Top-Manager wiederum stehen unter Totalstress, weil sie ständig vor Gottvater Lee Kun-hee schaulaufen müssen. Wie Adelige am mittelalterlichen Kaiserhof heißt es für die Spartenchefs, mit ihrer Performance um die Gunst des Chairman zu buhlen. Die Anspannung ermüde die Betroffenen, die dauernde Bewertung durch Lee Kun-hee persönlich erzeuge bei vielen Burn-out-Symptome, erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter. Die Kündigungsrate ist viel höher als etwa bei der Hyundai-Gruppe.
Der wirtschaftliche Erfolg des Konzerns, insbesondere der Elektroniktochter Samsung Electronics, gab dem gnadenlosen Regime bisher recht. Vor allem erwies es sich als der richtige Weg, um über Jahrzehnte die Strategie von Firmengründer Lee Byung-chull und seinem Sohn Lee Kun-hee einzulösen: die Konkurrenz nachahmen und deren Produkte verbessern; effizienter sowie schneller produzieren und damit preiswerter anbieten; maximal investieren, um Größenvorteile zu nutzen und die Stückkosten zu senken; schließlich den Markt fluten.
In diesen Sparten ist Samsung aktiv
Produkte: Kondensatoren, passive Elektronikbauteile
Umsatz (2011): 4,3 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 25.000
Produkte: Kreditkartengesellschaft, Brokerhaus, Venture Capital
Umsatz (2011): 2,3 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 3.100
Produkte: Megatanker, Containerschiffe
Umsatz (2011): 9,6 Milliarden Euro
Nettogewinn (2011): 347 Millionen Euro
Mitarbeiter: 13.000
Produkte: Textilien, Mode, Farbstoffe zum Beispiel für Hausgeräte, Chemikalien
Umsatz (2011): 4 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 3.900
Produkte: Bau- und Handelsgesellschaft, spektakuläre Hochhäuser wie Burj Khalifa in Dubai
Umsatz (2011): 15,4 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 10.500
Produkte: LC- und OLED-Bildschirme, weltweit Nr. 1
Umsatz (2011): 20,9 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 39.000
Produkte: Großanlagen für Chemie-, Stahl-, Erdgas- und Bergbauindustrie, Kraftwerke
Umsatz (2011): 6,6 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 8.300
Produkte: Artillerie, Videoüberwachung, Militärroboter
Umsatz (2010): 5,370 Milliarden Euro
Produkte: Freizeitpark
Umsatz (2011): 1,8 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 4.800; heimliche Holding, 54 % im Besitz der Familie Lee
Produkte: Auto-, Unternehmens und Lebensversicherungen
Umsatz (2011): 29,3 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 11.700
Auf diese Weise gelang es Samsung, Vorbilder wie den japanischen Chip- und Bildschirmhersteller NEC, Nippons einstige Unterhaltselektronikikone Sony und den langjährigen finnischen Handyweltmarktführer Nokia hinter sich zu lassen. Heute sind die Koreaner der weltgrößte Hersteller von Speicherchips, Displays, Flachbildfernsehern, Handys und Smartphones.
Die Samsung-Prinzipien
Die Weltmeistertitel verdankt Samsung zwei Prinzipien, die als lehrbuchhaft in der Hardwareindustrie gelten, wo sich die Leistungsfähigkeit der Halbleiter alle ein bis zwei Jahre verdoppelt und sich gigantische Investitionen jagen: Erstens verzahnen die Koreaner Entwicklung und Produktion maximal, zweitens investieren sie gezielt, wenn die Nachfrage nachlässt.
Bei Samsung Electronics baut bis heute die Hälfte der Ingenieure an der Fertigungslinie Halbleiter, während die andere Hälfte in den Labors das Know-how für die nächste Chipgeneration erarbeitet. Auf diese Weise gelang es Samsung zum Beispiel, die Produktpalette schnell von klassischen Speicherchips zu Flashspeichern etwa für Digitalkameras zu erweitern, die beide auf derselben Linie produziert werden. Von dort war es wiederum nur ein kurzer Weg zu Bildschirmen aus Flüssigkeitskristallen, die ebenfalls ein Halbleiterprodukt sind, da jeder Pixel aus einem Transistor besteht.
Gleichzeitig investiert Samsung konsequent antizyklisch, modernisiert trotz fallender Chippreise die Anlagen und stärkt sich so für den Aufschwung. Dabei helfen günstige Bankkredite, Steuervorteile und die schwache Landeswährung Won.
„Samsung produziert effizient“, lobt Kim Ky-won, Ökonom an der Korea National Open University in Seoul. Dadurch gelangt der Konzern schnell in große Stückzahlen. „Samsung konzentriert sich auf standardisierte Massenware, bei der sich Kostenvorteile erzielen lassen“, erklärt der Ökonom Chang Sea-jin, Autor des Buches „Sony vs. Samsung“. Hochwertige Bauteile und Technik werden notfalls zugekauft, wie zuletzt der induktive Stift beim Galaxy Note.