Es gibt Bilder, die sagen mehr als 1000 Worte. Da lädt Jochen Homann, der mächtige Präsident der Bundesnetzagentur, die gesamte Mobilfunkbranche am 9. Januar kurzfristig zu einer Anhörung in die Bonner Zentrale ein. Mit allen Interessenten diskutiert er drei Stunden lang die Regularien und den genauen Ablauf für die im Frühsommer geplante Auktion von Mobilfunkfrequenzen. Doch schon die Sitzordnung im voll besetzten Saal 0.10 verrät, welche Lobbyisten derzeit einen besonders guten Draht zum Präsidenten haben.
Ganz vorne, nur zwei Meter vom Präsidententisch entfernt, sitzt das an diesem Tag sehr zufriedene Establishment – die Vertreter von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica. Gemeinsam kämpften sie im vergangenen Jahr dafür, dass die Fusion von Telefónica und E-Plus den Segen der Wettbewerbshüter findet und sich auf dem Mobilfunkmarkt in Deutschland nur noch drei etwa gleichstarke Netzbetreiber gegenüberstehen. Nur zu gern würden sie auch bei der Mobilfunkauktion unter sich bleiben und das gerade entstandene Oligopol für die nächsten 20 Jahre konservieren.
Zahlen und Fakten zum Mobilfunk-Markt
Smartphones wurden im vergangenen Jahr weltweit verkauft. Bei den genauen Zahlen gehen die großen IT-Marktforscher etwas auseinander: IDC kam auf etwa 1,001 Milliarden Computer-Handys und Gartner auf knapp 968 Millionen. Die Differenz geht vor allem auf unterschiedliche Schätzungen zum Absatz von Geräten mit dem Google-Betriebssystem Android zurück.
beträgt der Anteil der Smartphones in Deutschland, schätzt der Branchenverband Bitkom. Am Umsatz mit Handy-Verkäufen dürften die Smartphones in Deutschland sogar 97 Prozent ausmachen.
betrug der laut Marktforschern der Anteil der Software Android weltweit. Damit ist die Google-Software ist mit Abstand das meistverkaufte Smartphone-System.
Smartphones hat Samsung laut Gartner im vergangenen Jahr verkauft. Damit setzt der südkoreanische Konzern weltweit die meisten Computer-Handys ab. Samsung hält einen Marktanteil von 31 Prozent.
Smartphones verkaufte hingegen Apple, die Nummer zwei im Geschäft. Damit kommt der kalifornische Konzern auf einen Marktanteil von gut 15 Prozent. Da die iPhones aber deutlich teurer sind als die durchschnittlichen Telefone der Konkurrenz, bringen sie höhere Gewinne. Experten schätzen, dass ein Löwenanteil der Hersteller-Profite bei Apple landet.
Marktanteil hält Microsofts Windows Phone neben der Dominanz von Android und Apples iOS. Smartphone-Pionier Blackberry rutschte auf nur noch 0,6 Prozent ab, wie IDC ermittelte.
Ganz weit hinten, am äußersten Rand der U-förmig angelegten Tischrunde, dürfen die beiden Neueinsteiger Platz nehmen. Wie Außenseiter werden die Vertreter der bisher weitgehend unbekannten Unternehmen Liquid Broadband aus Frankfurt und Airdata aus Leinfelden bei Stuttgart behandelt. Sie wollen das Oligopol der drei Großen aufbrechen und mit einer neuen Übertragungstechnik jeder für sich ein viel preiswerteres viertes Mobilfunknetz aufbauen.
Neueinsteiger sind Störenfriede
Qua Amt müsste Homann eigentlich der Vorkämpfer für mehr Wettbewerb sein und den Neulingen den roten Teppich ausrollen. Doch schnell wird Beobachtern der Anhörung klar, wer die Störenfriede in diesem erlesenen Kreis sind: die Neueinsteiger. Offiziell verkündet die Bundesnetzagentur zwar, dass „noch nichts entschieden ist“. Aber der weitere Verlauf der Anhörung zeigt: Am Entwurf der Vergaberegeln – der von den Newcomern als für sie nachteilig kritisiert wird – sind allenfalls noch marginale Korrekturen möglich. Bundesregierung und EU-Kommission wollen nicht mehr kleine Discounter, sondern als Gegengewicht zu den Giganten in den USA starke heimische Champions schaffen. Da passt sich offenbar auch die Bundesnetzagentur der politischen Großwetterlage an.
