SAP-Software soll Spaß machen – das klingt so, als würden Sie sagen, die Arbeit im Steinbruch muss Spaß machen.
Ich lebe ja nun fast die halbe Zeit in Amerika und mache die Erfahrung, wie schrecklich Bedienoberflächen made in Germany sind. Und das quer durch alle Branchen und selbst bei den besten Anbietern. Deshalb haben wir uns in den vergangenen zwölf Monaten wirklich erstmals seit Langem wieder um das Design und die Vereinfachung ausgewählter Produkte gekümmert. Diese Erfahrungen mündeten in unsere neue Produktreihe namens Fiori, zu Deutsch: Blume. Hier werden Antworten auf Fragen und Entscheidungen einfach, anschaulich, übersichtlich und intuitiv leicht gemacht. Ein tolles Produkt. Buchhaltung dagegen wird von Spezialisten betrieben, sie muss vor allem schnell sein.
Wer ist denn bei SAP überhaupt in der Lage, sich etwas Blumiges auszudenken?
Wir machen das in unseren US-Innovationszentrum in Palo Alto. Die Entwicklungsabteilung ist eingebunden, aber sie ist nicht federführend. Nur so kriegen wir die dafür nötige Energie und Kreativität. Die ersten 25 Produkte sind jetzt fertig – mit einer überragenden Aufnahme beim Kunden. Und das zeigt uns: Ja, wir können es genauso gut und sogar besser als die anderen, wir müssen es nur machen.
Davon merken unsere Kollegen in der Redaktion noch nichts, wenn sie sich kompliziert in das Reisekostenmodul von SAP einloggen und bestimmte Kosten nicht eintragen können.
Sagen Sie Ihren Kollegen, Sie sollen mir schreiben, wenn sie sich ärgern. Schon vor Jahren sagte ich zu unseren Leuten, die dafür verantwortlich sind: Das muss endlich aufhören, das muss anders heißen, die Überschrift „Reisekosten“ muss weg, man muss Spesen unabhängig von Reisen absetzen können. Ein Jahr später bekomme ich eine neue Version vorgeführt mit dem Namen „Die neue Reisekostenabrechnung“. Ich habe die Leute nach Hause geschickt. In Fiori ist die Reisekostenabrechnung jetzt neu gemacht. Wir werden sie Ihnen zum Testen geben.
Plattners beste Sprüche
Wir befinden uns im fünften Jahr des Umbaus, und insgesamt sind’s ja sogar schon zehn Jahre. Da sollte jeder Beteiligte mal in den Spiegel schauen und sich fragen: „Was machen wir hier eigentlich?“
Es gibt Produkte bei SAP, die sind weder praxistauglich noch begehrenswert und attraktiv für den Kunden – und wir verkaufen sie dennoch. Genau das wird in der Ära von Cloud Computing nicht mehr funktionieren.
Ich hatte eigentlich angenommen, spätestens im Jahr 2000 wird die Zeit vorbei sein, in der wir Dinge entwickeln können, die die Kunden eigentlich gar nicht wollen. Aber im Cloud-Geschäft kann man schlicht nicht mehr existieren, wenn die Kunden im Internet nicht zugreifen.
Wenn euch irgendwer aus Walldorf eine Technologie spendieren will, schaut euch das Geschenk gut an – und lehnt es im Zweifelsfall ab. Nur wenn die Deutschen verstehen, dass weniger mehr ist, sind sie in der Cloud-Welt herzlich willkommen.
Es ist einfacher, Geschäfte im kommunistischen China zu machen als in Deutschland. Als Konsequenz aus der Finanzkrise marschieren einige deutsche Politiker in meinen Augen in die völlig falsche Richtung. Wir können inzwischen feststellen, dass der Einfluss der Vordenker der DDR niemals stärker als heute war. Ich spreche ausschließlich von Parteien im Bundestag, nicht von irgendeiner außerparlamentarischen Opposition.
Ich bin zu den Chefs der drei wichtigsten Parteien gegangen und habe ihnen gesagt: Wenn die Vermögensteuer kommt, bedeutet das den sofortigen Tod von SAP in Deutschland – nicht des Unternehmens. Denn: Wer sollte meine Aktien kaufen? Das kann ich Ihnen verraten: China.
Wie viele Kunden haben Sie mit Ihrer wenig benutzerfreundlichen Software schon vergrätzt?
Unser langjähriger Kunde Nestlé hat damit gedroht, dass sie künftig in der Benutzeroberfläche mit unserem US-Wettbewerber Salesforce zusammenarbeiten. Unser SAP-Entwicklungschef Vishal Sikka und ich haben zwei Mal eindringlich darum gebeten: „Gebt uns noch eine Chance.“ Die Spesenabrechnung oder Urlaubsverwaltung sind Funktionen, die etwa 80 Prozent aller Mitarbeiter in einem Unternehmen tangieren. Und die ärgern sich sehr darüber, wenn derart einfache Transaktionen nicht einfach zu bedienen sind. Jetzt gibt’s tatsächlich erstmals positives Feedback mit Fiori.
Und das neue Mauerblümchen kommt bei den Kunden an?
Fiori ist kein Mauerblümchen, sondern ein sehr attraktives Produkt, das eine einfache consumerfreundliche Benutzung für die am meisten genutzten Geschäftsanwendungen wie Urlaubsplanung, Zeiterfassung und Bestellungen bietet. Der Verkaufserfolg ist signifikant höher, auch weil man sich den Namen merken kann. Und wenn das Produkt gut funktioniert, ist es direkt mit etwas Positivem assoziiert.
Warum setzen Sie bei solchen Neuentwicklungen auf den SAP-Sitz in Palo Alto im Silicon Valley?
Weil ich dort von einer besonderen Mischung Leute umgeben bin. Sie stammen zu 50 Prozent aus Indien, sind Chinesen oder Auswanderer aus Europa, also eine bunte Mischung. Und deren Wille, zu gewinnen, ist enorm – höher als in Deutschland.