Eine richtige Erklärung, warum eine immerhin rund vier Millionen Menschen umfassende Bevölkerungsgruppe vom Lebensmittelhandel fast vollständig ignoriert wird, hat so gut wie niemand. "Die Asia-Food-Ecke oder die mexikanische Ecke spricht den deutschen Kunden an, der asiatisch kochen möchte. Aber deutsche Kunden wollen nicht halal kochen. Vielleicht lohnt es sich deshalb nicht", mutmaßt ethno IQ-Geschäftsführer Ergün. Denn schließlich müsse die Produkteinführung wie auch beim Asiafood bewusst und ganzheitlich geschehen. "Dazu gehört Werbung und ein Konzept, das geht nicht nebenbei."
Wenn sich der deutsche Lebensmitteleinzelhandel mal an Halal-Produkten versuche, geschehe dies aber eher schlecht als recht. "Die wenigen Produkte sind so versteckt, das ist doch kein Einkaufserlebnis", resümiert Ergün. So werden die wenigen Funde in deutschen Kühlregalen regelrecht gefeiert. Userinnen im Forum muslima-aktiv.de beispielsweise informieren sich umgehend darüber, in welchem Supermarkt es Produkte gibt, die sie bedenkenlos essen können. "Ui ich weiß nicht in wie weit ihr das schon gesehen habt aber Edeka und Rewe haben tollen Halal aufschnitt (tolle geräucherte Hühnchen brust oder Geflügel Salami) von Wiesenhof auch tolle Käsewiener :) Habe mich total gefreut" schreibt da eine Userin und eine andere antwortet: "danke: für die Info.....Ein Lichtblick...."
Halal-E-Commerce kommt
Da aber auch in Geflügelprodukten in Deutschland Schweinefleisch enthalten sein darf, ist die Freude meist schnell dahin - und das Vertrauen gleich mit. Wenn der deutsche Lebensmittelhandel noch etwas vom islam-konformen Umsatzkuchen abhaben möchte, bleibt ihm nur, auf den Onlinehandel zu setzen. Das derzeit bestehende Angebot ist nämlich noch sehr gering. "E-Commerce ist bei muslimischen Kunden noch nicht so weit verbreitet", bestätigt auch Ergün. Er ist sich allerdings sicher, dass sich das in den nächsten vier bis fünf Jahren ändern werde. Und das sollte der deutsche Handel nicht verschlafen. Noch sei die Situation so, dass sich die Kunden zwar online über Angebot und Preise informieren, beim "Einkaufen aber das persönliche schätzen", sagt Ergün.
Lebensmittelhandel im Netz muss sich ändern
Doch das geht den deutschen Kunden, die dem Online-Lebensmittelhandel noch skeptisch gegenüber stehen, nicht anders. Die persönliche Ansprache lässt sich mit Erkenntnissen aus dem sogenannten Neuromarketing verbessern: Forscher haben festgestellt, dass Unternehmen, die ihren Webkunden einen animierten Berater an die Seite stellen, der sie begrüßt und bis zur virtuellen Kasse begleitet, bessere Umsätze machen als die, die ihre Kunden allein durchs digitale Sortiment stolpern lassen.
Wenn der Handel dann noch die Probleme mit dem Verpackungsmüll in den Griff bekommt, Kunden ihren Joghurt nicht eine Woche im Voraus bestellen müssen und es die Lebensmittel sowohl frisch als auch unbeschädigt bis an die Haustür schaffen, spricht vieles für die zusätzliche Einnahmequelle Online-Handel. Und dann sollte es doch auch kein Problem sein, neben Wiener Würstchen, Sushi und Fertig-Pizza auch zertifiziert Produkte ohne Schweinefleisch oder Alkohol zu versenden.