Interview Hasso Plattner »Wir müssen unternehmerischer werden«

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Guter Diktator, aber kein Überchef

Foto von Hasso Plattner Quelle: dpa

Ist es Ihr persönliches Geschäftsmodell, von Potsdam und Palo Alto aus SAP aufzumischen?

Als ich 2003 vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat wechselte, war mein Vorbild der Microsoft-Gründer Bill Gates. Der hatte sich 2000 vom Chefposten zurückgezogen und war Chief Software Officer geworden, also Chef-Softwareberater, mit dem Schwerpunkt Forschung. Das wollte ich auch so machen. Irgendwann habe ich dann Informatik-Vorlesungen an der Hochschule in Potsdam gegeben und gemerkt, ich bin viel zu weit raus. Ich musste Informatik praktisch neu lernen und konnte erst dann meine Beraterfunktion bei SAP richtig ausüben, um wirklich neue Anregungen in Sachen Software zu geben.

Welche Rolle spielte dabei das von Ihnen finanzierte und nach Ihnen benannte Institut an der Uni Potsdam?

Das war eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung des neuen SAP-Datenprogramms Hana. Ohne die Kreativität und Hilfe meiner Studenten etwa beim Bau von Prototypen wären wir nie so weit gekommen. So konnte ich ein paar Leute bei SAP aufschrecken und habe viele Mitstreiter gefunden. Das wäre mir nur aus meiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender niemals gelungen. Hana wurde auch anders entwickelt als die gesamte SAP-Software vorher, in einem virtuellen Team verteilt über die ganze Welt mit Programmierern in Korea, China, Indien, Israel, Deutschland, Frankreich und den USA.

Ein solcher Über-Chef ist in den Regeln guter Unternehmensführung eigentlich nicht vorgesehen?

Ich bin kein Über-Chef. Ja, ich berate mit Leidenschaft und Überzeugung. Aber ich mache auch nicht mehr als der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch.

Hätte Hana nicht auch bei SAP entwickelt werden können?

Nein, das Projekt hätte bei SAP alleine keine Chance gehabt. Es gab drei wichtige Softwarebausteine aus dem Hause SAP, die technisch in Hana eingeflossen sind. Mit denen habe ich meine Studenten experimentieren und einen Prototyp bauen lassen. Letztlich ist das Produkt dann bei SAP gebaut worden.

Plattners Lebenswerk

Wie haben Sie den Vorstand überzeugt?

Ich habe zum SAP-Vorstand gesagt, ich sehe eine große Möglichkeit, etwas wirklich Innovatives zu entwickeln. Die Voraussetzung dafür sei aber, dass ich mit einem Team die drei Softwarelösungen nutzen kann. Und ich möchte autorisiert werden, in diesem Projekt sagen zu können, wo es langgeht – aber nur auf dieses Projekt bezogen.

Also doch Godfather?

Nein, ich habe nur darum gebeten, hier will ich entscheiden, was gemacht wird, quasi als guter Diktator, sonst mache ich es nicht. Heute macht Hana Schule bei SAP, und es werden immer mehr neue Programme wie Fiori international in virtuellen, sehr kreativen Teams entwickelt. Das größte Entwicklungslab ist immer noch am SAP-Konzernsitz in Walldorf, das zweitgrößte in Indien, gefolgt von Palo Alto und Shanghai. Und dann kommen die vielen anderen, darunter demnächst auch ein neues in der Türkei.

Vor einem Jahr haben Sie auf einer Mitarbeiterversammlung in Palo Alto deutliche Worte gegen die Vermögensteuer gefunden. Hat sich Ihre Meinung geändert?

Das ist mein Lieblingsthema. Mit der Strategie des Grünen-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin oder seines SPD-Kollegen Peer Steinbrück kriegen wir hier keine Voraussetzungen für unternehmerischen Erfolg wie in den USA. Die rot-grünen Pläne zur Besteuerung von Betriebsvermögen würden genau das Gegenteil bewirken. Was würden Facebook-Aktionäre wohl sagen, wenn sie 1,5 Milliarden Dollar im Jahr zahlen sollten, um weiter Facebook-Aktien halten zu können. Oder wie soll ich mich verhalten, wenn ich künftig alle viereinhalb Jahre zehn Prozent meiner Anteile an SAP, also am Produktivvermögen, durch Besteuerung verlieren würde? Und für die neue deutsche Startup-Szene wäre es fatal.

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