Initiative „Wir Zusammen“ Digital deutsch lernen

In der Deutschlandzentrale von Google in Hamburg fand die zweite Handelsblatt-Veranstaltung zur Initiative „Wir Zusammen“ statt. Dabei ging es um die Vernetzung von Unternehmen, Behörden und Helfern.

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Auf dem Podium diskutierten (v.l.n.r.): Thomas Letixerant von der Bundesagentur für Arbeit, Hans-Jürgen Jakobs vom Handelsblatt und Dirk Werner vom Institut der deutschen Wirtschaft. Quelle: Johannes Arlt für Handelsblatt

Hamburg Wie können Unternehmen mit digitaler Technik Flüchtlingen beim Deutschlernen helfen? Diese Frage stand bei der zweiten Handelsblatt-Veranstaltung zur Initiative „Wir zusammen“ von deutschen Unternehmen im Mittelpunkt. Passenderweise fand das Treffen in der Zentrale von Google Deutschland in Hamburg statt.

Das Unternehmen hat den Flüchtlingen ganz praktisch geholfen: Im „Project Reconnect“ stellte Google 25.000 Laptops zur Verfügung. Damit konnten die Menschen deutsch lernen, erläuterte Programmleiterin Sybille Fleischmann. Dabei hilft etwa die Software von LinguaTV, einem Anbieter von Sprachlernprogrammen, der zusammen mit McDonald's Lizenzen bereitstellte. „Die Betreuungsarbeit kann mit diesem Programm fast jeder machen“, betonte Geschäftsführer Philip Gienandt die Entlastung für die Helfer. Dazu braucht es Vernetzung: Innerhalb von zehn Tagen habe eine Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) gestanden, erinnerte er sich.

Auch die Behörde geht neue Wege: Flüchtlinge sollten das Deutschlernen direkt mit Praktika und Arbeitserfahrungen verbinden, forderte BA-Nord-Geschäftsführer Thomas Letixerant. So gebe es die besten Ergebnisse. Schließlich wolle der „Löwenanteil“ der Flüchtlinge arbeiten, auch um Familien zu unterstützen oder Schlepper-Schulden loszuwerden. Eine Ausbildung sei jedoch weniger gefragt – dabei sei eine formale Qualifikation der Schlüssel zum Arbeitsmarkt, sagte Letixerant.

An dieser Stelle setzt in Hamburg die Sozialbehörde an. Amtsleiterin Petra Lotzkat hat sich mit Handels- und Handwerkskammer verbündet, um durch Prüfer die berufspraktischen Erfahrungen von Flüchtlingen feststellen zu lassen. So erhalten sie offizielle Nachweise, die bei Bewerbungen um Jobs und Praktika helfen. Dazu allerdings braucht es entsprechendes Engagement in den Unternehmen. „Das ist auch Chefsache. Unternehmen müssen erkennen, dass ihnen Vielfalt nutzt“, sagte Dirk Werner vom Institut der Deutschen Wirtschaft.

Allerdings, gab ein Zuhörer zu Bedenken, gebe es bürokratische Hürden: Der Software-Unternehmer beklagte, in Schleswig-Holstein sei es schwer, einen Praktikanten länger als zwei Wochen zu beschäftigen – trotz eines unterschriebenen Ausbildungsvertrags ab September.

Offenbar macht es der Föderalismus komplizierter. Während bei der ersten „Wir zusammen“-Veranstaltung in München kritisiert wurde, die südlichen Bundesländer schieben auch Menschen mit Ausbildungsvertrag ab, beteuerte die Hamburger Amtsleiterin Lotzkat, in der Stadt reiche auch ein für die Zukunft abgeschlossener Ausbildungsvertrag aus, um eine Abschiebung selbst in letzter Minute zu stoppen.

Von niedrigschwelligerer Hilfe berichtete Tui-Manager Christian Rapp. Mitarbeiter des Reisekonzerns halfen als Deutschlehrer in Flüchtlingslagern – und schafften es, weitere Unternehmen zum Mitmachen zu bewegen. 90 Tui-Mitarbeiter erreichten so 300 Flüchtlinge.


„Flüchtlingsfeindliches Klima in Deutschland“

Und der Wörterbuch-Verlag Langenscheidt stellt sich durch neue Nachschlagwerke mit mehr Bildern auf bildungsferne Flüchtlinge ein, erläuterte Langenscheidt-Manager Eckhard Zimmermann. „Unternehmen profitieren interkulturell, wenn sie Flüchtlinge beschäftigen“, sagte er. Der Mittelstand dürfe die Hilfe nicht allein den Großunternehmen überlassen. „Es können nicht allen die Konzerne Hundertausende in Arbeit bringen“, sagte er. Allerdings beklagte er, derzeit herrsche in Deutschland ein flüchtlingsfeindliches Klima, das neue Initiativen erschwere.

Mehr Hoffnung verbreitete Marie-Christine Ghanbari. Die Sportlehrerein aus Münster stellte das Projekt „Sportpaten“ vor, in dem Studenten und junge Lehrer Flüchtlingskinder und junge Deutsche beim Sport zusammenbringen. „Wir müssen die Sprache in Aktion beibringen“, meinte sie. „Wir können nur Gesellschaften ändern, wenn wir bei den Kindern ansetzen.“

Ähnlich arbeiten die Unternehmen in der Initiative „Wir zusammen“: Auch sie vermitteln Paten an Flüchtlinge im Unternehmen. Projekt-Sprecherin Marlies Peine bedauerte jedoch, die hohen Erwartungen zum Projektstart hätten sich nicht erfüllt. Ursprünglich wollten die Initiatoren schon 2016 rund 1.000 Unternehmen zusammentrommeln. Aktuell sind es jedoch erst 186, bis zum Jahresende sollen es 300 werden. „Wir wollen die 1.000 noch erreichen – aber wohl nicht in den nächsten sechs Monaten“, sagte Peine.

Bis dahin geht die praktische Arbeit weiter. LinguaTV beschäftigte zwischenzeitlich ebenfalls zehn Menschen mit Fluchtgeschichte. „Und ich sage auch unserem britischen Entwickler, dass er endlich Deutsch lernen soll. In Berlin kommt er jedoch bislang mit Englisch durch“, scherzte LinguaTV-Chef Gienandt.

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