Eventbrite-Kooperation Mit Facebook zum Festival

Konzertkarten gibt es jetzt auch auf Facebook: Die Ticket-Börse Eventbrite nutzt das Soziale Netzwerk bereits als neuen Vertriebskanal. Bei den Kunden kommt das gut an – trotzdem sind viele andere Firmen noch skeptisch.

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Der deutsche Rapper Cro kommt im Juli zum Weinheimer Waidsee-Festival – dem deutschlandweit ersten Event, für das es Tickets direkt bei Facebook zu kaufen gibt. Quelle: dpa

Düsseldorf Benutzerkonto anlegen, Veranstaltung und Sitzkategorie auswählen, Bezahldaten und Adresse eingeben. Viele Klicks, bevor das Konzertticket vom Online-Portal zu Hause ist. Das soll bequemer werden: Karten für Konzerte und Festivals gibt es jetzt auch auf Facebook. Bestellt und bezahlt wird in der App – mit wenigen Klicks und ohne das soziale Netzwerk verlassen zu müssen. Facebook kooperiert dazu mit dem hierzulande noch eher unbekannten Ticketanbieter Eventbrite.

Auf diese Weise werden zunächst nur Tickets für das Weinheimer Waidsee Festival angeboten. Auf den ersten Blick eine eher unbedeutende Kooperation. Tatsächlich steckt dahinter aber großes Potenzial. Nicht nur, dass zukünftig mehr Konzerte und Festivals dazu kommen sollen. Für Facebook ist das ein weiterer Schritt, die sozialen Medien als Vertriebskanal zu etablieren. „Die Zusammenarbeit mit Eventbrite ist ein erstes Ausrufezeichen“, sagte Moritz Hagenmüller, Handelsexperte bei der Unternehmensberatung Accenture Strategy, dem Handelsblatt. „Facebook wird auch in Zukunft über den Social-Media-Bereich hinaus relevant sein.“ In Deutschland gibt es bereits die „Instant Articles“, durch die Zeitungsartikel direkt in der Facebook-App angeboten werden. In den USA können Nutzer seit einigen Monaten den „Marketplace“ als digitalen Flohmarkt nutzen.

Schon heute haben die sozialen Netzwerke für die Anbieter von Festivals und Konzerten eine wichtige Bedeutung. Die Facebook-Events werden dazu genutzt, um Werbung zu machen. Mit Erfolg: Bis zu 20 Prozent seiner Tickets verkauft Eventbrite durch Social Media. „Durch Facebook können wir eine unheimliche Reichweite generieren“, sagt Sandro Spieß, Marketingleiter bei Eventbrite Deutschland. Posts auf der Facebook-Fanpage würden Tausende Besucher auf die Internetseite des Ticketportals leiten. Über die Google-Suche fänden weitaus weniger Kunden den Weg dorthin.

Die neue Kooperation zeigt es: Der Vertrieb durch Facebook ist vor allem für digitale Güter vorstellbar – sei es die Restaurantreservierung, die Buchung des Friesurtermins oder eben der Kauf von Konzerttickets. Dass demnächst auch der Apfel von Aldi über Facebook vertrieben wird, ist aber unwahrscheinlich. Für ein solches Sortiment müsste Facebook auch die Lieferung an den Kunden organisieren. Und das ist aufwändig und teuer. „Soziale Netzwerke sind keine Konkurrenten von Ebay und Amazon“, sagt Florian Huber, Partner bei EY und E-Commerce-Experte. Es sind nicht die konkreten Kaufabsichten, sondern die Impulskäufe, von denen das soziale Netzwerk profitieren kann. Etwa das Hotel für den spontanen Wochenendurlaub. „Der Vertrieb von Waren ist ein Zukunftsmodell, mit dem manche Social-Media-Plattformen signifikanten Umsatz erzielen werden“, sagt Huber. „Es wird absolut in diese Richtung gehen.“

Treiber dieser Entwicklung ist vor allem der Kunde. Auch wenn er Facebook aus datenschutzrechtlichen Gründen kritisch gegenüberstehen mag. „In Anspruch genommen wird am Ende das, was einen Mehrwert bietet“, sagt Accenture-Experte Hagenmüller. Viele Unternehmen aus Industrie und Handel stehen einer Kooperation indes eher kritisch gegenüber. Das zeigt ein nicht-repräsentatives Meinungsbild, dass das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI im Auftrag des Handelsblatts bei einem Expertentreffen einholte. Ein Grund für die Skepsis: Zweifel am Datenschutz von Facebook. „Für viele Unternehmen ist der Algorithmus von Facebook zu undurchsichtig“, sagt Ute Holtmann, Pressesprecherin des EHI. „Sie wissen nicht was mit ihren Daten passiert und welche Kunden genau erreicht werden.“ 

