Gamescom Staubwedel statt Gewehre

Die Gamescom in Köln ist ein Massenereignis. Selbst die Kirche kommt an der Computerspiele-Messe nicht mehr vorbei. Eine Studie zeigt, wie groß der Markt für Gaming mittlerweile ist.

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500.000 Spielefans erwartet der Veranstalter in Köln. Quelle: Reuters

Köln An der Gamescom kommt auch die Kirche nicht vorbei. Wenn die Computerspielemesse in der kommenden Woche eröffnet, wird es im Kölner Dom an drei Abenden eine Licht- und Klanginstallation geben, als besinnliches Kontrastprogramm zum Hochamt der Spiele in den Messehallen. Die Musik stammt vom bekannten DJ-Duo Blank & Jones – kein Techno, wie das Erzbistum betont, sondern sphärische Klänge.

Die Aktion im Kölner Dom beweist: Computerspiele sind ein Massenmedium. 500.000 Besucher erwartet der Veranstalter Koelnmesse an den fünf Tagen, wie er am Mittwoch mitteilte. Und laut einer Studie nutzen in Deutschland 34,3 Millionen Menschen digitale Spiele. Das geht aus dem Jahresreport der Computer- und Videospielbranche hervor, den der Fachverband BIU geschrieben hat. Spiele seien ein „Leitmedium“, sagte BIU-Geschäftsführer Maximilian Schenk.

Auch neue Trends wie Virtual Reality sind einer wachsenden Gruppe ein Begriff. So erklärte fast jeder zweite Internetnutzer (46 Prozent), VR-Brillen zu kennen. Knapp jeder dritte (32 Prozent) möchte solche Geräte zum Spielen nutzen, immerhin jeder fünfte (21 Prozent) kann sich den Kauf vorstellen. Die Zahlungsbereitschaft hat der BIU allerdings nicht abgefragt – einfache VR-Brillen gibt es bereits für 40 Euro, High-End-Geräte kosten im Paket mit dem nötigen PC durchaus 1000 Euro.

Virtual Reality wird in diesem Jahr auf der Messe ein großes Thema sein. Erste VR-Brillen wie Oculus Rift, HTC Vive und Gear VR sind seit diesem Jahr verfügbar, im Weihnachtsgeschäft will Sony ein Modell für seine Playstation auf den Markt bringen. An zahlreichen Ständen werden daher Spielstationen aufgebaut sein. Mit den Geräten können Nutzer in digital erschaffene Welten eintauchen.

Als großen Trend sieht der Branchenverband E-Sports, also Computerspiel-Wettbewerbe, die sich die Zuschauer entweder in einer Halle auf einer großen Leinwand oder über das Internet anschauen. „Das ist eine neue Sportart, die große Arenen füllt“, betonte Schenk. Jeder vierte Internetnutzer kenne den Begriff, knapp jeder sechste (16 Prozent) habe sich so eine Veranstaltung bereits angesehen – allerdings hauptsächlich die jüngeren. „E-Sports hat die meisten klassischen Sportarten bei der Popularität längst überholt“, meinte Schenk.


Die Branche wird zum Wirtschaftsfaktor

Die Industrie ist zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Der Umsatz mit digitalen Spielen in Deutschland stieg 2015 laut BIU auf 1,99 Milliarden Euro, der Gesamtmarkt einschließlich Hardware um 4,5 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro. Bei den Entwicklern und Publishern arbeiten 12.800 Menschen. Zählt man Beschäftigte bei Dienstleistern, Handel und öffentlichem Sektor hinzu, die einen Branchenbezug haben, sind es 31.300. Ein Wermutstropfen: Deutschland ist ein großer Markt, aber „als Entwicklungsstandort international kaum relevant“, wie Schenk beklagte.

Die Angst vor Terroranschlägen wird während der Messe zu Einschränkungen führen. Der Veranstalter bittet Besucher, keine Taschen und Rucksäcke mitzubringen und auf „waffenähnliche Elemente“ in den Kostümen zu verzichten. Das gilt nur auf dem Messegelände, sondern auch in der Innenstadt – „mit Rücksicht auf die Bewohner und unsere Sicherheitskräfte“. „Das war eine klare Empfehlung des Polizeipräsidiums“, sagte Gerald Böse, Geschäftsführer der Koelnmesse.

Die Besucher werden damit klarkommen. Im Netz diskutieren sie über Alternativen, etwa in der Facebook-Gruppe „Wer braucht schon Waffen für ne coole Zeit“. Statt futuristischer Gewehre und Pistolen schlagen die Gruppeninitiatoren vor, Pompons, Blumen und Staubwedel mitzubringen. Damit dürften sie sicher auch in den Dom kommen.

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