Künstliche Intelligenz ohne Futter Warum Salesforce dringend Twitter braucht

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Salesforce-Aktie unter Druck

Zu den Innovationen gehören Cloud-basierte Vorhersagetechniken wie „Predix“ von General Electric oder Microsofts „Cortana“, die die durch Datenanalyse und Wahrscheinlichkeitsrechnungen automatisch verhindern, dass es bei Maschinen ungeplante und teure Ausfälle gibt. Dazu gehört nun auch „Analytics Cloud Einstein“, eine Big Data-Anwendung mit der Salesforce bei Oracle, SAP oder Microsoft wildern will. Dazu kommt die Übernahme von Quip, einem Anbieter von Bürosoftware in der Cloud.

Schon beginnt die erst in der jüngeren Vergangenheit aufgebaute Freundschaft zu Microsofts Chef Satya Nadella, der der Stargast auf der Dreamforce im vergangenen Jahr war, doch irgendwie sauer zu werden. 2016 ließ sich jedenfalls kein einziger Offizieller aus Redmond in San Francisco sehen. Und Salesforce zieht mit seiner gesamten Cloud-Technologie zu Amazon um, nicht zu Azure. Eine bemerkenswerte Abkühlung, wenn man Gerüchten glaubt, dass vor nicht mal anderthalb Jahren Benioff und Nadella über einen Verkauf von Salesforce an Microsoft gesprochen haben sollen. Man sei sich nur nicht über den Preis einig geworden.

Die noch bis Freitag in San Francisco laufende Hausmesse Dreamforce mit 170.000 Teilnehmern zeigt nach außen hin also das Bild einer prosperierenden und innovativen Firma. Im Inneren zeigt sich jedoch das Bild eines starken Newcomers, der im Begriff ist, vom alten Giganten Microsoft zerrieben zu werden. Denn Daten und der Zugang zu ihnen bedeutet in der Branche nun mal alles.

Das würde auch das angeblich große Interesse von Benioff an Twitter erklären, nachdem er im Bieterstreit um Linked-In den Kürzeren gezogen hat. Nach Medieninformationen wird der Kurznachrichtendienst aus San Francisco bis zum Monatsende Übernahmeangebote mehrerer Unternehmen prüfen, darunter nach unbestätigten Gerüchten Schwergewichte wie Google und Walt Disney, aber auch Salesforce.

Twitter ist zwar nicht so präzise fokussiert wie Linked-In, aber ein gewaltiger und hochaktueller Datenpool für Wissen rund um Politik, gesellschaftliche Trends und Strömungen in Märkten und bei Marken. Das alles sind Informationen, die Einstein dringend gebrauchen könnte, um der Herausforderung eines erstarkten Marketing- und Sales-Dreamteams aus Microsoft und LinkedIn zu widerstehen. Benioff jedenfalls bezeichnete in einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ Twitter als „ungeschliffenen Diamanten“.

Doch das größte Problem dürfte wieder der Preis werden. Twitter wird mit 17 Milliarden Dollar an der Börse bewertet, aber die bisherigen Informationen sagen, dass der Aufsichtsrat mindestens 30 Milliarden Dollar Kaufpreis sehen will. Die gesamte Börsenbewertung von Salesforce beträgt gerade mal 48 Milliarden Dollar. Das macht einen Kauf auf Aktienbasis schwierig. Und Cash ist noch problematischer vor dem Hintergrund anhaltender Verluste bei Salesforce.

Am Mittwoch jedenfalls brach die Aktie kräftig um zeitweise acht Prozent ein. Zuvor hatten Analysten von Mizuho Securities vorgerechnet, dass eine Übernahme Twitters rund 25 Prozent der kombinierten Marktkapitalisierung in Höhe von knapp 64 Milliarden Dollar auslöschen könnte. Es werde zwei bis drei Jahre dauern, bis dies wieder wettgemacht werden könne. Die Analysten sehen keinerlei Umsatz- oder Kostensynergien.

Mizuho hält zwar an seinem Kursziel von 85 Dollar für die Aktie von Salesforce fest. Doch die Analysten warnen Einsteiger zur Vorsicht, solange die Akquisitionspläne so unklar seien. Denn bei Marc Benioff weiß man nie. Er hat Salesforce aus dem Stand zum wertvollsten Cloud-Unternehmen der Welt gemacht und sich mit seinem ehemaligen Chef Larry Ellison angelegt, dem Oracle-Gründer und viertreichsten Mann der Welt. Jetzt steigt er mit Microsoft in den Ring. Einem Ritt auf einem Tiger ist er also manchmal wirklich nicht abgeneigt.

Bis zur Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal am 27. Oktober sollten die Beratungen abgeschlossen sein, sagte eine mit der Angelegenheit vertrauter Person.

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