Korruptionsvorwürfe gegen Softwarekonzern Das Südafrika-Problem von SAP

SAP steht wegen Korruptionsvorwürfen in Südafrika unter Druck. Im Zentrum der Affäre stehen Präsident Jacob Zuma und ein einflussreicher Clan. Wie besorgt die Walldorfer sind, zeigt die Reaktion einer SAP-Managerin.

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Der Konzern nimmt die Vorwürfe nach eigener Aussage sehr ernst. Quelle: dpa

Kapstadt, Düsseldorf Korruption ist in Südafrika zum Alltag geworden und hat viele Menschen abgestumpft. Und doch erschüttern die Nachrichten, die derzeit an die Öffentlichkeit gelangen, das Land. Die indisch-stämmige Familie Gupta pflegt ein enges Verhältnis zu Staatschef Jacob Zuma und dessen weitverzweigter Verwandtschaft – und das beschert ihr nicht nur lukrative Staatsaufträge, sondern auch enormen Einfluss auf staatliche Institutionen. Das zeigen tausende E-Mails, die kürzlich an die Öffentlichkeit gelangt und als „Gupta Leaks“ bekannt geworden sind. Der Staat am Kap ist im Griff einer schamlosen Elite.

Auch der deutsche Softwarehersteller SAP hat dazu womöglich einen Teil beigetragen: Er soll sich nach einem Medienbericht mit Hilfe der politisch bestens vernetzten Familie Aufträge des Logistikdienstleisters Transnet und anderer staatlicher Firmen verschafft haben. Das schreibt die investigative Journalistengruppe Ama Bhungane. Demnach zahlte der Dax-Konzern einer Firma, die mit der Familie in Verbindung steht, eine ungewöhnlich hohe Vermittlungsgebühr. Dies deute darauf hin, dass er den Einfluss der Guptas nutzen wollte, so die Autoren.

SAP äußerte sich am Donnerstag nicht konkret zu den Vorwürfen, hat aber nach eigenen Angaben eine unabhängige Rechtsanwaltskanzlei mit der Untersuchung der Geschäftspraktiken beauftragt und vier Mitglieder des Führungsteams in Südafrika vorläufig beurlaubt. Zudem läuft eine interne Überprüfung.

Die Firma nehme die Vorwürfe sehr ernst, sagte SAP-Vorstand Adaire Fox-Martin in einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. Bei Verstößen gegen die Compliance, also gute Unternehmensführung, gelte „null Toleranz“. Die Irin ist für den Vertrieb in Europa, dem Nahen Osten und Afrika sowie der Region China verantwortlich.

SAP schloss dem Bericht der Journalistengruppe zufolge im August 2015 einen Vertrag mit der kleinen Firma CAD House, die einem Sohn von Präsident Zuma gehört und eng mit den Guptas verbunden ist. Sie sollte eine zehnprozentige Kommission erhalten, wenn der Softwarekonzern einen lukrativen Vertrag mit Transnet landet. Tatsächlich bekam SAP einen Auftrag in Höhe von einer Milliarde Rand, gut 66 Millionen Euro.

Die Journalistengruppe wirft dem Konzern vor, sich mit einer deutlich überhöhten Provision den Einfluss der Familie erkauft zu haben. SAP Südafrika bestritt das zunächst: CAD House habe die „nötigen Fähigkeiten“, um die Lösung zu positionieren und habe die Provision erhalten, wie das auch bei anderen Vertriebspartnern üblich sei.

Die Rechercheure von Ama Bhungane halten dem entgegen, dass die Firma sich bisher keinen Namen bei der Vermarktung von SAP-Software gemacht habe– sie ist auf die Vermarktung von 3D-Druckern spezialisiert. Zudem sei ein beträchtlicher Teil Provision innerhalb weniger Tage an Firmen des Gupta-Konzerns weitergeleitet worden. Das Handelsblatt hat die Vorwürfe nicht unabhängig überprüfen können.

Zunächst beschäftigte sich das Compliance-Team in Südafrika mit dem Vorfall – aber offenbar nicht zur Zufriedenheit des Vorstands. Daher reist Fox-Martin mit einem Team aus der Konzernzentrale nun dorthin, um die Vorwürfe aufzuklären. „Sollten diese Anschuldigungen wahr sein, werden wir darauf reagieren“, versprach sie. SAP habe bereits starke Mechanismen zur Verhinderung von Verstößen gegen interne Regeln, erklärte sie. Aber falls Anpassungen nötig seien, werde man diese vornehmen.


