Karriere-Netzwerk Xing Keine Angst vor Facebook

Die Geschäfte von Xing laufen gut: Das Mitgliederwachstum ist auf Rekordhoch, bei Umsatz und Gewinn verzeichnet das Karriere-Netzwerk deutliche Zuwächse. Nun könnten sich auch die Aktionäre der Burda-Tochter freuen.

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„E-Recruiting ist für uns ein wichtiger strategische Wachstumstreiber.“ Quelle: picture alliance/dpa

Düsseldorf Wenn Thomas Vollmoeller auf das Jahr 2016 zurückblickt, dann ist er zufrieden: „Wir haben im Jahr 2013 das Ziel ausgegeben, unsere Umsätze von 2012 bis 2016 zu verdoppeln – und haben geliefert“, kommentiert der Xing-Chef die vorläufigen Geschäftszahlen. Und tatsächlich: In der Bilanz stehen deutliche Zuwächse bei Umsatz und Gewinn, der Mitgliederzuwachs ist auf einem Rekordhoch. Doch wird das reichen? Dem deutschen Vorzeigekonzern droht Konkurrenz von ungewohnter Stelle.

1,8 Millionen neue Nutzer konnte das Karriere-Netzwerk im vergangenen Jahr verbuchen – so viel Zuwachs war noch nie. Die Tochter des Medienkonzerns Burda verfügt damit über eine Gesamtzahl von fast 12 Millionen registrierten Nutzern. Davon zahlen 929.000 für die Premium-Mitgliedschaft. Diese kostenpflichtigen Dienste haben einen maßgeblichen Anteil am Umsatzplus von 21 Prozent auf 148,5 Millionen Euro. Als Wachstumstreiber nennt der Konzern den Bereich E-Recruiting. Der Umsatz mit dieser Sparte stieg 2016 um ein Drittel an. Unter dem Strich blieb ein Überschuss von 23,6 Millionen Euro, gut ein Drittel mehr als im Vorjahr.

Noch sind vor allem die kostenpflichtigen Mitgliedschaften die wichtigste Erlösbringer. Doch das könnte sich ändern: Den Bereich E-Recruiting hatte Xing in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Das Karriere-Netzwerk erhält dabei von personalsuchenden Unternehmen Geld für verschiedene Dienstleistungen. Investiert hatte der Konzern in dieser Sparte zum Beispiel durch einen Zukauf: Im April 2016 übernahmen die Hamburger das Schweizer Start-up Buddy Broker, das die Suchtechnologie Eqipia entwickelt hat.

Mit der Suchtechnik können Unternehmen recherchieren, ob ihre eigenen Mitarbeiter bei Xing Kontakte haben, die auf offene Stellen passen. Findet sich ein entsprechender Kontakt, schlägt die Software automatisch vor, den Bekannten, Kollegen oder Freund auf die Ausschreibung hinzuweisen. Unternehmen bezahlen für die Nutzung der Software eine monatliche Gebühr.

Man sei das erste berufliche Netzwerk, das ein eigenes Empfehlungsprogramm herausbrächte, kommentierte Chef Vollmoeller den Zukauf damals. Der Markt sei noch im Entstehen. Der Kaufpreis enthielt daher auch eine Erfolgskomponente: Mit dem Erreichen gewisser Ziele sollte er von 2,9 auf 4,4 Millionen Euro steigen. Nun zeigt sich: Es hat sich gelohnt. Eqipia habe man im April vergangenen Jahres übernommen, im Sommer implementiert und ab der Branchenmesse Zukunft Personal im Oktober 2016 vermarktet, sagt Thomas Vollmoeller im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Die Resonanz unserer Geschäftskunden ist durchweg positiv, das Produkt wird sehr gut angenommen.“

„E-Recruiting ist für uns ein wichtiger strategischer Wachstumstreiber“, sagt Vollmoeller. Für den Herbst plant der Konzern ein neues Produkt für Unternehmenskunden. Was das genau beinhalten wird, will der Konzern noch nicht kommentieren: „Erste Tests mit ausgewählten Kunden zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind – und darüber hinaus haben wir auch noch weitere Pfeile im Köcher“, sagt Vollmoeller.


