Facebook und die Russlandaffäre Ein wenig Aufklärung

Propaganda im US-Wahlkampf? Für Facebook sind die Nachrichten über Fake-Accounts russischen Strippenzieher durchaus ärgerlich, aber wegzustecken. Nur Politik und Öffentlichkeit stehen belämmert da.

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Mit der Lupe auf Facebook geschaut: Das Unternehmen räumt ein, dass offenbar gezielt gestreute Propaganda auf dem sozialen Netzwerk US-Wähler beeinflussen sollte. Quelle: dpa

San Francisco Also doch. Während der US-Wahlen haben nach Angaben von Facebook knapp 500 Fake-Accounts und gefälschte Seiten, darunter aus Russland, ihre politische Ideologie über das Netzwerk verbreitet. Insgesamt seien 5000 Anzeigen mit einer Gesamtsumme in Höhe von mehr als 150.000 Dollar im Netzwerk geschaltet worden, teilte die Firma aus Menlo Park mit.

Noch im Juli klang das ganz anders. Facebook behauptete gegenüber dem Tech-Magazin "Wired”, es besitze keine Hinweise auf eine entsprechende russische Einflussnahme. Auch einen Artikel des "Time Magazine" wollte der Konzern nicht bestätigen. Das Blatt hatte berichtet, Russland habe gefälschte Facebook-Accounts eingerichtet, um Propaganda zu streuen.

Nun folgt also die Kehrtwende. Facebook korrigiert sich. Mal wieder. Noch kurz nach der US-Wahl hatte Gründer Mark Zuckerberg die Idee, Fake-News hätten die Entscheidungen der Wähler beeinflusst, als “verrückt” bezeichnet. Im Mai räumte er dann ein, ja, es gebe doch ein Problem mit Desinformation.

Nun wurde die Firma konkreter. Der Facebook-Gründer lässt seinen Sicherheitschef Alex Stamos erklären, die knapp 500 gefälschten Accounts hätten “bestimmte politische Botschaften” verstärkt, darunter solche über Homosexuelle und Transsexuelle, Immigration oder Waffenrecht.

Wichtige Details dazu, um welche Profile und Werbebotschaften es sich denn nun handelte, oder auch wie viele Facebook-Nutzer die Propaganda in der entsprechenden Zeit von Juni 2015 bis Mai 2017 erreichte, gab Facebook nicht preis. Eine entsprechende Anfrage des Handelsblatts beantwortete Facebook bis Redaktionsschluss nicht.

Nur so viel: Weder der heutige US-Präsident Donald Trump noch seine demokratische Konkurrentin Hillary Clinton seien in den Anzeigen direkt namentlich genannt worden. Alle aktuellen Informationen seien an die Regierungsbehörden übergeben worden, wo eine Kommission unter der Leitung von Robert Mueller derzeit eine mögliche Einflussnahme auf die US-Wahlen untersucht.

Ob das reicht, um die Vorwürfe über Wahlmanipulationen zu entkräften, die Amerika seit Monaten bewegt, darf bezweifelt werden. Der demokratische US-Senator Mark Warner spekulierte sogar öffentlich darüber, ob das Technologie-Team von Trump nicht sogar mit den Russen bei der Verbreitung von Fake-News in wichtigen Regionen Amerikas paktiert habe. Er forderte: "Wir brauchen Informationen von den Firmen."

Der Mann benennt das eigentliche Problem: Für Facebook, ein blaues Imperium mit mehr als zwei Milliarden Einwohnern, sind 100.000 Dollar einfach nur Peanuts. Allein im vergangenen Quartal strich Zuckerberg Gewinne in Höhe von vier Milliarden Dollar ein, bis Ende des Jahres könnte der Umsatz auf 36 Milliarden Dollar wachsen, schätzt Marktforscher eMarketer.

Auch im Vergleich zu den digitalen Werbebudgets, die US-Parteien 2016 in ihre Botschaften investierten – laut Finanzdienstleister Borrell Associates lag der Etat bei um die 1,4 Milliarden Dollar – , klingt die Summe mickrig. Ebenso gering fallen die knapp 500 gefälschten Accounts mit teils russischen Hintermännern im Vergleich zu allen Fake-Accounts auf der Plattform aus, die nach Angaben des US-Senders CNN bei 83 Millionen liegt.

Für Facebook sind die russischen Strippenzieher ärgerlich, aber wegzustecken. Nur Politik und Öffentlichkeit stehen belämmert da. Sie können immer nur darauf hoffen, dass Zuckerberg interne Kenntnisse von derartiger politisch-gesellschaftlicher Relevanz freiwillig preisgibt. Facebooks scheibchenweise Informationsstrategie bei Fake-News ist dafür mal wieder ein eindrücklicher Beweis.

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