Hängt Deutschlands Wohl an der Glasfaser? Der Eindruck drängt sich auf angesichts des Streits in der Branche um die Technik, die Bürgern und Unternehmen flächendeckend ultraschnelles Internet bringen soll. Die Deutsche Telekom setzt darauf, Kupferleitungen aus analogen Telefonzeiten technologisch aufzurüsten. Konkurrenten wie die Netzbetreiber im Bundesverband Glasfaseranschluss wollen uns hingegen über Glasleiter ins Netz bringen.
Teuer wird beides. Nach Hochrechnungen reichen die Kosten für flächendeckendes Highspeed-Internet in Deutschland bis zu 80 Milliarden Euro. Womöglich aber geht es auch weit billiger. Dafür sprechen zwei neue Technologien für ultraschnelle Internetzugänge, an denen der US-Kommunikationsanbieter AT&T und der Internetkonzern Facebook arbeiten. Beide haben vergangene Woche die Fachwelt in Erstaunen versetzt.
AT&T will mit seiner AirGig genannten Technik, die Stromtrassen nutzt, vor allem ländliche Gebiete erschließen. Die Entwickler aus Facebooks Connectivity Lab arbeiten daran, die Breitbandversorgung in Städten drastisch zu verbessern. Sie setzen auf drahtlose Sender, die – von nur einem Glasfaseranschluss ausgehend – ganze Stadtviertel per Funk ans Turbonetz anschließen.
Beide Ansätze eint, dass sie Funkübertragungen mit dem Tempo von Glasfaseranschlüssen ermöglichen sollen. Preislich aber wären sie drastisch günstiger, weil dafür keine Leitungen verbuddelt werden müssten – Kostentreiber der Breitbanderschließung. Bis zu 70.000 Euro braucht es auf dem Land in Deutschland, um einen Kilometer Glasfaser zu verlegen. Beträge, die sich dort kaum refinanzieren lassen.
Ausgerechnet die altertümliche Infrastruktur von Mast zu Mast gespannter Stromleitungen könnte eine Alternative sein. Zwar liegen 89 Prozent der deutschen Stromanschlüsse in Städten und Dörfern unter der Erde. Doch in den digital unterversorgten ländlichen Regionen gibt es noch 128.000 Kilometer Freileitungen, für die der Turbofunk von AT&T den ersehnten Einstieg ins Internetzeitalter bieten könnte.
Funkverbindungen von Strommast zu Strommast
AT&T will die Leitungstrassen als Tragkonstruktion für Funkverbindungen von Strommast zu Strommast nutzen. Spezialantennen, die rund um die Masten eine Art überdimensionales WLAN ausstrahlen, sollen die letzten Meter zum Haus überbrücken. Das könnte bis zu 90 Prozent der Kosten der gängigen Glasfaserverlegung einsparen und das Breitbandgeschäft so auch auf dem Land profitabel machen.
Laut Insidern hat AT&T in der Heimat bereits größere interne Testnetze. Dort hängen Stromleitungen noch über weite Teile überirdisch. Ab Anfang 2017 sollen die ersten öffentlichen Feldtests anlaufen.
Jede Menge Antennenplätze wird auch Yael Maguire benötigen, der Chefingenieur von Facebooks Connectivity Lab. Seine Techniker wollen ein extrem schnelles Übertragungsnetz namens Terragraph speziell in dicht besiedelten Gebieten installieren. Der 41-Jährige ist das technologische Mastermind hinter den Weltvernetzungsplänen Facebooks. Er entwickelt auch die Drohne Aquila, die als fliegende Basisstation bald schnurlose Internetzugänge in abgelegene Weltregionen bringen soll.
Diese Städte sind am besten auf die Digitalisierung vorbereitet
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat 30 deutsche Städte auf 14 Indikatoren hin überprüft: Stärke der IT-Industrie, digitale Unternehmensgründungen, der Pool an IT-Fachkräften oder die Anziehungskraft auf Unternehmen und Studenten. Die finale Platzierung berechnet sich aus folgender Gewichtung: Talentindex (40 Prozent), Innovationsindex (40 Prozent) und Attraktivitätsindex (20 Prozent).