Wo Konkurrenz drohen könnte

Doch bei aller Freude über die gute Zahlen: Dem Karrierenetzwerk könnte mit Facebook schon bald eine starke Konkurrenz erwachsen. In den USA und Kanada testet das soziale Netzwerk die Zusatzfunktion „Jobs on Facebook“, bei dem Unternehmen gezielt auf Personalsuche gehen und sich Bewerber direkt über die Plattform bei potentiellen Arbeitgebern bewerben können. Chef Mark Zuckerberg feilt weiter an seinem „Rundum-sorglos-Paket“, bei dem Nutzer seine Plattform für immer weitere Bedürfnisse nutzen können.

Xing-Chef Vollmoeller betont die Unterschiede: „Natürlich schauen wir genau hin, schließlich ist Facebook ein B2C-Anbieter. Allerdings wissen wir, dass Facebook beim Thema Beruf insbesondere im Blue-Collar-Markt funktioniert, also da, wo klassische Lebensläufe eher eine untergeordnete Rolle spielen.“ Xing bewegt sich vorwiegend in einem anderen Markt, so Vollmoeller: „Außerdem ist fraglich, ob Menschen dieselbe Online-Identität für Urlaubsbilder, Partyfotos und berufliche Dinge nutzen wollen.“

Auch den direkten Konkurrenten LinkedIn beurteilt Vollmoeller gelassen. Nach der Übernahme durch den Tech-Riesen Microsoft sagte Vollmoeller: „Für uns ist das aber auch eine gute Nachricht, weil sich ein Hauptwettbewerber in eine andere Richtung bewegt als wir.“ So sieht Vollmoeller es auch heute noch: „Natürlich ist Microsoft ein Riese. Aber der ist klar als B2B-Marke positioniert, entsprechend hat das Unternehmen angekündigt, seinen Firmenkunden durch die Übernahme künftig ‚Social Selling‘ zu ermöglichen.“ Am Ende könnte das gekaufte Netzwerk dann hauptsächlich ein Adressbuch für Selling-Aktivitäten sein, meint Vollmoeller: „Und davon unterscheiden wir uns natürlich völlig.“

Grund zur Freude haben auch die Aktionäre: Auf Basis der noch nicht testierten Geschäftszahlen hat der Gesamtvorstand eine Anhebung der Regeldividende um 33 Prozent von 1,03 auf 1,37 Euro je Aktie vorgeschlagen. Zusätzlich soll der Aufsichtsrat noch einer zusätzlichen Sonderdividende von 1,60 Euro pro Aktie zustimmen. Insgesamt betrüge die Gesamtausschüttung an die Aktionäre dann rund 16,7 Millionen Euro. Xing verfügt über 83 Millionen Euro an liquiden Eigenmitteln, teilte das Unternehmen mit.

Das neue Jahr bereitete Xing indes nicht nur positive Schlagzeilen. Nach einer Kontroverse über in seinem Blog veröffentlichte Thesen verabschiedete sich Roland Tichy als Herausgeber von Xing Klartext. Vorausgegangen war eine Kontroverse in den sozialen Netzwerken. Zahlreiche Nutzer hatten angekündigt, ihre Konten bei dem Netzwerk kündigen zu wollen. Nur ein Sturm im Wasserglas? Es sei ein bewegtes Wochenende gewesen, sagt Xing-Sprecher Marc-Sven Kopka. „Danach hat Herr Tichy entschieden, der Redaktion und Xing zuliebe seine Herausgebertätigkeit aufzugeben.“ Er habe einen ausgezeichneten Job für das Unternehmen gemacht, betont Kopka. Auswirkungen auf das Unternehmen habe es nicht gehabt: „Einen negativen Effekt auf unsere Nutzerzahlen hat es nicht gegeben.“

Xing Klartext ist das Content-Format des Unternehmens: 700 Autoren, darunter Justizminister Heiko Maas oder Post-Chef Frank Appel, hätte man für die Plattform gewinnen können. Mehr als sechs Millionen Views und durchschnittlich 200 Kommentare pro Beitrag zählte das Unternehmen 2016. Ein Nachfolger für Ex-Herausgeber Roland Tichy ist derzeit nicht geplant.

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