Der Einzelhandel hat im Netz ein großes Problem: Die Konkurrenz ist millionenfach größer als die in der Fußgängerzone - und vor allem ist sie nur einen Klick entfernt. Während Kunden in der analogen Welt den Umweg zum nächsten Geschäft vielleicht scheuen, ist der Web-Shopper deutlich kritischer.
Ist die Homepage unübersichtlich oder das Angebot weniger überzeugend, ist der Kunden binnen Sekunden auf und davon und gibt sein Geld woanders aus. Hinzu kommt: Egal, wie günstig Unternehmen ein Produkt anbieten, irgendwer unterbietet den Preis. Mit Großhändlern aus China und den USA kommt der Tante Emma-Laden nun einmal nicht mit.
So schärfen Sie Ihr Profil
Um trotzdem Kunden für sich gewinnen zu können, müssen sich Unternehmen im Netz einzigartig machen. Da reicht ein besonders hippes Design leider nicht aus. Die Studie "Handelsmonitor 2012/2013" hat zusammengefasst, wie Einzelhändler ihr Profil im Web schärfen können:
- erweitern Sie Ihr virtuelles Sortiment
- setzen Sie online auf Nischenprodukte
- ergänzen Sie Ihr Angebot um passende Dienstleistungen
Das Sortiment ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, auf das Händler setzen sollten. Wer in der Stadt nur einen kleinen Laden hat, kann vom Angebot her zwar nicht mit Riesen wie Real konkurrieren, weil es schlicht an Quadratmetern fehlt.
Online jedoch können sich auch kleine Geschäfte profilieren. So bietet beispielsweise die Münchner Essig & Oel Compagnie, ein Fachgeschäft für italienische Spezialitäten und mediterrane Delikatessen, in ihrem Onlineshop Produkte an, für die im Laden einfach kein Regal mehr frei ist.
Mut zum Nischenprodukt zahlt sich aus
Auch der Schweizer Elektronikhändler Interdiscount bietet seinen Kunden online Mehrwert an. In jeder Verkaufsstelle wird auf das zusätzliche Onlinesortiment, das rund 1000 Artikel umfasst, hingewiesen. Wer vor Ort nicht fündig wird, kann das fehlende Teil noch im Laden oder von zuhause aus bestellen. Die Preise sind online und in der Filiale natürlich gleich. Multi-Channel-Strategie nennt sich dieser Ansatz, Ladengeschäft und Webshop zu kombinieren. Eine Strategie, die sich besonders für kleine Händler lohnt.
Verkaufstrend Multi-Channel
Immer mehr Menschen kombinieren unterschiedliche Informations- und Kaufkanäle. Einer Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung zufolge informieren sich 65 Prozent der Deutschen bei manchen Einkäufen in Ladengeschäften, kaufen anschließend aber online. Genauso verbreitet ist der umgekehrte Weg. Insgesamt neigen 90 Prozent der Verbraucher zum so genannten Multi-Channelling.
Die Handelsketten in Deutschland haben Nachholbedarf im Onlinegeschäft, wie eine im November veröffentlichte Untersuchung des Handelsforschungsinstituts EHI zeigt. Demnach haben 98 Prozent der 1.000 größten Vertriebslinien zwar einen eigenen Internetauftritt. Allerdings ist weniger als die Hälfte im E-Commerce aktiv.
Während rund 53 Prozent der vom EHI Retail Institute untersuchten Non-Food-Händler einen Online-Shop betreiben, ist das nur bei 16 Prozent der Lebensmitteleinzelhändler der Fall.
Für stationäre Einzelhändler, die schon einen Onlineshop haben, zahlt sich die Investition in der Regel aus. Eine Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) hat ergeben, dass im Weihnachtsgeschäft 13 Prozent dieser Händler bereits einen Umsatzanteil von mehr als zehn Prozent online erwirtschafteten. Die Hälfte der Befragten realisierte immerhin zwischen einem und zehn Prozent des Umsatzes im Internet.
