Was passiert, wenn sich Hacker Zugriff zu Googles Datenschätzen verschaffen? Oder in zwanzig Jahren vielleicht eine US-Regierung an die Macht kommt, die bestimmte Zielgruppen verfolgt? Oder die Datensätze doch irgendwann einmal an Versicherer und Banken verkauft werden?
Als Wolfgang Sander-Beuermann 1996 die Metasuchmaschine MetaGer programmierte, verschwendete er keinen Gedanken an solche Fragen. Damals mussten Nutzer noch verschiedene Suchmaschinen abfragen, da jede nur Ausschnitte des Internets erfasste. Um diesen Vorgang zu automatisieren, programmierte er die Metasuchmaschine MetaGer, die heute unter anderen Google, Bing und Yandex durchforstet, deren Ergebnisse auswertet und auflistet.
Das Vertrauen in den Suchschlitz
Sander-Beuermann bemerkte recht schnell, was der Betreiber einer Suchmaschine über seine Anwender erfährt. Sucht der Nutzer nach Ferienhäusern auf Rügen, plant er vermutlich eine Reise dorthin. Sucht er nach Steuer-Tricks hat er vielleicht vor, Steuern zu hinterziehen. „Ich fragte mich, ob die Nutzer wirklich wollen, dass ich das alles über sie weiß“, sagt Sander-Beuermann.
MetaGer
1996 wurde MetaGer programmiert. Der Metacrawler durchleuchtet die Ergebnisse von Suchmaschinen wie Google, Yandex und Bing und bewertet diese.
Bei MetaGer sind zwei ehrenamtliche Vollzeitkräfte beschäftigt und einige Teilzeitkräfte. 100.000 Suchanfragen gehen täglich bei MetaGer ein. Ende März ging die Suchmaschine als MetaGer2 mit einem neuen Design online.
MetaGer speichert keine persönlichen Daten wie etwa IP-Adressen oder Browser-Fingerprints. Auch Cookies, die die Aktivitäten der Nutzer im Netz verfolgen, werden nicht verwendet. Zudem gibt es einen Zugang über das Tor-Netzwerk – so dauert die Suche zwar länger, aber ist sicherer.
Außerdem steht der Server im Regionalen Rechenzentrum Hannover und unterliegt damit nicht dem Patriot Act – wie es etwa bei DuckDuckGo, das seine Server in den USA hat, der Fall ist. So ist MetaGer nicht verpflichtet, Daten an die USA abzugeben.
Er beantwortete die Frage für sich und sein Projekt mit Nein. Fortan sammelte er keine Informationen mehr über die Nutzer. Er anonymisierte ihre IP-Adressen und schaffte einen Zugang über das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Heute kann er nicht einmal selbst erkennen, wer sucht. „Wir können schließlich niemals ausschließen, dass die eigenen Server nicht doch gehackt werden“, begründet er seine Entscheidung.
Wie gefährlich Datensätze werden können, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Sander-Beuermann erinnert an die Karteien, die im 19. Jahrhundert über Homosexuelle angelegt wurden. Sie wurden damals zwar nicht verfolgt, mussten aber ihren Namen und ihren Wohnort angeben. Als die Nazis an die Macht kamen, nutzten sie ebenjene Karteien, um Homosexuelle in Konzentrationslager zu verfrachten.
„Das ist ein Extrembeispiel“, sagt Sander-Beuermann. „Heute erscheint das weit weg, aber solche Szenarien lassen sich nie komplett ausschließen.“ Die NSA nutzt die Datensätze, die sie unter anderem von Google abzweigt, heute beispielsweise, um potenzielle Terroristen auszumachen.
Sein Anliegen bringt Sander-Beuermann kein Geld ein – MetaGer finanziert sich hauptsächlich durch Spenden. Doch spätestens seit den Snowden-Enthüllungen ist die anonyme Suche für viele ein aussichtsreiches Geschäft geworden. In Europa gibt es beispielsweise Ixquick aus den Niederlanden oder die vor sieben Monaten gestartete Suchmaschine Swisscows aus der Schweiz.
Sie alle speichern keine IP-Adressen und legen keine Nutzer-Profile an. Das bedeutet: Sie wissen zwar, wonach ihre Nutzer suchen - nicht aber, wer sie sind. Geld verdienen sie wie Google mit der Schaltung von Werbung – aber lediglich auf Basis der Suchbegriffe.