„Die Vergaberegeln sind ganz auf die Interessen der derzeitigen Mobilfunkunternehmen zugeschnitten“, schimpft Rechtsanwalt Holger Neumann von der Kanzlei Jones Day in Frankfurt, die Liquid Broadband vertritt. "Die Förderung des Wettbewerbs spielt überhaupt keine Rolle mehr."
Die Bundesnetzagentur drückt aufs Tempo. Bereits am kommenden Montag soll der aus Vertretern des Bundestages und der Landesregierungen zusammengesetzte Beirat der Bundesnetzagentur grünes Licht für die Mobilfunkauktion geben. Wenige Tage später will Homann die Präsidentenkammer einberufen und seine endgültige Entscheidung zu den Regularien verkünden. Denn noch vor den Sommerferien sollen die für den Mobilfunk besonders wertvollen Frequenzbänder im Bereich 700, 900 und 1800 Megahertz unter dem Hammer kommen.
Die beiden Newcomer befürchten, dass dabei der Wettbewerb auf der Strecke bleibt. Viele Anzeichen deuten auf einen Richtungswechsel in der Regulierungspolitik hin. Die Bundesnetzagentur werde den Mobilfunkmarkt so stark abschotten, das die drei Mobilfunkriesen alle Frequenzen unter sich aufteilten, so die Befürchtung.
Protestbrief an Sigmar Gabriel
Die Geschäftsführerin von Liquid Broadband, Beate Rickert, ist derart enttäuscht von den Gesprächen mit der Bundesnetzagentur, dass sie jetzt Homanns obersten Dienstherrn, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), um Hilfe bittet.
„Das Auktionsdesign ist so ausgestaltet, dass es Neueinsteigern faktisch den Markteintritt verwehrt“, kritisiert Rickert in einem Schreiben an Gabriel, das der WirtschaftsWoche vorliegt. Durch höhere Gebote könnten die drei etablierten Mobilfunkbetreiber „jeden nicht so finanzstarken Neueinsteiger aus dem Markt halten“.
Das Telekommunikationsgesetz schreibe bei Auktionen aber ausdrücklich vor, die Belange mittelständischer Neueinsteiger zu berücksichtigen und einen Teil des Frequenzspektrums für sie zu reservieren. Die Managerin beruft sich auf Paragraf 61 des Telekommunikationsgesetzes. Der schreibt nicht nur „diskriminierungsfreie Regeln“ bei Versteigerungen vor, sondern verpflichtet die Bundesnetzagentur auch, „die Belange kleinerer und mittlerer Unternehmen“ zu berücksichtigen.
Die zehn umsatzstärksten Telekomkonzerne der Welt
AT&T (USA)
Der US-amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T Inc. war aufgrund seiner Monopolstellung in den USA und Kanada lange Zeit die größte Telefongesellschaft und Kabelfernsehbetreiber der Welt.
Umsatz: 100 Mrd. Dollar
Umsatz 2014, Werte gerundet; Quelle: Bloomberg
Verizon (USA)
Das US-amerikanisches Telekommunikationsunternehmen Verizon Communications mit Hauptsitz in New York landet mit 96 Milliarden Dollar Umsatz im Geschäftsjahr 2014 auf Platz 2.
Umsatz: 96 Mrd. Dollar
NTT (Japan)
Die Nippon Telegraph and Telefone Corporation (NTT) ist in Japan der Marktführer unter den Telekommunikationsunternehmen. Mit 81 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2014 ist das Unternehmen der drittumsatzstärkste Telekommunikationskonzern der Welt.
Umsatz: 81 Mrd. Dollar
China Mobile (China)
Nach Kundenzahl ist China Mobile Ltd. ist mit mehr als 815 Millionen Kunden (Stand: erstes Quartal 2015, eigene Angaben) der weltweit größte Mobilfunkanbieter der Welt. Im Geschäftsjahr 2014 erwirtschaftete das chinesische Unternehmen rund 79 Milliarden Dollar und landet damit auf Platz 4.
Umsatz: 79 Mrd. Dollar
Deutsche Telekom (Deutschland)
Die Deutsche Telekom AG ist eines der größten europäischen Telekommunikationsunternehmen. Mit über 150,5 Millionen Kunden (Stand: 2014, eigene Angaben) ist der Mobilfunk der größte Unternehmensbereich. Außerhalb Deutschlands bietet der Konzern Mobilfunkdienste in den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Tschechien, Ungarn, der Slowakei, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Griechenland, Rumänien und Polen an.