Zusätzliche Vertriebskanäle bedeuten neue Logistikabläufe. Wie eine Untersuchung des EHI Retail Institute zeigt, gehen Hersteller und Händler diese Herausforderung unterschiedlich an: Hersteller neigen dazu, den Online-Handel in bestehende Lagerstandorte zu integrieren. Dagegen bevorzugen Handelsunternehmen mehrheitlich das Outsourcing der E-Commerce-Logistik.
Viele Handelsexperten gehen davon aus, dass sich Spezialsortimente weiter verringern werden, wie auch das Handarbeitslädchen in der Fußgängerzone verschwunden ist. Produkte, die nur eine kleine Zielgruppe ansprechen, nehmen im Geschäft nur Platz und damit Geld weg, weshalb der Trend hin zu "einem breiten, aber wenig tiefen Sortiment" gehe, wie Gianfranco Walsh, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Universität Jena sagt.
Der Webshop sei somit eine Möglichkeiten, dem Kunden mehr als die massentaugliche Ware zu bieten. "Der Online-Handel ist dadurch zu charakterisieren, dass es die Raumrestriktionen nicht gibt und daher praktisch unendliche Sortimente und erfolgreiche Nischenplayer möglich sind", ergänzt Thomas Foscht, Professor am Institut für Marketing der Universität Graz.
Die vier Typen von Internet-Shoppern
Der Typ des Entdeckers ist besonders emotional involviert. Bei ihm stehen Online-Einkaufsvergnügen und Vorfreude auf die Lieferung im Vordergrund. Information und Angebotsvielfalt schätzt der Entdecker besonders, weniger wichtig sind ihm Convenience und Zeitersparnis. Mit dem Thema Datensicherheit haben sie häufiger Probleme. 32 Prozent der deutschen Käufer gehören dieser Gruppe an.
Der souveräne Online-Shopper sieht klare Vorteile hinsichtlich Convenience, Zeitersparnis und infolgedessen auch Lebensqualität. Er schätzt den einfachen und schnellen Zugang zu allen relevanten Informationen und die Effizienz und Schnelligkeit des Kaufaktes. Emotional ist der Souveräne mehr involviert als der Durchschnitt, wegen Datenschutz hat er kaum Bedenken. Er fühlt sich als „Herr des Geschehens“ und hat kaum Nutzungsprobleme. 26 Prozent der deutschen Käufer gehören dieser Gruppe an.
Von allen Shopper-Typen ist der Berechnende am wenigsten emotional involviert. Er schätzt den Informationsvorteil und die Angebotsvielfalt, auf Lebensqualität oder Convenience sieht er aber kaum Auswirkungen. Ein Erlebnis ist der Online-Einkauf für den Berechnenden nur selten. Er äußert außerdem überdurchschnittlich häufig Nutzungsprobleme und Bedenken wegen Datenunsicherheiten. 15 Prozent der deutschen Käufer gehören dieser Gruppe an.
Für ihn persönlich hat Online-Shopping kaum Vorteile - weder in Bezug auf Informations- und Angebotsvielfalt, noch hinsichtlich Convenience oder Lebensqualität. Er bewertet den stationären Handel zum Teil positiver als den Online-Einkauf, beispielsweise hinsichtlich des Zugangs zu benötigten Informationen, und der Schnelligkeit, mit der man das gesuchte Produkt findet. 28 Prozent der deutschen Käufer gehören dieser Gruppe an.
Diese vier Käufergruppen gibt es sowohl in Deutschland als auch in Österreich und der Schweiz. Allerdings ist ihr Verhältnis in den drei Ländern unterschiedlich gewichtet. In Deutschland ist die Gruppe der Souveränen besonders groß, in Österreich gibt es dagegen überdurchschnittlich viele Berechnende. In der Schweiz ist der Anteil der Traditionalisten überdurchschnittlich hoch.
