Fußball-EM und Druckereien Die großen Gewinner des Sammel-Booms

Zur Fußball-EM erreicht die Sammelleidenschaft großer und kleiner Fans ihren Höhepunkt. Neben dem Einzelhandel profitieren davon auch die deutschen Druckereien. Das Nischengeschäft wird für die Branche zum Lichtblick.

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Nicht nur der italienische Marktführer lässt zur EM Bildchen drucken. Quelle: dpa

Bonn Ab jetzt wird wieder geklebt. Immer wenn ein fußballerisches Großereignis wie die Europameisterschaft ansteht, wächst die Sammelleidenschaft vor allem der kleinen Fans. Klebebilder fürs Bilderalbum von Mario Götze, Mats Hummel oder Thomas Müller führen regelmäßig zu Quengel-Attacken vor der Supermarktkasse mit anschließender Rudelbildung beim Tausch der erworbenen Schätze auf dem Schulhof.

Was da jugendliche Sammler alle Jahre wieder elektrisiert (und manchmal auch deren Väter), erfreut die deutschen Druckereien. Um über 80 Prozent stieg der Umsatz mit den Abziehbildern in den vergangenen sechs Jahren an. „Das hat selbst mich überrascht“, sagte der Präsident des Branchenverbandes BVDM, Wolfgang Poppen, in Bonn. Denn inzwischen hat das Sammelfieber nicht nur die Fußball-Fans erfasst: Dinosaurier, Figuren aus Star Wars oder dem Dschungelbuch – die Leidenschaft für die bunten Bildchen kennt inzwischen keine Grenzen mehr.

Marktführer Panini druckt seine Bildchen zwar hauptsächlich im italienischen Modena. Doch nicht nur die Italiener wollen von der Sammelleidenschaft der Fußball-Fans profitieren. Auch Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler Rewe lockt seit Anfang Mai mit Sammelkarten der deutschen Nationalmannschaft. Für je 10 Euro Einkaufswert erhält der Kunde eine „offizielle DFB-Sammelkarte“.

Insgesamt gibt es 36 Motive - neben 30 verschiedenen Spielerkarten kommen auch das Trainer-Trio, die Fans der deutschen Nationalmannschaft als 12. Mann, das DFB-Emblem und das Team-Maskottchen Paule zu Kartenehren. Auch der Süßwarenhersteller Ferrero setzt auf die Anziehungskraft der deutschen Nationalmannschaft und lockt zur Fußball-EM mit Team-Cards in seinen Aktionspackungen.

Für die Druckereien reichen Aufträge für den Druck von Millionen Abziehbildern jedoch nicht aus, die Kapazitäten der Betriebe ordentlich auszulasten – gerade einmal 100 Millionen Euro setzen die deutschen Druckereien damit um. Bei einem Gesamtumsatz von rund 20 Milliarden Euro im Jahr ist das allenfalls eine feine Nische. Sie sorgt aber zumindest für einen Lichtblick für eine seit Jahren gebeutelte Branche, die mit heftigen Verwerfungen als Folge der Digitalisierung zu kämpfen hat.

So tragen klassische Printerzeugnisse wie Buch, Zeitung oder Zeitschrift nur noch zu 26 Prozent an den Geschäften bei. Allein im Zeitungsdruck sank die Zahl der Beschäftigten seit der Jahrtausendwende um rund 60 Prozent. Gelesen wird zwar weiterhin, aber über digitale Kanäle wie Computer, Tablet oder Smartphone. Auch Prospekte werden weniger gedruckt, wenn mehr Online-Werbung geschaltet wird.


Die Branche hat noch weitere Hoffnungsträger

Doch noch immer fließt mehr als die Hälfte der Werbeetats vieler Unternehmen in die Printwerbung. Starten Einzelhandelskonzerne oder Brauereien gerade im Vorfeld von Europameisterschaften oder Olympischen Spielen wie in diesem Jahr ihre Kampagnen, profitiert auch das Druckgewerbe. „Zwar war der Effekt bei der WM 2014 nicht so groß wie erhofft“, sagte Hauptgeschäftsführer Paul Albert Deimel. „Aber es hat seit Beginn des Jahres schon mal die Stimmung verbessert.“

Ob das ausreicht, die langfristige Stagnation zu beenden, in der die Branche nun seit zehn Jahren steckt? Große Sprünge, so schätzen die Drucker, sind jedenfalls nicht drin. Zu stark ist der Abwärtstrend bei den klassischen Verlagserzeugnissen. So sank allein im Vorjahr der Produktionswert für Zeitschriften um neun Prozent. Und in den Buchdruck drängt verstärkt Konkurrenz aus dem Ausland.

Aber es gibt außer den Klebebildern noch andere Hoffnungsträger für die Branche: So werden trotz des Vormarschs des Internethandels mehr Kataloge unter die Kundschaft verteilt. Schlachtschiff ist nach wie vor der Ikea-Katalog, aber auch viele Spezialversender bleiben dem Katalog treu oder entdecken ihn neu. „Die Stückzahlen sind kleiner als früher, dafür gibt es aber mehr Kataloge“, sagt Poppen dazu.

Der Druck von Etiketten für Lebensmittelverpackungen, Kosmetikbehälter oder Pharmaschachteln läuft unverändert gut und mit starken Wachstumsraten. „Wenn Amazon ein Paket über DHL verschickt, sind mindestens zwei Etiketten drauf“, heißt es. Neue Drucktechniken ermöglichen es, auch fälschungssichere Aufkleber herzustellen – in Zeiten von Plagiaten, die massenhaft über das Internet vertrieben werden, ein wichtiges Argument für die Hersteller der Originalprodukte – und ein lukratives Feld für Druckereien.

Auch den 3D-Druck wollen die Druckereien nicht nur der Industrie überlassen. Schon jetzt stelle seine Firma dreidimensionale Produktmuster für Messen oder Hausmodelle für Architekten her, sagte Poppen. „Das ist ein Markt, von dem wir alle noch nicht wissen, wohin der geht.“

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