Gentrifizierung in San Francisco Chinatown stemmt sich gegen Flut an Tech-Firmen

Chinatown in San Francisco bangt um seinen einzigartigen Charme: Immer mehr junge Technologiefirmen ziehen in das gut gelegene Traditionsviertel. Eine Reihe von Initiativen versucht nun, die Entwicklung auszubremsen.

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Vor allem die boomende Technologiebranche von San Francisco hat ein Auge auf Chinatown geworfen. Für sie macht auch der Bau einer eigenen U-Bahn-Station, die 2019 fertig sein soll, das Viertel attraktiv. Quelle: ap

San Francisco Seit 150 Jahren ist Chinatown in San Francisco erste Anlaufstelle für Immigranten aus Asien. Doch jetzt fürchten viele Bewohner um den einzigartigen Charme des Traditionsviertels. Denn Unternehmer in San Francisco nehmen angesichts der andernorts stark steigenden Mieten zunehmend Chinatown ins Visier und bauen dort alte Gebäude zu Büros, Wohnungen, Bars und Restaurants aus.

Wie in so vielen anderen Städten weltweit sehen sich auch in Chinatown viele Alteingesessene durch die Gentrifizierung bedroht. Eine Reihe von Initiativen versucht, die Stadtentwicklung in dem zentral gelegenen Viertel mit 15.000 bis 18.000 Einwohnern so gut es geht auszubremsen. „Wenn man darüber nachdenkt, ist es die letzte Bastion. Es ist einer der letzten zentralen Plätze der Innenstadt, der noch nicht gentrifiziert und überentwickelt wurde“, sagt Bertrand Pellegrin, der sich für den Erhalt des traditionellen Chinatown einsetzt.

Lukrative Angebote könnten aber viele Immobilienbesitzer im Viertel dazu bewegen, zu verkaufen und anderswo hinzuziehen. Bereits in den vergangenen Jahren haben sich chinesischstämmige Amerikaner zunehmend in der Bay Area rund um die US-Metropole angesiedelt.

Nun ist es vor allem die boomende Technologiebranche von San Francisco, die ein Auge auf Chinatown geworfen hat. Für sie macht auch der Bau einer eigenen U-Bahn-Station, die 2019 fertig sein soll, das Viertel attraktiv. „Eine umfangreiche Verkehrsentwicklung wird die Lage nur verschlimmern“, sagt hingegen David Wong, der eine Initiative gegen den U-Bahn-Ausbau gestartet hat.


Gründer können Aufregung nicht verstehen

Eine der Tech-Firmen, die sich neuerdings in Chinatown angesiedelt hat, ist das Unternehmen 1920c, das ein Büro mit Coworking-Arbeitsplätzen für Freiberufliche betreibt. Das einflussreiche Zentrum für die Entwicklung Chinatowns lief gegen die Eröffnung im April Sturm. Das Viertel sei „nicht gedacht für Tech-Büros“, sagte dessen Direktor Gen Fujioka.

Eine der Gründerinnen der Firma, Jenny Chan, kann die Aufregung nicht verstehen. Die 25-Jährige, die vor 15 Jahren von Hongkong in die USA kam, sieht sich selbst nicht als Vorbotin der Gentrifizierung. „Sie warfen mir vor, dass ich nicht in das Gefüge von Chinatown passe. Dabei ist mein Schild unten auf Chinesisch“, sagt sie.

Doch nicht alle Einwohner lehnen die Neuankömmlinge ab. Einige wie die Ladenbesitzerin Betty Louie wünschen sich, dass ihr Viertel mehr ist als ein Ankunftsort für Migranten und eine Touristenattraktion. Junge Kreative und Unternehmer könnten dem Viertel neuen Schwung verleihen, sagt sie. Ein etwas moderner Anstrich würde vielleicht auch ins Umland abgewanderte Chinesen zur Rückkehr nach Chinatown bewegen. „Ich möchte, dass sie zurückkommen und stolz auf ihre Wurzeln sind“, sagt Louie. Auch sie will ihren eigenen Beitrag dazu leisten und plant gemeinsam mit dem Koch Brandon Jew ein neues Restaurant in Chinatown.

Sie ist bei weitem nicht die einzige. Ein paar Straßen weiter wollen ein örtlicher Immobilienmakler und ein Restaurateur ein Luxusrestaurant hochziehen - in einem Lokal, in dem die Bewohner von Chinatown sich früher ihr Dim Sum geholt haben.

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