Aber eigentlich ist Apple ein konservatives Unternehmen, was bei rund einer Milliarde aktiver iPhones und nervösen Aktionären auch gar nicht anders sein kann.
Für die Klientel, die die Home-Taste nicht missen wollen, Horror vor der Entriegelung des Gerätes per Gesichtserkennung haben oder nicht bereit sind, mehr als 1000 Dollar für ein Telefon auszugeben, wird deshalb die bisherige Generation im Programm gehalten. Ergänzt mit dem iPhone 8 – wie seit Jahren bewährt – ein leistungsstärkeres und verbessertes Modell, das ein Drittel billiger als das neue Flaggschiff ist.
Aber lässt sich der Widerspruch lösen, dass es nicht die „Zukunft des Smartphones“ widerspiegelt? Wer investiert immerhin 799 Euro in die Vergangenheit?
Ganz einfach – Apple bietet das iPhone 8 fünf Wochen früher als das neue Flaggschiff iPhone X an. Das gibt den Medien genügend Zeit, die Unterschiede zwischen dem iPhone 8 und iPhone X erschöpfend zu debattieren. Um zum Schluss zu kommen, dass das iPhone 8 eigentlich ein viel besserer Wert sei, wenn man auf das Oled-Display verzichten könne oder sich vor der Gesichtserkennung grusele. Die ohnehin nicht praktikabel ist, wie das bis dahin endlos durchgenudelte Video von Software-Chef Craig Federighi beweist, dessen Konterfei ausgerechnet bei der Weltpremiere der iPhone X Gesichtsentriegelung nicht erkannt wurde.
Dann hält man bei der Premiere die Verfügbarkeit des iPhone X gering und sorgt für Schlangen vor den Apple-Geschäften beziehungsweise „Begegnungszentren“ wie Apple-Store-Chefin Angela Ahrendts sie neuerdings nennt.
Das sollte kein Problem sein, bei der großen Schar von Apple-Anhängern, die stets das Neueste besitzen müssen sowie Statusbewussten und Spekulanten. Wer dann nicht frustriert monatelang auf das iPhone X warten will, wählt zwangsläufig einen der Leasing-Pläne von Apple oder kooperierenden Mobiltelefongesellschaften, die gegen monatlichen Obolus jedes Jahr ein neues Gerät offerieren.
Im Herbst 2018 offeriert man dann für alle konservativen Kunden ein iPhone 8 mit Oled-Display. Und ein X Phone Plus mit Home Taste unter dem Display, weil man deren Integration und zuverlässige Funktion bis dahin endlich hinbekommen hat.
Voilà - der nächste Zyklus ist gezündet. Nach Software nun auch Hardware im Abo und damit regelmäßig wiederkehrende Umsätze, die Zukunft von Apple ist gesichert.
Und damit das Salz in der Suppe für die nächste Dekade. „Steve wäre stolz gewesen“, behauptete Apple-Chef Cook bei der Premiere des iPhone X. Obwohl dieser ihm auf dem Totenbett geraten hatte, niemals Entscheidungen darauf abzuklopfen, ob der legendäre Apple-Mitgründer sie gemocht hätte.
Aber Cook hat Recht. Jobs hatte nicht nur ein Faible für minimalistisches Design. Er liebte cleveres Marketing ebenso wie ein prosperierendes Apple.