Kachelmanns Schadensersatz-Klage Wie viel muss Springer dem Wetterexperten zahlen?

Wettermoderator Jörg Kachelmann wurde vor fünf Jahren vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Nun entscheidet das Oberlandesgericht Köln, wie viel Schadensersatz ihm das Medienhaus Axel Springer zahlen muss.

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Der Wetterexperte erhält 395.000 Euro. Quelle: dpa

Düsseldorf Wie viel ist zu viel? Für Schweizer Wetterexperte Jörg Kachelmann ist klar: Bei der Berichterstattung über einen Prozess, indem ihm Vergewaltigung vorgeworfen worden war, haben es einige Blätter des Medienhauses Axel Springer deutlich übertrieben. Kachelmann wehrte sich, der Fall landete vor dem Landgericht Köln, und am Ende, genauer gesagt im September 2015, stand die höchste Schadensersatzsumme im Raum, die in solch einem Prozess je einem Kläger zugestanden wurde: 650.000 Euro. Kachelmanns Anwalt Ralf Höcker war derart berauscht von seinem Erfolg, dass er daraufhin twitterte: „Mit Zinsen und Schadensersatz bekommt Kachelmann sogar 800.000 Euro von Springer und Bild.“ 

Wie viel von der Euphorie des Anwalts übrig bleibt, wenn das Oberlandesgericht Köln am heutigen Dienstag sein Urteil im Revisionsverfahren verkündet, bleibt abzuwarten. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass das Urteil der ersten Instanz deutlich zurecht gestutzt wird und sich der Schadensersatz dann nur noch auf eine Summe zwischen 395.000 und 415.000 Euro belaufen wird.

Der Prozess ist längst zum Schauplatz einer Diskussion über die Rolle der Mediengesellschaft geworden. Kachelmanns Anwalt Höcker will mit dem Verfahren eine präventive Wirkung herbeistreiten. Der Jurist bezeichnete die vom Gericht angedachte Entschädigungssumme als zu niedrig. „Das sind Beträge, über die die Beklagte lacht“, sagte Höcker. Die Entschädigung müsse dem Springer-Konzern wehtun. „Objektiv war diese Berichterstattung darauf angelegt, Herrn Kachelmann zu zerstören.“ Der Springer-Anwalt Jan Hegemann wiederum warf Höcker vor, er wolle die Presse „auf ein amtliches Verlautbarungsorgan reduzieren“ und Journalisten nur offizielle Pressemitteilungen auswerten lassen.

Um zu verstehen, warum man schon wieder vor Gericht steht, muss man die Vorgeschichte kennen: Der Wettermoderator Kachelmann war 2011 in einem spektakulären Gerichtsprozess vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden. Eine Ex-Geliebte hatte ihn damals angezeigt. Die Öffentlichkeit war einigermaßen erschüttert: Der freundliche Wetterfrosch, der so liebenswert Werbung für den Trinkjogurt Actimel macht, dabei mit schnupfender Nase über das Wetter schimpft, sympathisch, und dann so eine schmutzige Geschichte?

Kachelmann gewann nicht nur den eigentlichen Vergewaltigungsprozess im Jahr 2011, sondern auch den Prozess um die Schadensersatzklage im September 2015. Das Landgericht Köln befand, Kachelmann sei „durch die Preisgabe von Informationen über sein Sexualleben, durch die teilweise wörtliche Veröffentlichung seines SMS- und E-Mail-Verkehrs und durch die Veröffentlichung von Fotos, die ihn zum Beispiel beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt zeigten, in seiner Intimsphäre, seinem informellen Selbstbestimmungsrecht und seinem Recht am eigenen Bild verletzt worden“. Wo das Informationsinteresse der Allgemeinheit liegen solle, war dem Gericht dagegen schleierhaft. Stattdessen schrieb es von „unzulässigen Vorverurteilungen Kachelmanns“. Durch die Berichterstattung werde Kachelmann auch in Zukunft als „frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch“ stigmatisiert.

Stigmatisierung hin oder her – Kachelmann prognostizierte sich derweil zurück ins Wettergeschäft. Er verließ zwar 2013 das Wetterprognose-Unternehmen Meteomedia, das er 1990 gegründet hatte. Doch der 57-Jährige blieb seinem Thema treu: Sein neues Unternehmen ist ein Wetterkanal im Internet, zu finden unter kachelmannwetter.com. In einem Interview mit der „Neuen Württembergischen Zeitung“ sagte er im Februar 2016 offenherzig: „Ich kann Wetter vorhersagen und das war's dann auch.“

Das Medienhaus Axel Springer ist übrigens nicht der einzige Beklagte in Sachen Schadensersatz: Kachelmann klagte außerdem gegen seine ehemalige Geliebte. Er wolle die Kosten in Höhe von rund 13.000 Euro erstattet haben, die für Gutachter im Prozess angefallen waren. Das Landgericht Frankfurt wies die Klage ab. Nun entscheidet das Oberlandesgericht, ob es der Klage stattgeben wird.

In einer weiteren Klage gegen seine ehemalige Gefährtin zog Kachelmann indes bereits den Kürzeren: Das Bundesverfassungsgericht entschied im Frühjahr 2016, die Ex-Geliebte dürfe ihre Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Wettermoderator auch nach dessen Freispruch öffentlich bekräftigen.

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