Karrierenetze Wie sich Xing gegen Facebook und LinkedIn behauptet

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Innovation ist nicht planbar

Xing hingegen erlöst weniger als zehn Prozent seines Umsatzes mit Anzeigen – etwa im Stellenmarkt. Die Angebote aber, die beispielsweise Schatzmann mit seinem Team entwickelt, verkauft er an Unternehmen. Und dann gibt es sogar Sparten, die gar nicht dazu gedacht sind, Geld in die Kasse zu spülen. So wie die im Jahr 2015 aufgebaute Abteilung News: Eine eigene Redaktion stellt die wichtigsten Nachrichten für 30 Branchen zusammen, postet sie auf der Plattform, verschickt zudem jeden Morgen fünf Millionen Newsletter per Mail. „Nach Facebook sind wir heute der zweitgrößte Dienst, der wirtschaftsrelevante Nachrichten in Deutschland verteilt“, sagt Vollmoeller. Das sorgt dafür, dass sich die Xing-Mitglieder länger auf der Plattform tummeln – was wiederum ein wichtiges Verkaufsargument für Stellenanzeigen ist.

Marktanteile von Social Media-Plattformen nach Seitenabrufen

Es gehört zu den Besonderheiten von Innovation, dass sie sich eben nicht planen lässt. Man könnte auch sagen: Es braucht auch ein Quantum Glück. Und für Xing liegt dieses Glück zweifelsohne darin, dass die hiesige Wirtschaft boomt und dringend gute Leute sucht.

„Dem deutschen Arbeitsmarkt fehlt rund eine Million Fachkräfte“, sagt Schatzmann. „Post and Pray – also eine klassische Stellenanzeige zu schalten und dann zu hoffen, dass sich ein Kandidat meldet –, das funktioniert nicht mehr.“ Heute sei es vielmehr so, dass ein neuer Job zu einem möglichen Kandidaten komme, ohne dass jener dafür etwas tun müsse. Das Netzwerk mit seinen 13 Millionen Mitgliedern bildet die Basis für die Bewerbersuche: Mit immer ausgeklügelteren Analysen ermöglicht Xing es Firmen, diejenigen zu identifizieren, die mit einem Wechsel liebäugeln. Wenn dann ein Profil genau zu einem neuen Stellenangebot passt, wird dieses direkt an das Mitglied ausgespielt.

Schatzmann nutzt gewissermaßen das Quantum Glück: In den ersten neun Monaten dieses Jahres war die E-Recruiting-Sparte mit einem Umsatzplus von satten 41 Prozent auf 55 Millionen Euro das am stärksten wachsende Segment des Unternehmens. In nicht allzu ferner Zukunft dürfte jene Sparte das Geschäft mit Premiummitgliedschaften und anderen Bezahlangeboten für Einzelnutzer überflügeln, das mit Erlösen von 65 Millionen Euro noch das größte Unternehmenssegment ist.

Fruchtbares Biotop

Hat Xing vielleicht nur Glück gehabt? Läuft das Geschäft nur so lange gut, bis der Markt ausgeschöpft ist? Firmenchef Vollmoeller glaubt eher, dass die internationale Ausrichtung des Rivalen LinkedIn nicht entscheidend ist: „Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz sind mit rund 100 Millionen Menschen der größte Wirtschaftsraum in Europa“, sagt er. „Da hilft ein englisches oder französisches Adressbuch nur begrenzt weiter.“ Zwar legten gerade jüngere Menschen in Deutschland immer mehr internationale Zwischenstationen in ihrer Schul- und Universitätslaufbahn ein – und deshalb auch ein Konto beim US-Rivalen LinkedIn an. „Dies aber meist zusätzlich zu dem Konto bei uns.“ Ein Drittel aller Xing-Mitglieder, so schätzt er, hat ein Profil in beiden Businessnetzwerken.

Vollmoeller setzt deshalb weiter auf kleine Einheiten statt auf Größenwahn: Das Unternehmen will die Nische nutzen, in der es bisher immer neue Ideen zu erobern gab.

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