Mark Zuckerberg nickt und lächelt. Sein Rücken ist durchgedrückt, mit seinen Hände stützt er sich auf seinen Beinen ab. Je mehr sein Sitznachbar erzählt, umso kräftiger wird das Nicken des Facebook-Chefs. Yann LeCun philosophiert neben ihm über die Forschungsergebnisse zur künstlichen Intelligenz. LeCun ist Leiter der Abteilung bei Facebook. Und er entwirft Szenarien, wie Facebook daran mitwirken will, Maschinen in Zukunft intelligenter und sozialer zu machen – mit einem Sinn für menschliche Interaktion. Zuckerberg ist begeistert.
Begeistert sollen auch die Zuhörer sein, die an diesem Donnerstagnachmittag in den „Innovation Hub“ von Facebook gekommen sind, einem Pavillon direkt gegenüber dem Bundesfinanzministerium. Facebook hat ihn sich für vier Tage errichten lassen, als Showroom und Veranstaltungsort.
Rund 50 Politiker, Unternehmer und ein paar Journalisten sollen sich ein Bild von der guten Seele Facebooks machen. „Unsere DNA“, sagt Zuckerberg, „ist es, technologische Probleme der Zukunft zu lösen.“ Facebook sei „eine technology company“, die immer mehr Menschen ins Internet bringen wolle.
Die Veranstaltung in Berlin gerät zur perfekt orchestrierten Selbstbeweihräucherung. Neben Zuckerberg – wie gewohnt ihm grauen T-Shirt, blauen Jeans und Nike-Turnschuhen – sitzt auch Martin Ott, der Nord- und Zentral-Europa-Chef von Facebook. Ott stellt die Fragen, Zuckerberg antwortet. Auf dessen Botschaften reagiert Ott mit Ausbrüchen der Begeisterung: „amazing“ und „that’s interesting“. Es hat schon Züge von Realsatire, wie ein Manager von Facebook den Chef von Facebook interviewt.
Deutschland ist ein wichtiger Markt für Facebook
In diesen Tagen eröffnet das Unternehmen sein neues Hauptstadt-Büro mit bis zu 50 Leuten mit Blick auf Bundestag und Kanzleramt. Es sei ein Bekenntnis zum Standort Deutschland, heißt es bei Facebook. Alles andere wäre sicher eine Überraschung gewesen. Inzwischen nutzen 28 Millionen Deutsche Facebook, davon drei Viertel sogar jeden Tag. Auch das Foto-Netzwerk Instagram, seit 2012 eine Tochter des Konzerns, vereint inzwischen neun Millionen aktive User in Deutschland. Allein die schiere Masse macht Deutschland zu einem wichtigen Markt.
Doch vielmehr will sich Facebook-Gründer Zuckerberg bei seiner Stippvisite in die Hauptstadt als Treiber sozialer Innovationen darstellen. Er will das lästige Image des Datensammlers und Verbreiters von Hasskommentaren abschütteln. In dem Pavillon präsentiert Facebook deshalb seine neusten Produkte und Forschungsergebnisse.
So sieht die gewöhnliche Facebook-Nutzung aus
Bei 94 Prozent der Nutzer gehört der Besuch bei Facebook genauso zur Alltagsroutine, wie Zähne putzen.
Quelle: The Facebook Experiment: Does Social Media Affect the Quality of our Lives?
86 Prozent lesen ihren Facebook-Newsfeed oft oder sehr oft.
Mehr als drei Viertel der Nutzer verbringen 30 oder mehr Minuten pro Tag auf Facebook.
Bilder sagen mehr als Worte: Mehr als zwei Drittel posten Fotos von großartigen Dingen, die sie erlebt haben.
Mein Haus, mein Auto, mein Boot: 61 Prozent posten auf Facebook, was ihnen Gutes wiederfahren ist.
Besucher können sich über die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift, die im Frühjahr auf den europäischen Markt kommt, in Spielwelten beamen. Kameras erkennen auf Bildern mit Tieren, um welche Hunderassen es sich handelt. Und die solarbetriebene Drohne Aquila soll Menschen in entlegenen Regionen der Welt Zugang zum Internet ermöglichen. Über die Facebook-Initiative Internet.org bietet das Unternehmen gar kostenlose Basisdienste für Menschen in der Dritten Welt.
Wie bei einem Staatsbesuch ist jeder Schritt von Zuckerberg getaktet. Seit Monaten arbeiten die Marketing-Leute am publikumswirksamen Auftritt. An diesem Donnerstagnachmittag steht nun der „Fireside Talk“ an, das Kamingespräch. Allerdings ohne Kamin.
Die Eingeladenen müssen durch ein Spalier von Empfangspersonal und Sicherheitsleuten. Obwohl genügend Platz für mehrere interessierte Medien wäre, blieben renommierte Redaktionen der Hauptstadtpresse außen vor. Einigen der Eingeladenen soll das Heckmeck zu groß gewesen sein, so dass sie noch am Eingang wieder kehrtmachten.
Facebook stellt Forschern Hochleistungsserver zur Verfügung
Die Restriktionen wären gar nicht nötig gewesen. Die Botschaften Zuckerbergs hätten mehr Zuhörer verdient. So sollen die Aquila-Drohnen „drei bis sechs Monate in der Luft bleiben können“, erzählte Zuckerberg. Indonesien habe 10.000 Inseln, da wäre es doch eine gute Sache, wenn die Drohnen eine Verbindung zum WorldWideWeb herstellen würden.
