Hackerkongress in Hamburg Früher Hacker, heute gefragte IT-Sicherheitsexperten

Der größte Hackerkongress Europas ist bunt, wuselig – und ernst. Denn die Zahl der Cyberangriffe steigt stetig. Längst sind aus Nerds gefragte IT-Experten geworden. Insbesondere für die Sicherheitslücken in Smartphones.

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Zum 33. Chaos Communication Congress (CCC) fanden sich zahlreiche internationale Hacker und Computerinteressierte in Hamburg ein. Quelle: dpa

Hamburg Ikonen finden sich überall. Ein überraschter Applaus brandet auf, die ersten erheben sich von ihren Plätzen. Kurz darauf steht fast der ganze Saal. Auf der großen Leinwand über der Bühne ist auf einmal Edward Snowden erschienen. Unangekündigt. Eine Videoschaltung, denn Snowden steckt immer noch in Russland fest. Der weltbekannteste Whistleblower nimmt den Applaus mit einem leicht verlegenen Lächeln an, dabei war ihm vor diesem Publikum der große Auftritt gewiss.

Rund 12.000 Besucher sind in diesen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr nach Hamburg ins Kongresszentrum gekommen. Hacker. Computerinteressierte. Es ist der nun im 33. Jahr stattfindende Chaos Communication Congress des deutschen Chaos Computer Clubs (CCC), einer Hackerzusammenkunft. Nach Aussage des Clubs ist es damit das weltweit größte nicht-kommerzielle Hackertreffen.

Inzwischen sind die Hacker längst aus den dunklen Räumen gekommen, in denen sie vermeintlich früher gesteckt haben. Alles ist eine bunt beleuchtete Mischung aus Kirmes und Sagenland. Nerds – so wurden sie lange genannt. Nun versucht man den Begriff zu vermeiden, schließlich sind sie heiß begehrte Angestellte. IT-Experten und gerade IT-Sicherheitsexperten werden von den Unternehmen händeringend gesucht. Irgendwer muss die Systeme der Firmen sicherer machen. Das macht die hohe Zahl der Angriffe klar: auf die Telekom, auf Yahoo, auf Thyssen-Krupp, nun auch auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Liste der betroffenen Unternehmen und Organisationen ließe sich üppig erweitern.

„Die IT-Sicherheit und die Fragen der Sicherheitslücken in Software- und Betriebssystemen auf Mobiltelefonen beschäftigt uns auf dem Kongress sehr stark”, nennt CCC-Sprecherin Constanze Kurz gegenüber dem Handelsblatt die drängendsten Probleme. „Und nach wie vor geheimdienstliche Hackerangriffe.”

Und so schwebt auch ein unausgesprochenes Selbstverständnis über allem – dem Tisch, auf dem man echte Schlösser knacken kann, den Gruppen mit Laptops überall, den vielen Ständen, die für Datenschutz werben. Noch nie waren Computerspezialisten so gefragt wie heute.

Doch wie hier die meisten Teilnehmer wissen: Auf große Kraft folgt große Verantwortung. Bei den Vorträgen, die bis nach Mitternacht laufen, geht es nicht nur darum, sich über Systemlücken und neue Hackertools auszutauschen. Sondern es geht auch darum, sie richtig einzusetzen. Gegen staatliche Überwachung, gegen Wahlmanipulation oder gegen Hass im Netz und gegen Unterdrückung. Hacken heißt nicht automatisch kriminell sein – das ist vielen hier wichtig. Es ist Snowden selber, der sagt, bei der staatlichen Überwachung ginge es nicht nur den Schutz der Bürger – sondern um Macht.

Doch soll bei den ganzen ernsten Themen der Spaß nicht abhandenkommen. In der durchsichtigen, aufblasbaren Halbkugel vor der Tür startet schon früh die Elektroparty. An der Bar bilden sich lange Schlangen. Schließlich feiert man auch sich selber.

Denn die Hackercommunity kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: Gegründet wurde des Chaos Computer Club 1981 in Berlin. Damals begann die Zeit der ersten einfachen Heimcomputer – und damit der Einzug der Informationstechnologie ins Leben der Menschen. Immer wieder hat der Club demonstriert, welche Lücken große IT-Systeme aufweisen: So wurden per Computer mithilfe des Bildschirmtext-Netzwerks von einer Hamburger Bank 134.000 DM „gestohlen” und am nächsten Tag vor den Augen der Presse zurückgegeben. Aus Protest gegen die Nutzung von biometrischen Daten in den neuen Personalausweisen knackten die Hacker im März 2008 die Datenbanken und veröffentlichten die Fingerabdrücke des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble.

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