Dafür ist er jetzt alle paar Wochen mit der Lufthansa unterwegs, fliegt mit ihr von San Francisco nach Frankfurt, erledigt zunächst seine europäischen Geschäftstermine und fliegt dann weiter nach Bengaluru, dem ehemaligen Bangalore, Hauptsitz von Infosys. Sikka ist das gewohnt. Nur endeten seine früheren Reisen in Frankfurt. Denn eigentlich war sein Karriereziel, Chef von SAP zu werden, Deutschlands wichtigstem Softwarekonzern. Er war dicht davor. Bis alles anders kam.
2002 holte SAP den Softwareunternehmer und Experten für künstliche Intelligenz, um wichtige strategische Projekte voranzutreiben. Fünf Jahre später machte ihn sein Mentor Henning Kagermann, damals SAP-Boss, zum ersten Technologiechef des Konzerns. Sikka sollte das Innovationstempo erhöhen, den Konzern in neue Felder wie Cloud Computing und Smartphone-Apps führen. Auch an der Seite von SAP-Mitgründer und Übervater Hasso Plattner. Gemeinsam förderten sie das Projekt Hana, eine superschnelle Datenbank, heute eins der Vorzeigeprodukte von SAP. Mit Plattner im Rücken konnte Sikka Initiativen auch gegen den Willen anderer durchdrücken, was ihm etliche Feinde im Konzern bescherte.
Der Inder, so wurde hinter seinem Rücken getuschelt, würde viele Ideen präsentieren, ohne viel über die Umsetzung nachzudenken. 2010 rückte er in den SAP-Vorstand auf, neben deren Co-Chefs Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe. Als der Däne Snabe sich 2013 aus familiären Gründen zurückzog, erwartete Sikka, an die Spitze aufzurücken.
Doch McDermott, so heißt es bei SAP, hätte seine Macht nicht mehr teilen wollen. Plattner wollte den begnadeten Verkäufer nicht verlieren. Das hätte den ganzen Konzern in Unruhe versetzt. Sikka die Führung zu übergeben hielt Plattner wohl für zu riskant. Der vermeintliche Kronprinz zog die Konsequenz: Er dankte ab.
Reden will Sikka darüber nicht. Die Spekulationen über seinen Abgang haben ihn geärgert. Mit Hasso Plattner „tausche ich ab und an E-Mails aus“, sagt er. Engen Kontakt pflegt er mit Kagermann, heute einer der Präsidenten von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Er sieht ihn immer noch als Mentor. Trotz allem ist SAP ein wichtiger Kooperationspartner, die Pflege seiner Systeme eine der wichtigsten Einnahmequellen für Infosys.
Auch sonst nimmt Sikka viele Anleihen bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Etwa bei der d.school der Stanford-Universität, offizieller Titel: Hasso Plattner Institute of Design at Stanford. Die soll das Design Thinking in die Welt tragen. Die Innovationsmethode soll Ingenieuren, Entwicklern, Designern und Managern helfen, sich stärker an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren.
Top 10 der Softwareunternehmen nach Umsatz 2013
Umsatz: 3,8 Milliarden Dollar
Wachstum: 33,3 Prozent (gegenüber dem Vorjahr)
Quelle: Gartner, März 2014
Umsatz: 4,2 Milliarden Dollar
Wachstum: -2,6 Prozent
Umsatz: 4,8 Milliarden Dollar
Wachstum: 14,1 Prozent
Umsatz: 4,9 Milliarden Dollar
Wachstum: -2,7 Prozent
Umsatz: 5,6 Milliarden Dollar
Wachstum: 4,9 Prozent
Umsatz: 6,4 Milliarden Dollar
Wachstum: -0,8 Prozent
Umsatz: 18,5 Milliarden Dollar
Wachstum: 9,5 Prozent
Umsatz: 29,1 Milliarden Dollar
Wachstum: 1,4 Prozent
Umsatz: 29,6 Milliarden Dollar
Wachstum: 3,4 Prozent
Umsatz: 65,7 Milliarden Dollar
Wachstum: 6,0 Prozent
Sikka hat den Einsatz der Methode gemeinsam mit Plattner bei SAP vorangetrieben. Und will nun mit ihrer Hilfe in Rekordzeit die Kultur von Infosys umbauen. Etwa 90 000 Mitarbeiter ließen sich in den vergangenen anderthalb Jahren bereits in ihr schulen. Doch lässt sich proaktives Denken, Kreativität so einfach via Unterricht vermitteln? Und in Produkte umsetzen? „Sicher nicht bei jedem“, gibt Sikka zu. „Aber selbst wenn das nur bei einem Bruchteil gelingt, die wiederum andere mitreißen, hat sich das doch schon gelohnt.“
Damit nicht alles theoretisch bleibt, treibt er wie bei SAP ein neues Kernprodukt voran, an dem die Innovationen andocken sollen. Bei den Deutschen war das die ultraschnelle Datenbank Hana, die alle Angebote des Konzerns beschleunigen sollte. Bei Infosys heißt sie zum Verwechseln ähnlich: Mana.
Dahinter steckt eine auf künstlicher Intelligenz basierende Plattform, die Prozesse analysieren, besser organisieren, überwachen und letztlich automatisieren soll. Eine Art Schaltzentrale des modernen Unternehmens, die lernt, wo Fehler auftreten – und sie auch noch behebt.