Affäre könnte SAP auch in den USA Ärger einbrocken

Der Fall könnte für SAP über Südafrika hinaus Folgen haben: Der deutsche Konzern ist nicht nur in Frankfurt, sondern auch in New Yorker gelistet und muss damit die Regelungen der Börsenaufsicht SEC einhalten – diese bestraft auch Korruption außerhalb der USA. Erst im vergangenen Jahr zahlte der Softwarehersteller wegen eines Verstoßes gegen Korruptionsregeln bei einem Geschäft in Panama 3,9 Millionen Dollar. Auf die Aufsichtsbehörde angesprochen, betonte Fox-Martin, dass SAP gerade deswegen auf eine schnelle und transparente Aufklärung setze.

Eigentlich hätte es SAP durch eine Reihe ähnlich gelagerter Korruptionsfälle in der Vergangenheit gewarnt sein  müssen. So hatte eine Tochter des japanischen Maschinenbaukonzerns Hitachi vor einigen Jahren eine Million Dollar an die Investmentsparte des in Südafrika regierenden ANC als eine Art „Erfolgsgebühr“ überwiesen, um den Zuschlag für Heizkessel in einem Kraftwerk zu erhalten. Später wurde das Unternehmen für diesen Bestechungsversuch in den USA zu einer Strafe von 19 Millionen Dollar verurteilt.

Auch die amerikanische Unternehmensberatung McKinsey war kürzlich beim Betrug in Südafrika ertappt worden, reagierte aber auf die Vorwürfe umgehend mit einer internen Untersuchung. Das Muster war ganz ähnlich wie jetzt angeblich bei SAP: Durch die Zusammenarbeit mit der Gupta-nahen Firma Trillian sicherte sich McKinsey lukrative Beraterverträge bei den vielen angeschlagenen Staatsfirmen am Kap. Trillian bekam dafür einen Anteil von 30 Prozent an den Einnahmen, die nach Angaben einer Untersuchungskommission aber nie mit irgendeiner geleisteten Arbeit in Zusammenhang standen. Wie bei SAP wurde die amerikanische Mutter erst aktiv als in den Medien Gerüchte über die Verfehlungen ihrer Südafrika-Tochter hochkochten.

Fast jeden Tag kommt am Kap derzeit solch neuer Dreck ans Tageslicht. Präsident Zuma sei im Zusammenspiel mit den Guptas dabei, sämtliche von Nelson Mandela erkämpften Errungenschaften wie die Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß oder den Respekt vor der vorbildlichen Verfassung des Landes in Rekordzeit zu ruinieren, schimpft der Johannesburger Kolumnist Justice Malala.

Die Folge der chaotischen Politik ist ein Aufflammen neuer Spannungen zwischen Schwarz und Weiß und gleichzeitig eine Wirtschaft, die sich seit der von Südafrika ausgerichteten Fußball WM im Jahr 2010 in einem steten Sinkflug befindet. Kein Wunder, dass das Vertrauen der Geschäftswelt inzwischen auf seinen tiefsten Stand seit dem Ende der Apartheid vor über 20 Jahren gefallen ist.

Dass Zuma trotz immer neuer, oft ungeheuerlicher Vorwürfe weiter im Amt ist, liegt an seiner Klientelpolitik und einer offenbar handlungsunfähigen Regierungspartei. Unter ihm ist Südafrikas zu einem gigantischen Selbstbedienungsladen des regierenden ANC geworden.

Nicht einmal der Ausbau von Zumas Privatresidenz zum Palast in dem Zuludorf Nkandla, der fast 250 Mill. Rand (damals fast 20 Mill. Euro) verschlang, brachte den Staatschef ins Wanken. Als ihm das höchste Gericht vor einem Jahr bescheinigte, im Zuge des Skandals die Verfassung gebrochen zu haben, ignorierte er den Schuldspruch einfach und machte weiter, als sei nichts geschehen.

Doch mit den Gupta Leaks scheint der Wind nun zu drehen: Erst am Mittwoch hatte Vizepräsident Cyril Ramaphosa, Zumas Gegenspieler im Kampf um dessen Nachfolge, sich öffentlich distanziert. Er wolle nicht länger schweigen, sondern darauf drängen, dass die vorgebrachen Vorwürfe untersucht würden – zumal die Beweislage recht eindeutig erscheine. Sollte Ramaphosa seine Drohung diesmal wahr machen, könnten nicht nur die Tage des Präsidenten sondern auch die der Guptas womöglich gezählt sein.

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