Quelle: Studie im Auftrag der Deutschen Post: Einkaufen 4.0 - der Einfluss von E-Commerce auf Lebensqualität und Einkaufsverhalten
Denn auch wenn die Nachfrage nach einem Nischenprodukt in der Einkaufsstraße niedrig sein mag, national oder international ist sie deutlich höher - und diese Kunden lassen sich online erreichen. Deshalb lassen sich im Internet mit Produkten Gewinne machen, die im Geschäft einstauben würden. Außerdem lässt sich dadurch - was gerade für kleine Händler wichtig ist - die eigene Marke enorm steigern.
Die Experten rechnen fest mit einem Wandel vom reinen Produktanbieter zu einem Händler von Rundumsorglos-Paketen. Produktbezogene Dienstleistungen nennt sich der Trend: Statt nur die Küchenzeile online zu bestellen, lohnen sich Planungstools, mit denen der Kunde von zuhause aus seine neue Küche gestalten und an seine Wohnung anpassen kann. Zu den dementsprechend ausgesuchten Einzelteilen gibt es dann den Montageservice dazu. Denkbar sind auch Dienstleistungen wie Produktversicherungen oder Garantieverlängerungen, wie sie heute schon von diversen Unternehmen angeboten werden.
Sortiment durch Service ergänzen
Bei den Garantieverlängerungen sind Verbraucherschützer allerdings skeptisch, wie sinnvoll diese vor allem bei Elektronikgeräten sind. "Allein das Wort ist Quatsch", sagt Julia Rehberg aus der Rechtsabteilung der Verbraucherzentrale Hamburg. Bei Unterhaltungselektronik verleite der Begriff "Garantieverlängerung" zu der Fehlvorstellung, es gebe eine Verlängerung im Anschluss an eine Grundgarantie. Nichtsdestotrotz lohnt sich der zum Artikel passende Service für Unternehmen: Sie können sich von der Masse der Anbieter im Netz abheben und erzielen oft mit den Dienstleistungen auch noch höhere Margen als mit dem eigentlichen Produkt. Deshalb gaben 73 Prozent der vom Handelsmonitor befragten Experten an, dass sie es für sehr wahrscheinlich halten, dass in Zukunft immer mehr Händler produktbezogene Dienstleistungen in ihre Sortimente integrieren.
Erfolgsfaktoren für Web-Shops
Sie müssen nahtlos miteinander integriert sein. Das heißt, wenn der Besucher im Shop eine Bestellung auslöst, muss dieser Prozess in den nachgelagerten Warenwirtschafts-, Kundenwirtschafts- und Produktmanagementsystemen sauber abgebildet werden.
"In Zukunft wird es immer wichtiger sein, mehrere Kanäle gleichzeitig zu bedienen und diese gut miteinander zu vernetzen", so Reupert. Beispielsweise können integrierte Prozesse in den Webshops von Einzelhändlern eine Funktion bieten, über die der Besucher herausfindet, ob ein Artikel in einer bestimmten Filiale vorrätig ist. "Denn nach wie vor informieren sich viele Kunden im Internet und kaufen dann doch im stationären Handel."
Der Trend zum Smartphone hält an und darum ist es für Shop-Betreiber elementar, den Shop-Content auch mobil zur Verfügung zu stellen, um Kunden nicht an technisch fortschrittlichere Konkurrenten zu verlieren.
Studien haben gezeigt, dass rund ein Drittel der Kaufabbrüche in einem Web-Shop auf der Produktdetailseite erfolgen. Daher ist die Qualität von Produktbeschreibungen und Produktbildern elementar wichtig. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, rät Reupert: Besser als die Mitbewerber über Produkte informieren, bessere Usability und effektive Suchmaschinenoptimierung.