Die künstliche Intelligenz, an der Facebook arbeite, hätte zudem das Potenzial in Zukunft spezifische Gesundheitsprobleme zu lösen. Krebskranke könnten „Fotos von ihrem Hautkrebs machen“ und kluge Rechner würden irgendwo auf der Welt „den besten Arzt speziell für diesen Hautkrebs“ ausfindig machen, prognostiziert Zuckerberg. Die medizinische Bildanalyse werde künftig dank künstlicher Intelligenz an Bedeutung gewinnen.
Virtual-Reality-Brillen
Ob Oculus Rift, Playstation VR oder HTC Vive: Alle Virtual-Reality-Brillen funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Im Sichtfeld zeigt ein Bildschirm die virtuelle Umgebung an, Linsen sollen für einen Rundum-Effekt sorgen. Das Bild wird bei jeder Bewegung des Kopfes angepasst – Sensoren messen jede Veränderung, der Computer errechnet blitzschnell das neue Bild.
Gründer Palmer Luckey baute eine erste Datenbrille aus Smartphone-Komponenten zusammen. Inzwischen hat die Facebook-Tochter die Technik so verfeinert, dass 2016 eine erste Verbraucherversion von Oculus Rift fertig wird. Oculus hat den Preis für die lange erwartete 3D-Brille mit 699 Euro in Europa höher als von Experten erwartet angesetzt.
Samsung bietet die Datenbrille Gear VR bereits jetzt als Zubehör fürs Smartphone an – es wird in die Halterung geschoben und dient als Display, die zwei Linsen in der Brille sorgen für die 3D-Optik. Damit ist das System nicht so leistungsfähig wie Konkurrenzprodukte, aber mobil. Die Technik stammt übrigens von Oculus VR.
Der Elektronikhersteller HTC entwickelt seine Virtual-Reality-Brille Vive gemeinsam mit dem Spielespezialisten Valve. Um die Position des Spielers möglichst genau zu ermitteln, werden im Raum zwei Lasersensoren montiert, die mit den Sensoren am Gerät permanent in Kontakt sind. Eine Besonderheit: Nutzer können sich damit im Raum bewegen. Einführung: Ende 2015.
Die virtuelle Realität muss nicht teuer sein: Mit Cardboard hat Google eine zusammenfaltbare Pappkonstruktion entwickelt, in die Nutzer ihr Smartphone schieben können. Eine App bereitet die Bilder passend auf. Technisch sind die anderen Systeme überlegen, Cardboard lässt aber erahnen, welche Möglichkeiten es gibt.
Mit Virtual-Reality-Brillen könnten sich Menschen in Zukunft über 360-Grad-Ansichten weltweit verbinden. So, als säße man sich direkt gegenüber.
All das sind spannende Fragestellungen, die Zuckerberg und Facebook aufwerfen und vorantreiben. All den Zweiflern, die Deutschland noch im digitalen Niemandsland wähnen, ruft Zuckerberg eine positive Botschaft zu: Deutschland gehöre bei der Forschung zur künstlichen Intelligenz zu den weltweit führenden Nationen. An den Universitäten im ganzen Land würden „smarte Leute“ arbeiten, so Zuckerberg.
Zuckerberg will seine Macht ausbauen
Facebook stellt den Universitäten deshalb 25 Hochleistungsserver zur Verfügung. Ein erstes Projekt beginnt an der Technischen Universität Berlin.
Aus altruistischen Gründen allein macht Facebook das natürlich nicht. Auch Zuckerberg will seine wirtschaftliche Macht ausbauen. Schon heute nutzen jeden Monat 1,59 Milliarden Menschen weltweit das Netzwerk. Im vierten Quartal 2015 verdoppelte sich Facebooks Umsatz auf 5,84 Milliarden Dollar. Den Gewinn konnte das Unternehmen ebenfalls verdoppeln. Mit einem Anteil an Facebook von 28 Prozent und einem geschätzten Vermögen von 30 bis 40 Milliarden Dollar ist Zuckerberg einer der einflussreichsten Menschen der Erde.
Gleichwohl gibt der 31-Jährige einen Großteil seines Vermögens weiter. Im vergangenen Jahr kündigte er an, 99 Prozent seines Aktienvermögens in eine neue Firma zu überführen, die wohltätige Ziele verfolgt. Insofern schwingt bei allen Anwesenden auch Bewunderung für seine Leistung mit.
Noch mehr Bewunderung hätte Zuckerberg geerntet, wenn er sich den Fragen der Zuhörer und der digitalen Politprominenz gestellt hätte. Gerne hätte Konstantin von Notz von den Grünen das Verhältnis von Facebook zum amerikanischen Staat angesprochen. Gerne hätten Lars Klingbeil von der SPD, Thomas Jarzombek von der CDU und Dorothee Bär von der CSU die Vorwürfe zum Datenschutz und einen Zwischenstand beim Löschen von Hasskommentaren abgefragt.
Doch Fragen aus dem Publikum waren nicht erlaubt. Überrascht hatte es die Politiker nicht. Man wisse eben, wie die Unternehmen im Silicon Valley so drauf seien, sagte Jarzombek.