Facebook gegen Fake News Das Geschäft mit den Lügen

Facebook will im Kampf gegen Fake News den Auftraggebern und Verbreitern den Geldhahn zudrehen und verbannt entsprechende Werbeanzeigen von der Plattform. Denn mit den Halbwahrheiten und Lügen lässt sich Kasse machen.

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Mit Falschmeldungen lässt sich nicht nur manipulieren, sondern auch Geld verdienen. Quelle: dpa

Düsseldorf Fake News sind spätestens seit dem US-Wahlkampf ein Thema, das mal mit mehr, mal mit weniger Sachlichkeit debattiert und analysiert wird. Manch einer spricht von einer Gefahr für die Demokratie, andere halten sie für ein aufgebauschtes Phänomen, so alt wie die Menschheit selbst. Tatsache ist aber: Selbst wenn an Stammtischen und in Hinterzimmern Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien verbreitet wurden, hat sich in Zeiten der Digitalisierung doch etwas verändert: die Reichweite.

Plattformen wie Facebook oder Twitter versprechen zwar grenzenlose Kommunikation, haben es bislang aber nicht geschafft, die dunklen Seiten der digitalen Offenheit vollständig aus ihren Nachrichtenströmen zu verbannen. Auch die Politik hat das erkannt: In Deutschland soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Justizminister Heiko Maas die Plattformen dazu zwingen, Hass und Fälschung schneller zu identifizieren und zu eliminieren – andernfalls droht eine Geldstrafe.

Nun Facebook verschärft seine Kampagne gegen die Verbreiter solcher Falschmeldungen erneut: Seitenbetreiber, die wiederholt bereits angezweifelte Inhalte geteilt haben, dürfen künftig nicht länger Werbeanzeigen auf der Plattform schalten. Diese Neuerung werde dazu beitragen, die Verbreitung von Falschmeldungen weiter zu reduzieren, da eine weitere Verbreitung durch Seitenbetreiber auf diese Weise unwirtschaftlich werde, heißt es in einem Blog-Eintrag. „Wir haben gesehen, dass es Seitenbetreiber gibt, die Werbeanzeigen auf Facebook gezielt dazu nutzen, ein großes Publikum aufzubauen und somit eine größere Reichweite für Falschmeldungen zu erzielen.“

Bei dem Thema ist in der Tat viel geld im Spiel: Der Softwareanbieter Trend Micro sah sich in einer im Juli veröffentlichten Studie das Geschäft mit dem Fake News genauer an – und kam zu überraschenden Ergebnissen. Im Darknet und auf ominösen Marktplätzen bieten Anbieter ganze Pakete für das Erstellen und Verbreiten derartiger Meldungen an. Für das Verfassen einer Meldung will ein Anbieter rund 30 Dollar für bis zu 1.500 Zeichen. Für die Verbreitung einer Pressemitteilung in den entsprechenden Kanälen schlagen rund 802 Dollar zu Buche.

Ein Anbieter verlangt für Inhalte, die von einem Follower-starken Nutzer auf der chinesischen Plattform Weibo geteilt und beworben werden, sogar rund 180.000 Dollar, so Trend Micro. Die Beeinflussung einer Online-Petition schlägt bei einem anderen Anbieter mit rund 1000 Dollar zu Buche. Für den Spotpreis von 29 Dollar gibt es 5000 Follower auf Twitter, ein „Bestseller“, wie der Anbieter selbst ausweist.

Hinter solchen Accounts in den sozialen Netzwerken stecken oft sogenannte Social Bots. Quasi Mini-Maschinen, die von wenigen Personen gesteuert werden, und zum Beispiel spezifische Meldungen reichweitenstark veröffentlichen und weiterverbreiten können. Britische Forscher entdeckten Anfang des Jahres ein Botnetz, also einen Zusammenschluss von mehreren gefälschten Accounts, das bis zu 350.000 der Mini-Maschinen beinhalten könnte. Den Wissenschaftlern aus London war aufgefallen, dass die Accounts Textteile aus „Star Wars“ von sich gaben. Der Name „Star-Wars-Botnetz“ war geboren. Einmal aktiviert, könnte so eine Maschinen-Armee versuchen, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen.