Umsatz: 63 Mrd. Dollar
Telefónica (Spanien)
Das global agierende Telekommunikationsunternehmen Telefónica S.A. ist vorwiegend in Europa und Lateinamerika tätig, wo der Konzern vorwiegend unter der Marke Movistar auftritt. In Europa (außerhalb Spaniens) agiert Telefónica vor allem als O2. Auf dem spanischen Heimatmarkt und in Lateinamerika ist der Konzern Marktführer.
Umsatz: 50 Mrd. Dollar
Softbank
Die Softbank K.K. ist ein führender japanischer Telekommunikations- und Medienkonzern. Das Unternehmen ist vor allem im Bereich Telekommunikation tätig und verkauft damit einhergehend auch Mobilfunkgeräte und –Zubehör. Zum breiten Portfolio zählen aber auch die Entwicklung und Vermarktung von Online-Spielen, verschiedenen Internetdienstleistungen sowie Breitband-Technologien oder E-Commerce.
Umsatz: 50 Mrd. Euro
Vodafone (Großbritannien)
Die Vodafone Group (ein Akronym aus voice, data und fone) ist ein international agierendes, britisches Mobilfunkunternehmen mit Hauptsitz in Newbury (Berkshire). Der Konzern ist auf fast allen europäischen Märkten präsent und erzielte einen Umsatz von 45 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2014.
Umsatz: 45 Mrd. Dollar
América Móvil (Mexiko)
Das mexikanische Unternehmen mit Firmensitz in Mexiko-City ist mit 289 Millionen Kunden (Stand: viertes Quartal 2014, eigene Angaben) der größte Mobilfunkanbieter in Lateinamerika. Mit insgesamt 48 Milliarden Dollar Umsatz landet es weltweit auf Platz 8.
Umsatz: 48 Mrd. Dollar
China Telecom
China Telecom Corp. Ltd. war einst ein staatseigener Monopolbetrieb und ist heute der größte Telekommunikationsanbieter in China. Mit 40 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2014 landet die China Telecom auf Platz 10.
Umsatz: 40 Mrd. Euro
Da sich der Gesellschafterkreis von Liquid Broadband ausschließlich aus mittelständischen Unternehmen zusammensetzt, müsste solch ein Bewerber Vorzugskonditionen bei der Vergabe der Frequenzen eingeräumt bekommen, fordert Rickert. Der Argumentation schließt sich auch Airdata an. Doch die Behörde blockt solche Vorschläge bisher ab.
Noch umstrittener sind die vorgesehenen Mindestgebote, die die Bundesnetzagentur deutlich und nach Ansicht der Kritiker ohne nachvollziehbaren Grund in die Höhe schraubt. Bei der letzten Frequenzversteigerung vor fünf Jahren lag das Einstiegsgebot noch bei 2,5 Millionen Euro. Jetzt ruft die Bundesnetzagentur das 30-Fache – also 75 Millionen Euro – für den mindestens erforderlichen Frequenzblock von zwei Mal fünf Megahertz auf.
Zu hohe Mindestgebote
„Das ist rechtlich nicht haltbar“, klagt Airdata-Geschäftsführer Christian Irmler. Denn das Mindestgebot sollte sich an den Verwaltungskosten der Bundesnetzagentur orientieren. Und die könnten in den vergangenen Jahren nicht so exorbitant gestiegen sein. Airdata verweist auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2003. Die Richter hatten viel zu hohe von der Bundesnetzagentur angesetzte Gebühren für die Zuteilung von Rufnummernblöcken gekippt, weil sie – wie es wörtlich im Urteil heißt – „in einem groben Missverhältnis“ zu dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand standen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer, derzeit Vorsitzender des Beirats der Bundesnetzagentur, weist die Kritik zurück. Am kommenden Montag werde sich der Beirat noch einmal intensiv mit der geplanten Frequenzvergabe beschäftigen. Für Pfeiffer gibt es aber keinen Grund für Korrekturen. „Die höheren Mindestgebote für einen Frequenzblock spiegeln die aktuelle Knappheitssituation bei den Frequenzen wider“, sagt Pfeiffer auf Anfrage der WirtschaftsWoche. „Ich halte sie daher grundsätzlich für gerechtfertigt.“
Gleichwohl stehe es jedem Unternehmen frei, gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur zu klagen. „Dann werden wir ja sehen, wie gehaltvoll die Kritik der beiden Unternehmen ist.“