Das Ergebnis ist ein Ranking der Standorte, die am besten auf die digitalisierte Zukunft vorbereitet sind. München ist demnach Deutschlands Digitalstandort Nummer eins. Die bayerische Landeshauptstadt punktet mit hoher Dynamik im Informations- und Kommunikationssektor, mit der größten Anzahl qualifizierter IT-Experten und ist ein Ballungsgebiet für IT-Unternehmen ebenso wie für viele Branchen, die digitale Technologie anwenden.
Quelle: Deloitte
Berlin ist aufgrund der hohen Dichte an Forschungseinrichtungen und der höchsten Gründungsintensität der innovativste Standort. Im Gesamtranking reicht es allerdings nur für Platz zwei.
Hamburg erzielt den dritten Platz durch seine Attraktivität für die zukünftigen, hoch qualifizierten Arbeitnehmer – die meisten Studenten zieht es in die Hansestadt.
Köln belegt Platz vier. Zusammen mit Berlin, München und Frankfurt gehört Köln nach Hamburg zu den beliebtesten Städten unter den deutschen Studenten.
Stuttgart punktet mit Attraktivität bei Studenten und einem guten Talent-Index. Nur bei der Innovationkraft hapert es ein bisschen. Insgesamt belegt die Baden-Württembergische Landeshauptstadt Platz fünf.
Frankfurt belegt bei den einzelnen Kategorien Talentindex Platz sieben, Innovationsindex Platz fünf und beim Attraktivitätsindex Platz drei. Insgesamt landet die Bankenmetropole auf Rang sechs.
Im internationalen Konkurrenzkampf entscheiden über alle Branchen hinweg immer stärker digitale Standortfaktoren – vor allem die Anzahl hochqualifizierter Arbeitnehmer. In dieser Kategorie belegt Dresden Platz acht von 30. In den anderen Kategorien Innovationskraft und Attraktivität reicht es jeweils für Platz sechs. In der Gesamtwertung belegt Dresden damit den siebten Rang.
Auch Düsseldorf tut sich mit der Anzahl hochqualifizierter Arbeitnehmer schwerer, als mit der Innovationskraft oder der Attraktivität für Studenten. Insgesamt belegt die Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens Platz acht.
Karlsruhe erreicht im Informations- und Kommunikationstechnologiesektor (IKT-Sektor) einen ähnlich hohen Wert wie Berlin. Insgesamt reicht es jedoch nur für Platz neun. Denn in den Kategorien Innovationskraft und Atraktivität belegt die Stadt im Badischen nur Platz 17 beziehungsweise zwölf.
„Die deutschen Städte haben unterschiedliche Schwerpunkte im digitalen Bereich", sagt Alexander Börsch, Leiter Research bei Deloitte. Generell sei eine enge Vernetzung von Forschungseinrichtungen, Hochschulen sowie Unternehmen unbedingt erforderlich, um auch in Zukunft ein attraktiver Wirtschaftsstandort zu bleiben. Platz zehn im Ranking der deutschen Digitalisierungsstandorte geht an Leipzig.
Für die Flächenversorgung in Ballungsgebieten hingegen arbeitet Maguire an einem besonders dichten Netz verbundener Sendestationen. Durch ihre Engmaschigkeit sind die Stationen in der Lage, per Funk große Datenmengen mit Glasfasergeschwindigkeit zu übertragen. „Für Stadtviertel mehrerer Quadratkilometer Größe reicht dann ein Glasfaserzugang“, sagt Maguire.
Ähnliche Ideen verfolgen auch Netzbetreiber und -ausrüster, doch kaum einer drückt so aufs Tempo. Schon 2018 soll Terragraph einsatzreif sein. Selber betreiben will Facebook das Funknetz nicht. Vielmehr sollen Netzbetreiber oder Techniklieferanten das Know-how kostenfrei nutzen können.
Damit attackiert Facebook nicht nur das Kerngeschäft von Netzausrüstern wie Nokia oder Ericsson. „Das ist auch ein Druckmittel gegenüber den Telefonanbietern“, sagt Frank Fitzek, Leiter des Lehrstuhls für Kommunikationsnetze an der Universität Dresden. Denn sollten die Konzerne Facebook mal keinen ungebremsten Zugang zu den Kunden mehr gewähren, reiche es, darauf hinzuweisen, dass man diese auch selbst anfunken könne.
Der Kampf um das Breitband für alle bleibt spannend.