Engin Ergün, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungsunternehmens ethno IQ, wundert das kaum. Die türkischen und arabischen Supermärkte böten ihren Kunden ein ganzheitliches Konzept und eine hohe Glaubwürdigkeit. Das Produktsortiment sei weitaus größer als im deutschen Lebensmitteleinzelhandel und - was entscheidend sei - "die Kunden können sich sicher sein, dass die Produkte keinen Alkohol und keine Spuren von Schweinefleisch enthalten."
Im deutschen Zertifikate-Wust aus zahlreichen Öko-, Bio-, Regional-, Nachhaltig- oder eben auch Halal-Siegeln blickt ohnehin fast niemand durch, und wenn es Pferdefleisch ins Rinderhack schafft, dann vielleicht auch Schweinefleisch in die Geflügelsalami. Dieses Risiko wollen die Kunden nicht eingehen und kaufen lieber bei ihrem türkischen Markt nebenan. "Die muslimischen Kunden vertrauen dem Ladenbesitzer", sagt Ergün. Schließlich stehe hinter dem jeweiligen Geschäft keine anonyme Kette, sondern eine Familie, die im gleichen Viertel wohnt und die man kennt.
"Taste of Home" für Europa - nur nicht für Deutschland
Ergün hat das Unternehmen ethno IO 2007 gegründet und begleitet seit dem deutsche Unternehmen, die ihre Produkte auch auf den arabischen Markt bringen wollen. Unter anderem berät sein Unternehmen Haribo, Vodafone, Maggi oder den Konsumgüterhersteller Procter & Gamble. Denn die großen deutschen Unternehmen sind alle auch in der arabischen Welt tätig und die Lebensmittelhersteller verkaufen dort natürlich Halal-Produkte - nur eben in Deutschland nicht.
Auch Meike Schmidt von Nestlé erzählt, dass sich der Nahrungsmittelkonzern zwar grundsätzlich den Bedürfnissen in den jeweiligen Märkten anpasse und in rund einem Viertel seiner weltweit 461 Fabriken auch Halal-Produkte herstelle. "In Europa erhöht Nestlé kontinuierlich sein Angebot an Halal und "Ethic"-Lebensmitteln", sagt Schmidt. "Wir haben Halal-zertifizierte Produktionsanlagen in 20 europäischen Fabriken." So habe es im Jahr 2011 eine Kampagne mit dem Namen "Taste of Home" gegeben, bei der in Europa kleinere Eckläden mit Halal-Produkten beliefert worden seien. Nur auf dem deutschen Markt gibt es keine islam-konformen Lebensmitteln des Schweizer Industrieunternehmens.
Halal-Pizza - nur ohne erkennbares Siegel
Die Marke Dr. Oetker produziert seit 2008 Halal-zertifizierte Tiefkühlpizza. So sind die Pizzen Spinaci, Vegetale, Tonno, Mozzarella, Quattro Formaggi, Funghi, Formaggi & Pomodori und Pepperoni der Reihe "Ristorante Pizza" alle halal. "Ein Ausbau ist geplant, gestaltet sich jedoch schwierig, da es nicht sehr viele Hersteller, Schlacht- und Zerlege-Betriebe gibt, die Halal-zertifiziert sind und die entsprechenden Rohwaren liefern können", sagt Christina Krumpoch vom Lebensmittelkonzern Dr. Oetker. Die von der SGS Germany GmbH Halal zertifizierten-Pizzen werden, wie auch die islam-konformen Nestlé-Produkte ausschließlich ins Ausland exportiert.
Im deutschen Handel liegen zwar die gleichen Pizzen, die auch in die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, den Libanon, Singapur, Malaysia, China, Australien oder Südafrika verkauft werden, hierzulande suchen Kunden das entsprechende Siegel aber vergebens. "Da für die Produkte auf dem deutschen Markt keine Zertifikate vorliegen, erfolgt keine diesbezügliche Werbung", sagt Krumpoch. Auf Anfrage teilt das Unternehmen den Kunden aber mit, welche Produkte frei sind von Schweinefleisch und Alkohol.