnten Lebensmittelhändler ihren Kunden auch Cateringangebote unterbreiten. Der Verleih von Partyzelten, Tischen und Bänken ist eine Option für den Getränkehandel. Zwar konnten sich die Verbraucher in der Umfrage nur schwer vorstellen, ihren Babysitter künftig im Drogeriemarkt zu buchen oder die Bergsteigeausrüstung im Outdoor-Laden zu mieten, aber die Unternehmen werden solche Leistungen verstärkt anbieten, erwarten die Trendforscher. Quelle: AP
Zurück in die InnenstädteWurden bis Ende der 90er Jahre neue Shoppingcenter vor allem am Stadtrand oder auf der grünen Wiese eröffnet, lag der Anteil der innerstädtischen Neueröffnungen im Jahr 2011 bei 81 Prozent, schreiben die Experten. Auch andere Betriebsformen drängen zurück in die City. Im Möbelhandel seien dies Möbel Lutz und Ikea, bei den Baumärkten Hagebau oder Knauber. Quelle: dpa
Location Based ServicesDa die Anzahl der Smartphones weiter steigt, gehen die Handelsexperten von EHI und KPMG davon aus, dass auch so genannte ortsbasierte Dienste als Instrument der Kundenansprache immer wichtiger werden. Per Nachricht auf das Handy ist etwa möglich, dass Kunden sofort informiert werden, wenn sie sich in der Nähe einer Parfümerie aufhalten, die ihr Lieblingsparfum zum vergünstigten Preis anbietet. Quelle: obs
Augmented Reality (via Webcam Kleidungsstücke anprobieren)Eine Technologie, die sowohl im E-Commerce als auch im M-Commerce an Bedeutung gewinnen wird sei die so genannte ‚Augmented Reality‘, also erweiterte Realität, heißt es in der Handelsstudie. Insbesondere im Modesegment sehen die Experten Anwendungsmöglichkeiten. „Kunden können beim Online-Shopping via Webcam Kleidungsstücke virtuell anprobieren und deren Farben und Style ohne Probleme ändern. Eine größere Sicherheit bei der Produktauswahl senkt somit die Retourenquote.“ Quelle: dpa
Bezahlen per HandyEs sei durchaus denkbar, dass Kunden im Jahr 2020 Ware mit ihren Smartphones selber einscannen und bezahlen. „Ob der Einkauf für den Konsumenten dadurch wirklich komfortabler wird sei dahingestellt, der Handel jedenfalls bereitet sich technologisch bereits heute auf das Zeitalter des ‚Mobile Scanning & Payment‘ vor“, heißt es in der Studie. Quelle: dpa
Convenience-GeschäfteDemografie und Konsumverhalten führen dazu, dass im Lebensmittelhandel so genannte Convenience-Geschäfte etablieren. Läden also, die Salate, belegte Brote oder frische zubereitete Desserts zum sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen anbieten. Jüngstes Beispiel ist „Rewe to go“, ein Ableger der Kölner Rewe-Gruppe, der in Köln startete und nun auch nach Düsseldorf kommen soll. Auch die niederländische Ahold-Gruppe plant einen Markteintritt mit Convenience-Geschäften in Deutschland. Quelle: dapd

Eine richtige Erklärung, warum eine immerhin rund vier Millionen Menschen umfassende Bevölkerungsgruppe vom Lebensmittelhandel fast vollständig ignoriert wird, hat so gut wie niemand. "Die Asia-Food-Ecke oder die mexikanische Ecke spricht den deutschen Kunden an, der asiatisch kochen möchte. Aber deutsche Kunden wollen nicht halal kochen. Vielleicht lohnt es sich deshalb nicht", mutmaßt ethno IQ-Geschäftsführer Ergün. Denn schließlich müsse die Produkteinführung wie auch beim Asiafood bewusst und ganzheitlich geschehen. "Dazu gehört Werbung und ein Konzept, das geht nicht nebenbei."

Wenn sich der deutsche Lebensmitteleinzelhandel mal an Halal-Produkten versuche, geschehe dies aber eher schlecht als recht. "Die wenigen Produkte sind so versteckt, das ist doch kein Einkaufserlebnis", resümiert Ergün. So werden die wenigen Funde in deutschen Kühlregalen regelrecht gefeiert. Userinnen im Forum muslima-aktiv.de beispielsweise informieren sich umgehend darüber, in welchem Supermarkt es Produkte gibt, die sie bedenkenlos essen können. "Ui ich weiß nicht in wie weit ihr das schon gesehen habt aber Edeka und Rewe haben tollen Halal aufschnitt (tolle geräucherte Hühnchen brust oder Geflügel Salami) von Wiesenhof auch tolle Käsewiener :) Habe mich total gefreut" schreibt da eine Userin und eine andere antwortet: "danke: für die Info.....Ein Lichtblick...."

Halal-E-Commerce kommt

Da aber auch in Geflügelprodukten in Deutschland Schweinefleisch enthalten sein darf, ist die Freude meist schnell dahin - und das Vertrauen gleich mit. Wenn der deutsche Lebensmittelhandel noch etwas vom islam-konformen Umsatzkuchen abhaben möchte, bleibt ihm nur, auf den Onlinehandel zu setzen. Das derzeit bestehende Angebot ist nämlich noch sehr gering. "E-Commerce ist bei muslimischen Kunden noch nicht so weit verbreitet", bestätigt auch Ergün. Er ist sich allerdings sicher, dass sich das in den nächsten vier bis fünf Jahren ändern werde. Und das sollte der deutsche Handel nicht verschlafen. Noch sei die Situation so, dass sich die Kunden zwar online über Angebot und Preise informieren, beim "Einkaufen aber das persönliche schätzen", sagt Ergün.

Lebensmittelhandel im Netz muss sich ändern

Doch das geht den deutschen Kunden, die dem Online-Lebensmittelhandel noch skeptisch gegenüber stehen, nicht anders. Die persönliche Ansprache lässt sich mit Erkenntnissen aus dem sogenannten Neuromarketing verbessern: Forscher haben festgestellt, dass Unternehmen, die ihren Webkunden einen animierten Berater an die Seite stellen, der sie begrüßt und bis zur virtuellen Kasse begleitet, bessere Umsätze machen als die, die ihre Kunden allein durchs digitale Sortiment stolpern lassen.

Wenn der Handel dann noch die Probleme mit dem Verpackungsmüll in den Griff bekommt, Kunden ihren Joghurt nicht eine Woche im Voraus bestellen müssen und es die Lebensmittel sowohl frisch als auch unbeschädigt bis an die Haustür schaffen, spricht vieles für die zusätzliche Einnahmequelle Online-Handel. Und dann sollte es doch auch kein Problem sein, neben Wiener Würstchen, Sushi und Fertig-Pizza auch zertifiziert Produkte ohne Schweinefleisch oder Alkohol zu versenden.

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