„Einige Firmen nutzten nicht einmal das Potenzial von Facebook als Marketingkanal aus“, beobachtet Handelsexperte Hagenmüller. Geschweige denn die Chancen, die Facebook als Vertriebskanal bietet. „Das fällt zwischen Kommunikations- und Vertriebsabteilung ein bisschen zwischen die Stühle. Es müsste einfach mal ausprobiert werden, das Potenzial ist da.“

Eventbrite probiert es einfach mal aus: In den Facebook-Events ist der Ticketkauf für Veranstaltungen von Eventbrite nun direkt integriert. Der Kunde muss nur noch auf den „Kaufen“-Button klicken, Benutzer- und Bezahldaten füllt Facebook in vielen Fällen von alleine aus. Der User benötigt auch kein Kundenkonto bei Eventbrite. Das Ticket wird bei Facebook abgespeichert und zur Veranstaltung wieder angezeigt – in der App, der mobilen und der Desktop-Version.


150 Millionen Tickets pro Jahr – Tendenz steigend

Bislang war das so: Ticketportale wie Eventim, Ticketmaster oder eben Eventbrite, waren in den Facebook-Events verlinkt und der Nutzer musste auf deren Homepage die Tickets kaufen. Für Viele aber ist das zu kompliziert. „Ein Klick ist kein Aufwand“, sagt Florian Huber, Partner bei EY und E-Commerce-Experte. „Wenn der Kaufprozess dann aber nicht möglichst schnell durchgeführt wird, ist der Kunde weg.“ Jeder zusätzliche Klick – seien es neue Browser-Fenster oder zusätzliche Formulare – bewegt gar ein Zehntel der User dazu, dass Ticket dann doch nicht zu kaufen.

Eventbrite wurde 2006 in San Francisco gegründet. Zuletzt expandierte das Start-Up nach Europa: 2015 etwa eröffnete Eventbrite sein Büro in Berlin. Seit Gründung wurden nach Unternehmensangaben weltweit über 400 Millionen Tickets verkauft. Das Geschäft läuft: Allein 2016 sollen es fast 150 Millionen Karten gewesen sein. Und durch die Zusammenarbeit mit Facebook soll das so weitergehen: Marketingleiter Sandro Spieß erhofft sich einen „sehr positiven Effekt“ auf die Verkaufszahlen.

Seinen Optimismus stützt er auf die Erfahrungen, die Eventbrite in den USA gemacht hat. Dort arbeitet das Start-Up schon seit einem Jahr mit Facebook zusammen. Und zwar mit guten Erfahrungen: Durch den integrierten Ticketverkauf wurden nach eigenen Angaben doppelt so viele Karten verkauft als mit der Verlinkungslösung auf die Eventbrite-Homepage. In Großbritannien startete die Zusammenarbeit im April dieses Jahres.

Facebook behält für die verkauften Tickets keine Gebühren ein. Zumindest „momentan“, wie es auf Nachfrage hieß. „Es gibt gerade nicht zwingend den Druck, damit Geld verdienen zu müssen“, sagt E-Commerce-Experte Florian Huber. Er hält es aber für wahrscheinlich, dass Nutzer solcher Services künftig bezahlen müssen. Dass sich das Projekt etablieren und langfristig für Facebook auszahlen wird, darin sind sich Marktbeobachter einig.

Facebook arbeitet in den Vereinigten Staaten nicht nur mit Eventbrite, sondern auch mit Ticketmaster zusammen. Ob hierzulande auch mit anderen Ticketbörsen verhandelt wird, wollte Facebook auf Handelsblatt-Anfrage nicht mitteilen. Es sei aber keine exklusive Kooperation mit Eventbrite, hieß es. Auch Eventim – mit 150 Millionen verkauften Tickets im Jahr 2016 der Platzhirsch in Europa – hielt sich auf Anfrage bedeckt: Grundsätzlich sei eine Kooperation nicht auszuschließen.

Dass Eventim nun Kunden an Eventbrite verliert, gilt als unwahrscheinlich: Es sind keine direkten Konkurrenten. Eventim betreut vor allem die prominenten Veranstaltungen. Eventbrite konzentriert sich eher auf Nischenmärkte, die die Großen nicht anbieten. 35 Millionen Tickets verkaufte Eventbrite 2016 in Europa. Damit ist das Start-Up noch deutlich kleiner als der Marktführer. Durch die Kooperation mit Facebook könnte sich das aber ändern.

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