Handy-Anbieter Die Telekom liebt die Langeweile

Die Deutsche Telekom hat solide Zahlen vorgelegt – und weist Kritik an mangelnden Überraschungen zurück. Dabei gibt es ein Vorbild im eigenen Konzern, um häufiger zu verblüffen. Eine Analyse.

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Der Telekom-Chef präsentiert sich gern progressiv – doch nach wie vor herrscht die bei der Telekom die Devise: immer vorsichtig ein Schritt nach dem anderen. Quelle: Reuters

Düsseldorf Finanzvorstand Thomas Dannenfeldt ist sehr deutlich in seiner Aussage: „Wenn Sie große Überraschungen wollen, dann sind wir die Falschen.“ Damit reagierte er bei der heutigen Vorstellung der Bilanz des zweiten Quartals auf Äußerungen von Analysten, die Zahlen würden nur wenig Überraschungen bieten, auch wenn sie gestiegen seien.

Dabei hat die Telekom nach einem Gewinnsprung ihre Prognose für das Gesamtjahr leicht angehoben. Das bereinigte Betriebsergebnis (Ebitda) soll um 0,1 Milliarden Euro auf nun 22,3 Milliarden steigen. Im zweiten Quartal legte es um knapp neun Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf rund sechs Milliarden Euro zu. Der Gesamtumsatz stieg um sechs Prozent auf fast 19 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb mit 874 Millionen Euro gut 40 Prozent mehr Gewinn übrig.

Diese Zahlen haben viel mit dem Erfolg der Tochter in den USA zu tun, die bereits vorvergangene Woche ihre Bilanz vorgestellt und wieder einmal die Erwartungen der Analysten mehr als erfüllt hatte. Aber – und das ist Dannenfeldt an diesem Tag sehr wichtig – auch in den anderen Bereichen der Telekom läuft es. Vielleicht nicht immer ganz rund, aber es läuft. In Deutschland zum Beispiel, gebe es eine hohe Nachfrage nach Mobilfunkverträgen. Zwar wechseln die Kunden weiterhin mit ihren Festnetz- und Internetverträgen zu anderen Anbieter, aber die Telekom will dem entgegen steuern, indem sie mehr in ihre Netze investiert. Sie hat die Investitionen im ersten Halbjahr um 17 Prozent erhöht und mehr als zwei Milliarden Euro in den Ausbau gesteckt.

Auch im Segment Europa und bei T-Systems geht es laut dem Finanzvorstand voran. In Europa, habe der Konzern bei allen wichtigen Kundenzahlen mindestens zweistellige Wachstumsraten erreicht, erklärt er. Deswegen sei der Umsatz des Segments im zweiten Quartal um 1,5 Prozent gestiegen, wenn Währungseffekte außer Acht gelassen werden. „Insgesamt also eine sehr erfreuliche Entwicklung im Segment Europa“, sagt Dannenfeldt und wird kurz darauf erklären, dass bei T-Systems der Umsatz zwar gesunken sei, aber er eine „stabile Entwicklung“ für das Gesamtjahr sehe.

Stabilität ist ihm wichtig. Auch direkt am Anfang seiner Präsentation hatte er bereits betont: „Wir freuen uns, dass unser Erfolg stabil auf mehreren Beinen steht.“ Bereits vor drei Monaten hatte Dannenfeldt bei gleicher Gelegenheit gesagt, er sei als Finanzvorstand gerne langweilig.

Diese Aussage ist in seiner Position verständlich. Er muss dafür sorgen, dass die Deutsche Telekom so weiter machen kann, wie bisher, ohne in finanzielle Engpässe zu geraten. Solange die Zahlen stimmen, sind die Aktionäre, von denen sich viele für den Konzern vor allem wegen der zuverlässigen (und steigenden) Dividenden interessieren, zufrieden. Hohe Ausschläge bei Wert der Papiere des Unternehmens erwarten die meisten nicht nur nicht, sondern wollen sie auch nicht sehen.

Zu tief ist die Erinnerung an den starken Anstieg und heftigen Fall der Aktie im Jahr 2000 in das Gedächtnis der Aktionäre und eingebrannt. Bis heute erinnert der Chart des Papiers an ein EKG vor dem Herzstillstand. Letzteres konnte die Telekom vermeiden. Ihr geht es nach wie vor gut, auch sie zwischenzeitlich drastische Sparmaßnahmen hinnehmen musste. Sie arbeitet mit einer Marge von fast 40 Prozent so profitabel wie nur die wenigsten Konzerne.

