Google, Microsoft, Intel Ein großer Geldsegen für Europas Start-ups

Lange haben Investoren Start-ups im Silicon Valley und in Asien mit Geld überschüttet. Dieser Trend ebbt ab: Immer mehr Großkonzerne und Risikokapitalgeber aus den USA investieren kräftig in die jungen Firmen Europas.

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Start-ups kommen immer öfter groß heraus: Risikokapitalgeber und Großkonzerne aus den USA pumpen Geld in die jungen Unternehmen Europas – und machen nicht selten ein Schnäppchen. Quelle: dpa

Salesforce.com, Microsoft, Intel und Google sind in Europa auch der Suche nach vielversprechenden Start-ups, in die sie investieren können. Begehrt sind Spieleentwickler, Anbieter von Cloud-Software und Technologiefirmen, die sich auf mobile Zahlungssysteme spezialisiert haben.

Woher rührt das große Interesse am Standort Europa, der im Vergleich zum Silicon Valley in den Vereinigten Staaten oder Boom-Regionen in Asien nicht gerade für bahnbrechende Innovationen bekannt ist? Zum einen liegt es daran, dass Start-ups in Berlin, London, Paris und Stockholm wesentlich billiger zu haben sind als solche in den USA. Konzerne wie Microsoft und Salesforce gewinnen durch Beteiligungen und Zukäufe von Start-ups neue Techniktalente und deren Ideen. Und das für einen verhältnismäßig kleinen Preis.

Zum anderen ist Wagniskapital in Europa 15 Jahre nach dem Platzen der Dotcom-Blase immer noch nur spärlich vorhanden. Umso mehr gieren Start-ups hierzulande nach dem Geldsegen aus den USA. Denn die Gründer wollen ihre junge Firmen zum Wachsen bringen und streben mit ihren Produkten auf den Weltmarkt.

„Ich habe noch nie erlebt, dass so viele Innovationen aus Europa kamen“, sagte John Somorjai von Salesforce Ventures. Im Oktober hatte er angekündigt, dass er 100 Millionen zu Verfügung habe, um sie in Europa zu investieren. „Jedes Mal, wenn ich in die Region reise, ist mein Terminkalender voll. Ich treffe mich mit Gründern interessanter Firmen. Das war früher schwieriger.“

Jahrelang gaben sich die Jungunternehmer damit zufrieden, mit ihren Start-ups lediglich die lokalen wie regionalen Märkte zu besetzen, langsam zu wachsen und erst nach Jahren die Umsatzmarke von 100 Millionen Euro zu knacken. Jene, die regelmäßig Wagniskapital in junge Firmen stecken, vertreten die Ansicht, dass dieser Punkt fünf Jahre nach der Gründung erreicht sein sollte. Ein Beispiel dafür ist Xing, die deutsche Version von LinkedIn. Das Start-up wartet immer noch auf seinen Durchbruch. Der Grund: Die meisten Nutzer, die in den Bereichen Technologie, Banken oder Journalismus tätig sind und sich untereinander vernetzen wollen, sind beim Konkurrenten LinkedIn angemeldet.


Für US-Investoren sind Europas Start-ups Schnäppchen

Die europäische Start-up-Szene ist nicht so erfolgreich wie sie sein könnte. So haben der Musik-Streaming-Dienst Deezer SA und der Lebensmittellieferservice HelloFresh, die zu Rocket Internet gehören, vor kurzem den geplanten Börsengang verschoben.

Doch in den vergangenen Jahren hat sich vieles verändert. Investoren erzielen mit ihren Start-ups in London, Stockholm und Berlin Gewinne. Entlassungen bei zahlreichen Banken und Beratungsfirmen in Europa haben dafür gesorgt, dass Fachleute in die Gründerszene gewechselt sind.

„Europa schafft derzeit systematisch Unternehmen im Milliarden-Dollar-Bereich“, sagte Ciaran O’Leary, Risikokapitalgeber aus Berlin. Gemeinsam mit Salesforce steckt er regelmäßig Geld in junge Firmen. So war er auch am Verkauf 6Wunderkinder an Microsoft beteiligt. „Früher gab es zwei oder drei, und jetzt sind es mehr als 30.“ Die Mehrzahl dieser Firmen haben enormen Kapitalbedarf. In den ersten neun Monaten haben Risikokapitalgeber rund zehn Milliarden Dollar in europäische Start-ups gepumpt. Doch im selben Zeitraum haben US-Firmen dem Analysehaus Preqin zufolge allerdings rund sechs Mal so viel an Finanzmitteln erhalten. Aus Sicht US-amerikanischer Investoren sind europäische Start-ups regelrechte Schnäppchen.

„In den meisten Fällen ist es günstiger, eine Firma in Westeuropa zu kaufen als eine im Großraum San Francisco“, sagte Yair Snir, Direktor für Strategie und Geschäftsentwicklung in Europa bei Microsoft.

Nach dem Kauf der 6Wunderkinder-App im Juni weitet Microsoft nun sein „Ventures-Accelerator“-Programm in Berlin. Dabei geht der IT-Konzern geht Partnerschaften mit etablierten deutschen Konzernen wie Siemens ein.


Berlin ist ein Magnet für Investitionen

So hat Google Ventures 125 Millionen Dollar für Akquisitionen in Europa vorgesehen – und daraufhin schon in diverse Firmen investiert. Darunter sind der Musikverlag Kobalt und OXford Sciences Innovation, ein Tochter-Unternehmen der britischen Elite-Universität. Auch Intel Capital hat Geld in Start-ups gesteckt: zum Beispiel in MariaDB, eine Open-Source-Datenbasis in Finnland, und in iZettle, ein Anbieter von mobilen Zahlungen.

Der bekannte Risikokapitalgeber Sequoia hat sowohl in die Reisesuchmaschine Skyscanner aus Schottland als auch in den schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna investiert. Die Venture-Capital-Gesellschaft Kleiner Perkins Caufield & Byers half kürzlich bei einer Finanzierungsrunde aus, mit der sich Relayr, ein Hersteller von Sensoren und Software für industrielle Internet-Applikationen aus Berlin, elf Millionen Dollar beschaffen wollte.

Im Mai hat Somorjai von Salesforce Ventures Alex Kayyal eingestellt, der zuvor bei der Londoner Beteiligungsgesellschaft Hermes Growth Partners tätig war. Daraufhin hat sich Salesforce Ventures an einer Finanzierungsrunde für CartoDB beteiligt. Dabei wollte der Datenmapping-Anbieter aus Madrid, der Twitter zu seinen Kunden zählt, Geld einsammeln. Interesse hat Salesforce auch an weiteren Start-ups bekundet: Cloud 9, einem Dienstleister aus Amsterdam, der Softwareentwicklern dabei hilft, in der Cloud zusammenzuarbeiten und Universal Avenue aus Stockholm, einem Vermittler von „Markenbotschaftern“.

In Deutschland hat sich Berlin zu einem Magneten für Investitionen entwickelt – und was das Risikokapital betrifft, London hinter sich gelassen. Laut Ernst & Young haben Investoren im ersten Halbjahr diesen Jahres insgesamt 1,93 Milliarden Euro in deutsche Start-ups gesteckt. Diese Summe ist dreimal so groß wie 2013. Junge Firmen aus Berlin bekamen rund 1,4 Milliarden Euro, während Londoner Start-ups es gerade einmal auf 1,1 Milliarden Euro brachten.

„Ich liebe europäische Firmen“, sagte Somorjai: „Wir haben mit jeder Firma, die wir in Europa gekauft haben, enormen Erfolg.“

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