Quelle: Achim Reupert, Experte des Dienstleisters Nionex, auf Mittelstandsmanager.de
Erfolgreiche Beispiele dieser im Werbesprech als Solution Provider bezeichneten Unternehmen sind unter anderem Bauhaus, Ikea oder Obi. So bieten beispielsweise Obi und Ikea ihren Kunden online Planungstools an, mit denen diese ganze Wohnlandschaften vor dem Kauf zusammenstellen können. Dazu müssen die Kunden einfach die eigene Küche oder das Schlafzimmer ausmessen und die Daten in das jeweilige Tool eingeben. Dieses spuckt dann ein dreidimensionales Abbild der eigenen Wohnung aus, in dem dann die jeweilige Küche oder die Regalkombination zusammengestellt werden können. Sobald das 3D-Modell den eigenen Vorstellungen entspricht, können die Einzelteile online bestellt werden.
Warum die Deutschen Online-Shopper sind
„Aus heutiger Sicht wäre das der Weg zurück in die Steinzeit“, lautete eine Antwort auf diese Frage. E-Commerce hat sich fest in den Alltag der meisten Menschen integriert. Die Deutschen sind insgesamt besonders positiv eingestellt. 61 Prozent der Deutschen Online-Shopper möchten auf diese bequeme Art des Einkaufs nicht mehr verzichten.
„Zu den Zeiten einkaufen, die in mein Leben passen“ nennen in Deutschland vier von fünf Konsumenten als wichtigsten Vorteil. Eine echte Zeitersparnis haben 57 Prozent festgestellt. Mehr Zeit zu haben, empfinden dabei die meisten Deutschen als eine Entlastung im Alltag: 63 Prozent geben an, „viel weniger Stress beim Einkaufen als früher in der Stadt“ zu haben. 55 Prozent geben an, sich entspannter zu fühlen.
„Genau das Produkt, das ich suche“ finden in der Regel zwei Drittel der Online-Shopper. Und zwar sehr schnell und zum günstigsten Preis. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) gibt an, im Internet oft besonders individuelle Produkte zu finden, 62 Prozent schätzen es, dass sie Produkte finden, „die man im Geschäft beziehungsweise via Katalog nicht bekommen würde“.
Die Mehrheit der Käufer erlebt sich im Internet als „empowered consumer“. Zwei Drittel der Online-Shopper halten sich für besser informiert über Angebote und Preise als früher, nutzen gerne Bewertungen anderer Kunden und meinen, dass Konsumenten heute durch Kommentarfunktion und Empfehlungen beim Online- Kauf viel mehr Einflussmöglichkeiten haben.
Quelle: Studie im Auftrag der Deutschen Post: Einkaufen 4.0 - der Einfluss von E-Commerce auf Lebensqualität und Einkaufsverhalten
Wer seine Küche oder sein Schlafzimmer dagegen bei Praktiker - sonst eher ein schlechtes Beispiel für gutes Management - bestellt, bekommt auch noch günstige Handwerker dazu. Die angeschlagene Baumarktkette arbeitet mit der Internet-Plattform MyHammer zusammen und verhilft so auch Kunden mit zwei linken Händen zum vorschriftsmäßig aufgebauten Kleiderschrank. Nach Abschluss einer Bestellung im Praktiker Online-Shop bekommt der Kunde eine Übersicht mit bei MyHammer registrierten Handwerkern in seiner Nähe angezeigt und kann sich dann für einen Handwerker entscheiden und Kontakt mit ihm aufnehmen. Infrage kommende Artikel sind jeweils mit dem "MyHammer Service"-Logo gekennzeichnet. Das verhilft dem Shop zu einem Alleinstellungsmerkmal.
Wer sich bei der Schweizer Baumarktkette Bauhaus ein neues Bad zusammenstellen lassen möchte, muss sich nicht einmal mehr um den Handwerker kümmern: Das Unternehmen übernimmt für seine Kunden die komplette Umsetzung, von der Beratung über das 3D-Modell bis zum Abriss des alten und Einbau des neuen Bades. Der Kunde muss im Prinzip nur auf eine Badewanne klicken und sagen: "Die will ich." Den Rest übernimmt das Baumarktteam. Das ist zwar teurer, als sich bei Amazon einfach eine Wanne zu bestellen, aber eben auch deutlich bequemer. Und Kunden - egal ob im stationären Handel oder im Webshop - stehen nun einmal auf Service.