Erfahrungsbericht Bekenntnisse eines Snapchatters

Die junge Generation liebt Snapchat. Doch was ist der Reiz, sich in einen Hund zu verwandeln und Fotos von der letzten Party anzuschauen? Es ist ein Riesenspaß – und vor allem sind Eltern und Großeltern (noch) nicht da.

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Noah Gottschalk schreibt für das Handelsblatt-Jugendportal „Orange“. Quelle: privat

Köln Einfach mal Quatsch machen, ganz ohne Konsequenzen. Das ist Snapchat für mich. Ich bin 17 Jahre alt, Gymnasiast – und komplett handysüchtig. Wenn es um Fotos des letzten Partyabends geht, um Bilder von der unterhaltsamen Klassenfahrt oder vom öden Familienurlaub an der Nordsee: In den Accounts meiner Freunde gibt es all das zu sehen. Meine Generation liebt Snapchat. Das hat einen bestimmten Grund: Unsere Eltern und Großeltern sind (noch) nicht da. Sie kennen die Plattform vielleicht, aber sie haben kein Konto. Das heißt: elternfreie Zone. Wir sind unter uns – nur meine Freunde und ich.

Viele der Konkurrenten von Snapchat können diese Intimsphäre nicht mehr bieten. Facebook hat schon mehrfach versucht, das Netzwerk mit dem kleinen Geist als Logo zu übernehmen. Die Gründer aber lehnten ab. Gut so, denn Facebook verkommt meiner Ansicht nach zu einer Geisterstadt voller gefälschter Accounts. Es gibt dort immer mehr Werbung und – das ist eigentlich noch schlimmer als Reklame – es ist der Lieblingstummelplatz unserer Eltern. Für meine Altersgruppe ist das ziemlich unattraktiv.

Dazu kommt: Snapchat ist schnelllebig, nach spätestens 24 Stunden verschwinden die Bilder wieder. Da gibt es zum Beispiel Naina Kümmel. Sie ist eine Power-Userin und hat vor einiger Zeit mit einem Tweet beim Kurznachrichtendienst Twitter eine bundesweite Bildungsdebatte ausgelöst. Sie könne eine Gedichtanalyse in vier Sprachen schreiben, habe aber keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Sie schreibt, genauso wie ich, als Kolumnistin für das Handelsblatt-Jugendportal „Orange“. Über Snapchat sagt sie: „Du kannst die peinlichsten Bilder verschicken und dann selbst bestimmen, wer die sehen darf und wie lange.“

Rund 1000 Leute schauen sich Nainas „Story“ auf Snapchat täglich an. „Ich poste da eigentlich alles, was ich den ganzen Tag so mache. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, mein Outfit oder wenn ich etwas richtig gutes gekocht habe“, sagt sie. Snapchat ist anders, zu jeder Nachricht, die man verschicken möchte, muss ein Bild aufgenommen werden. Meistens sind das lustige Selfies des Absenders oder – ganz unkreativ – auch mal der Boden. Ohne Foto keine Nachricht, so das Prinzip. Darüber wird dann der Text platziert. „Wenn ich Selfies poste, schreiben die Leute mir, oder wenn ich etwas zu Essen gekocht habe, fragen mich einige auch nach dem Rezept.“

Snapchat ist ein großes Spaß-Netzwerk. Ich kann meine Fotos verfremden, zum Beispiel mit dem Hunde-Filter: Der macht aus dem eigenen Gesicht das eines Vierbeiners. Öffnet man den Mund, streckt der virtuelle Hund seine Zunge heraus. Was das soll? Was unsere Generation damit ausdrücken will? Einen tieferen Sinn haben diese Funktionen nicht, das muss ich zugeben. Ein guter Zeitvertreib sind sie aber auf jeden Fall.

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