Ericsson Ein Konzernchef im Kreuzfeuer

Schwache Zahlen, Korruptionsvorwürfe, Sparprogramme: Der schwedische Telekomausrüster Ericsson rutscht von einer Krise in die nächste. Wann verlieren die Großaktionäre die Geduld mit Konzernchef Hans Vestberg?

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Der Ericsson-Chef steht im Zentrum der Kritik. Quelle: Reuters

Stockholm Es sind turbulente Zeiten für das einstige Kleinod der schwedischen Wirtschaft: Der Telekommunikationsriese Ericsson kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus: Managementfehler, erstarkte Konkurrenz, Korruptionsvorwürfe in Europa und Asien und nun auch noch der Vorwurf, der Mobilfunknetz-Riese habe seine Bilanzen mit erwarteten zukünftigen Einnahmen aufgebessert: Die Aktionäre des schwedischen Telekommunikationsausrüsters Ericsson müssen derzeit einiges ertragen. Allein seit Jahresbeginn hat die Aktie rund 23 Prozent ihres Wertes verloren. Und noch gibt es kaum Aussichten auf Besserung.

Für das zweite Quartal wies Ericsson am Dienstag einen Gewinnrückgang von 26 Prozent auf 1,6 Milliarden Kronen (168 Millionen Euro) aus. Der Umsatz fiel um elf Prozent auf 54,1 Milliarden Kronen (5,7 Milliarden Euro). Auch ohne Währungseffekte sowie Verkäufe und Übernahmen hätte das Minus noch sieben Prozent betragen. Mit den Zahlen schnitt Ericsson schwächer ab als von Analysten im Schnitt erwartet.

Die Probleme von Ericsson sind vielfältig: Lange Zeit dominierte der Konzern als einer der weltweit führenden Hersteller von Mobilfunknetzen die gesamte Branche. Doch vor allem der chinesische Konkurrent Huawei hat kräftig aufgeholt, nicht zuletzt, weil er den Kunden oftmals bessere Konditionen als Ericsson, Nokia und andere bieten kann. Ericsson verlor in den vergangenen fünf Jahren rund ein Drittel seines Börsenwerts. Binnen eines Jahres ist der Kurs der Ericsson-Aktie um mehr als 35 Prozent gesunken.

Das Problem der Schweden ist der weiterhin gebremste Investitionswillen der großen Telekom-Konzerne. Vodafone oder China Mobile haben trotz dramatisch wachsenden Datenverkehrs die Investitionen in den Ausbau ihrer Mobilfunknetze in diesem Jahr gekürzt. Das macht Ausrüstern wie Ericsson schwer zu schaffen. Und Besserung ist noch nicht in Sicht. Denn die Schwellenländer, in denen der Modernisierungsbedarf der Netze besonders hoch ist, kämpfen mit Rezession.

Als wäre das nicht schon genug, kommen jetzt auch noch diverse Skandale hinzu, in die das schwedische Unternehmen verwickelt ist. Zum einen untersuchen die amerikanische Finanzaufsicht SEC sowie das US-Finanzministerium schwerwiegende Korruptionsvorwürfe gegen Ericssons chinesische Tochter. Details sind nicht bekanntgegeben worden. Doch sollten sich die Vorwürfe gegen die Schweden erhärten, drohen empfindliche Strafen.

Ericsson ist an der Nasdaq in New York notiert, deshalb gelten für das Unternehmen auch die strengen amerikanischen Regeln. Auch in Griechenland interessiert sich die Staatsanwaltschaft für ein Rüstungsgeschäft, bei dem Ericsson 1999 ein Radarsystem an die griechische Luftwaffe verkauft hatte. Bei dem Deal soll es zu Schmiergeldzahlungen gekommen sein.


Wie weit geht die Geduld der Großaktionäre?

