Insider Insights Erst denken, dann Gesetze entwerfen!

Ein Blick in den Jahreswirtschaftsbericht des Wirtschaftsministeriums zeigt: Sigmar Gabriel will es Start-ups erschweren, Fusionen und Übernahmen einzugehen. Ein schizophrener und kontraproduktiver Schachzug, meint Internet-Investor Christian Miele.

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Undurchdachte Gesetzesentwürfe in Jahreswirtschaftsbericht gekritzelt. Quelle: dpa

Die digitalen Frontrunner unter den deutschen Politikern pöbeln regelmäßig, dass wir in Deutschland auch ein Facebook, ein Google oder ein Apple haben wollen. Manche von ihnen wirken dabei wie kleine Kinder, die neidvoll auf das Spielzeug des Nachbarn schielen. Andere benutzen die Start-up-Szene als Brandbeschleuniger für den eigenen Wahlkampf – kreative, junge Menschen, die an Innovationen arbeiten, sind schließlich fantastische Platzhalter auf Fotos.

Einige dieser Politiker tüfteln jetzt aber an einem Gesetz, das den Aufbau solcher Unternehmen verhindern könnte und Venture-Capital-Firmen, das heißt Risikokapitalgeber, abschreckt. Das entsprechende Gesetz soll Fusionen und Übernahmen in Deutschland kontrollieren, um Monopole à la Google im Heimatland zu verhindern; eine Verschärfung des Kartellrechts also. Bis dato scheitert das Kartellrecht nämlich an Internetfirmen wie Facebooks Instagram und WhatsApp oder auch Snapchat, die kaum oder keinen Umsatz machen, aber dennoch riesig sind. Denn die Fusionskontrolle hat insofern ein Problem, als das gilt: Wo kein Umsatz, da kein Markt.

Ich finde das schizophren. Warum mischen sich Beamte, die ihr Leben lang schon im Staatsapparat arbeiten, wieder einmal ungefragt in Unternehmerfragen ein? Na klar, Superminister Gabriel hat mit Flüchtlingskrise und Zerfall der SPD viel zu tun. Aber das ist keine Entschuldigung dafür, undurchdachte Gesetzesentwürfe in Jahreswirtschaftsberichte zu kritzeln. Blind zum Griffel greifen und rumregulieren ist kein Kavaliersdelikt, Herr Minister!

Über die nicht zu Ende gedachten Ideen von Sigmar Gabriel diskutierte ich mit FDP-Chef Christian Lindner, den ich persönlich aufgrund seines authentischen Interesses an Start-ups schätze - nicht zuletzt wegen seiner bei Youtube hunderttausendfach geklickten Wutrede im NRW-Landtag. Er denkt wie ich: Eine kartellrechtliche Prüfung bei Fusionen und Übernahmen ist grundsätzlich richtig. Wenn wir sowas aber auf die Digitalwirtschaft anwenden möchten, dann: erstens geknüpft an klar definierte Kennzahlen, zweitens europaweit und drittens vor allem unbürokratisch – und nicht zu Lasten der Start-ups. Aber bitte nicht in dieser Wischiwaschi-Fassung. Ausschließlich auf deutschem Boden Bürokratie aufzubauen und Wachstum zu behindern, das wäre ein Schritt zurück in die Vergangenheit.

Außerdem ist es absolut realitätsfern den Präzedenzfall der Übernahme von WhatsApp durch Facebook heran zu ziehen, um die Notwendigkeit für eine Verschärfung des Kartellrechts zu demonstrieren. Uns in Deutschland über eine 19 Milliarden Dollar schwere Übernahme Gedanken zu machen, wäre ein Luxusproblem, das in ferner Zukunft liegt. Manche meiner Freunde, Investoren aus dem Silicon Valley, sagen daher nüchtern zu Gabriels Plänen: „We don’t know this guy, but sounds like a typical German thing.“

„Erst denken, dann reden“, das ist Lieblingsweisheit jeder zweiten Großmutter. „Erst denken, dann Gesetze entwerfen“, das ist momentan meine Lieblingsweisheit.


Was Gabriel richtig gemacht hat

Gabriel wäre geholfen, wenn er weiterhin daran arbeiten würde, zunächst einmal die Gründungsbedingungen in Deutschland zu verbessern, bevor er Exits regulieren will. Kapiert das endlich, liebe Regulierungsfetischisten! Die Exits kommen nämlich erst gar nicht ohne ein stabiles Fundament. Und wenn wir uns selbst zu einem digitalen Nordkorea überregulieren, müssen wir uns auch nicht wundern, wenn die Gründer irgendwann woanders gründen. Das werden sie nämlich tun.

Ein paar Sachen hat Gabriel aber auch gut gemacht: zum Beispiel die 500 Millionen Euro für den Europäischen Investitionsfonds und die 400 Millionen Euro für die KfW; auch seine Unterstützung bei der Verhinderung des Anti-Angel-Gesetzes, das Business Angels steuerlich deutlich schlechter gestellt hätte. Gerne mehr davon. Die dadurch verdienten Kudos aus der Gründerszene verspielt er aber leichtfertig, wenn er es Investoren und Start-ups erschwert, dieses Geld irgendwann zurück zu zahlen. Die Summen zur Förderung sind Steuergelder – und Gabriel sollte ein Interesse daran haben, dass diese Investitionen sich auch lohnen.

Das Kartellrecht bedarf einer Überarbeitung. Google hätte Pro Sieben Sat.1 damals kaufen dürfen, Axel Springer durfte es nicht. Irgendwo ist da also der Wurm drin. Bevor sich das Wirtschaftsministerium also jetzt an Start-ups abarbeitet, sollten erst einmal die nicht abgegebenen Hausaufgaben nachgereicht werden. Und dann können wir uns von mir aus einer Ausweitung des Kartellrechts auf Digitalfirmen widmen. Aber bitte mit überlegten Vorschlägen und nicht so einem übereilten Vorstoß.

Christian Miele ist Investor beim globalen Venture Capital Fond e.ventures und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutsche Startups. Miele symbolisiert den Dreh- und Angelpunkt zwischen der Old Economy und New Economy – dabei fühlt er sich Traditionen verbunden und Innovationen gegenüber verpflichtet. Alle zwei Wochen schreibt Miele die Kolumne „Insider Insights” aus dem Herzen der Gründerszene für Deutschlands führende Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt.

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