Das Geld verdienen nicht nur die Erschaffer von Social Bots oder die Verfasser von Fake News – auch die Betreiber von Plattformen, die derartige Inhalte verbreiten. Ein Beispiel ist die fast schon zur Fake-News-Ikone aufgestiegene Meldung während des US-Wahlkampfs, dass Papst Franziskus eine Wahlempfehlung für Donald Trump ausgesprochen hätte. Selbst wenn damit nicht auf politische Willensbildung Einfluss genommen werden sollte, ließ sich mit der Verbreitung Geld machen. Denn je reichweitenstärker eine Seite ist, desto attraktiver wird sie auch für automatisch ausgespielte Anzeigenplätze, für die der Inhaber der Seite dann Erlöse erhält.


Facebook und Mozilla verschärfen die Maßnahmen

Zuvor hatte Facebook bereits Anzeigen blockiert, die einzelne Geschichten und Inhalte bewerben, deren Wahrheitsgehalt von unabhängigen Faktenprüfern bereits angezweifelt wurde. Mit der neuen Richtlinie geht Facebook nun noch einen Schritt weiter. Seiten-Betreiber, die als systematische Fake-News-Verbreiter aufgefallen sind, können künftig generell nicht mehr für sich selbst auf Facebook werben. Auch Anzeigen für nicht gefälschte Inhalte wären dann nicht mehr möglich, wenn die Betreiber zuvor negativ aufgefallen sind.

Facebook, das größte soziale Netzwerk der Welt, reagiert schon seit geraumer Zeit auf die immer neu aufkommenden Vorwürfe, es würde zu zögerlich gegen die Schandflecken der digitalen Kommunikation vorgehen. Auf der einen Seite setzt das Netzwerk auf eigene Initiativen wie das „Facebook Journalism Project“, das die Sichtbarkeit von etablierten Medien auf der Plattform verbessern soll. Unlängst wurde deshalb in einer Neuerung das „Publisher-Logo“ bei Nachrichten prominenter platziert. Auf der anderen Seite unterstützt das Unternehmen aus Kalifornien Initiativen wie die „News Integrity Initiative“ des New Yorker Journalistik-Professors Jeff Jarvis. Der will ein internationales Netzwerk zur Erforschung und Verbesserung der Medienkompetenz aufbauen.

Doch das reicht nicht: Vor geraumer Zeit kündigte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg an, die Mitarbeiterzahl, die sich mit der Bewertung derartiger Inhalte beschäftigen, weltweit von 4500 auf 7500 aufzustocken. Auch in Deutschland wird die Personaloffensive bereits umgesetzt: In Essen soll im Herbst ein neues Team seine Arbeit aufnehmen, dafür sollen 500 neue Mitarbeiter am Standort eingestellt werden. Facebook unterhält bereits ein sogenanntes Löschzentrum in Berlin, betrieben von der Bertelsmann-Tochter Arvato.

Facebook ist mit seiner Maßnahme nicht allein: Auch Browser-Anbieter Mozilla will den Profiteuren von Fake News den Geldhahn zudrehen. Die „Information Trust Initiative“ will verschiedene Methoden fördern und erforschen, die beim Aufspüren und Verhindern von Falschnachrichten helfen sollen. Vorgestellt hat die Initiative Chief Innovation Officer Katharina Borchert, die gegenüber dem Handelsblatt die Gefahr von Falschnachrichten verdeutlichte: „Falschnachrichten hat es schon immer gegeben – von Propaganda im Mittelalter bis zur Yellow Press“, sagte die Managerin.

Allerdings habe die Technologie etwas verändert: Heute würden die guten Seiten der digitalen Revolution missbraucht, um diesen Inhalten eine nie dagewesene Reichweite zu liefern: „Es geht um die Produktion und die Verbreitung, aber auch die Finanzierung – hinter Fake News steckt nicht nur Ideologie, sondern ein riesiger Markt.“ Ein Markt, für den es zumindest etwas schwieriger geworden ist.

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