Und so gibt es viele, die sich wünschen, dass die Bonner so weiter machen, wie bisher. Dazu zählen nicht nur Aktionäre, auch Mitarbeiter. Doch diese Ruhe kann gefährlich sein. Denn auch wenn die Finanzkennzahlen Stabilität vermelden, muss die Zukunft lange nicht so bleiben. Das Festnetzgeschäft in Deutschland ist rückläufig und auch wenn die Telekom da noch so stark gegen anbaut: Auf die Geschwindigkeiten ihrer Mitbewerber wird sie in absehbare Zeit nicht kommen.


Die Telekom wird in ihren Kernmärkten in die Enge gedrängt

Hinzu kommt: Das Mobilfunkgeschäft steigt, aber der Markt ist gesättigt. Dank des Anstiegs der Zahl vernetzter Geräte können die Telekommunikationsanbieter mehr SIM-Karten verkaufen und sie als Kunden verbuchen - aber Umsätze machen sie damit höchstens wenig. Die genutzten Datenvolumen steigen, doch die Unternehmen profitieren davon nur unterproportional.

Neue Geschäftsmodelle, wie man etwa mit dem vernetzten Haus, der vernetzten Stadt oder der vernetzten Fabrik Geld verdient, hat die Telekom. Allerdings fliegen die Kunden noch nicht so richtig darauf. Immer vorsichtig einen Schritt nach dem anderen gehen, scheint die Devise der Telekom. Sobald der Boden auch nur leicht nachgibt, wird neunachgedacht. Das ist sicher, das ist stabil, aber das dauert.

Dabei kann sich die Telekom bei der eigenen Tochter ansehen, dass Aufregung und Risiko funktionieren kann. T-Mobile US hat den Markt erobert, in dem der Mobilfunker sich bewusst gegen das gestemmt hat, was scheinbar normal war. Vertragskonditionen, Datenpakete, Smartphone-Leasing hat das Management-Team neudurchdacht, es einfach versucht und ist damit erfolgreich. Und zwar so erfolgreich, dass T-Mobile US mittlerweile den Erfolg der Mutter Deutsche Telekom zu großen Teilen trägt.

Das haben die Bonner Kollegen erkannt, gestehen es ein, aber ändern wollen sie dann doch nicht so viel am eigenen System. Schließlich sei man in den USA in einer anderen Markposition, heißt es dann. Dort sei man der Angreifer. Doch könnte da ein fundamentales Missverständnis lauern.

Die Telekom wird auch in ihren Kernmärkten von Wettbewerbern zunehmend in die Enge gedrängt, weil die schlicht mit Geschwindigkeit punkten können. Nun gibt es zwei Optionen: Versuchen ob des Drucks die eigenen Position zu bewahren - oder selber anzugreifen. Zu letzterem zählt allerdings nicht, Politik und Regulierungsbehörden davon überzeugen zu wollen, das Netz ganz alleine Nutzen zu dürfen. Das ist das Gegenteil von Innovation, das bedeutet, zurück in die Vergangenheit zu wollen.

Anzugreifen bedeutet Risiken einzugehen, auch einmal auf vermeintlich Abseitiges zu setzen oder auch Vertrautes aufzugeben. Diesen Weg ist die Telekom unter Vorstandschef René Obermann einmal gegangen, hat aber in der jüngeren Vergangenheit einige Wetten wieder aufgegeben, etwa die Beteiligung an Scout24 oder Strato. Das ist verständlich, wenn sie keinen Sinn mehr ergeben, aber dann sollten neue folgen.

Besonders in erfolgreichen Konzernen würden Prozesse mit der Zeit immer langsamer, weil alle ihre Befindlichkeiten unterbringen wollen, erklärte jüngst Risto Siilasmaa Aufsichtsratschef von Nokia dem Handelsblatt, warum der ehemalige Handyhersteller so tief gefallen sei. „Dann dreht sich der Fokus weg vom Kunden hin zum Aktienkurs und Gewinn. Aber das bedeutet, man schaut mehr nach hinten als nach vorne. Diese Zahlen beziehen sich alle auf die Vergangenheit.“

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