Ein Bericht von „Svenska Dagbladet“ am Montag, Ericsson habe seine Bilanzen mit erwarteten Einnahmen aufgehübscht, verdichtete das Bild eines Konzerns in der Krise. Zwar wies die Konzernleitung die Meldung als „falsch“ zurück, da man Aufträge erst dann als Einnahmen in die Bilanz aufnehme, wenn die Erfüllung des Vertrages sicher sei. Dennoch reagierten die Märkte: Die Ericsson-Aktie stürzte zeitweise um mehr als fünf Prozent ab – der höchste Tagesverlust in den vergangenen drei Wochen.

Analysten und Anleger fordern seit Längerem, dass die Kosten reduziert werden müssen. Nach einem ganz schwachen ersten Quartal verschärfte der Konzern bereits sein Sparprogramm. Allerdings scheint das nicht zu reichen. Denn mittlerweile plant das Unternehmen nach unbestätigten Berichten die Streichung von 3000 bis 4000 seiner insgesamt 115.000 Stellen. Das „Svenska Dagbladet“ spekulierte sogar über einen noch drastischeren Sparkurs, der den Verlust von rund 25.000 Arbeitsplätzen vorsehen könnte.

Zusätzlich zu der bisher angestrebten Senkung der jährlichen Kosten von 9 Milliarden Kronen will Ericsson nun auch an die Forschungsausgaben gehen. So soll die Kostenbasis bis Ende kommenden Jahres auf hochgerechnet 53 Milliarden Kronen sinken, wenn Umbaukosten ausgeklammert werden. 2014 lagen die vergleichbaren Kosten den Angaben zufolge bei 63 Milliarden Kronen. Esbjörn Lundevall, Analyst bei SEB, schließt einen umfassenden Stellenabbau ebenfalls nicht aus. „Ericsson hat lange Zeit eine sehr schwache Rentabilität gezeigt. Die Finanzmärkte erwarten, dass die Konzernspitze etwas auf der Kostenseite unternimmt.“

Doch diese Konzernspitze ist ebenfalls ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Ericsson-Chef Hans Vestberg und sein 13-köpfiges Führungsteam können sich trotz schlechter Zahlen nicht über ihre eigene Gehaltsentwicklung beklagen. Seit Vestberg Anfang 2010 die Leitung von Ericsson übernahm, ist die Jahresvergütung der Führungsmannschaft um 55 Prozent auf 270 Millionen Kronen (29 Millionen Euro) gestiegen.

Vestbergs Gehalt inklusive Bonuszahlungen betrug im vergangenen Jahr 61 Millionen Kronen, das waren 80 Prozent mehr als er in seinem ersten Jahr bei Ericsson erhielt. In einem Kommentar bezeichnete der angesehene Wirtschaftsjournalist Peter Benson die Ericson-Vergütungen als Zeichen für „eine kranke Unternehmenskultur“.

Bei Ericsson selbst verweist eine Unternehmenssprecherin auf den Aufsichtsrat, der die Vergütungen genehmigt hat. „Wenn man eine Konzernleitung hat, die aus vielen unterschiedlichen Nationalitäten besteht und an unterschiedlichen Plätzen der Welt stationiert ist, hat das einen Einfluss auf die Vergütungen“, erklärte sie. Doch Vestberg muss sich auch andere Kritik gefallen lassen: Ihm wird vorgeworfen, dass er trotz der Krise in seinem Konzern auch noch den zeitraubenden Vorsitz in Schwedens olympischem Komitee übernommen hat. Teure Reisen mit dem Privatjet runden das negative Bild ab.

Einige Großaktionäre, darunter die Industriellenfamilie Wallenberg sowie mehrere Banken und Investmentgesellschaften, zeigten sich zuletzt beunruhigt über die Entwicklung bei Ericsson. Es sollen Gespräche der Großinvestoren stattgefunden haben. Noch hat keiner von ihnen öffentlich den Rücktritt von Ericsson-Chef Vestberg gefordert. Doch Vestberg dürfte wissen, dass er schnell liefern muss.

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