Laudatio von Mathias Müller von Blumencron Die Zukunft gehört dem Online-Journalismus

Mathias Müller von Blumencron gibt dem Online-Journalismus gute Chancen. Die Qualität hat das Niveau anderer Medienformen längst erreicht.

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Mathias Müller von Blumencron glaubt an den Online-Journalismus. Quelle: liegen bei der Bildautorin

Guten Abend meine Damen und Herren,

es gab einmal eine Zeit, die liegt noch gar nicht so lange zurück, und an zu vielen Orten ist sie immer noch lebendig, da hieß es: „Die da, die machen Online.“ Und das klang immer ein Stück abschätzig, verständnislos, ja oftmals anklagend. Die da, das sind doch die mit den fetzigen Headlines über flachen Geschichten. Das sind doch die, die über die Google-Recherche nicht hinauskommen. Das sind doch die, die unser Grab schaufeln.

Heute darf ich hier ein Team und dessen Leiter belobigen, das vorgemacht hat, dass solche abschätzigen Kommentare endgültig auf den Müll der Mediengeschichte gehören. Dass dieser Graben zwischen dem wahren Print und diesem merkwürdigen Online, der noch etliche Redaktionen zerfurcht, endlich zugeschüttet gehört.

Dieses Team hat in einem ganz anderem Sinn „Online“ gemacht, als es abschätzige Kommentatoren gern darstellen, und zwar als Vorbild für Exzellenz im Journalismus.

In dem ausgezeichneten Projekt geht es auch um einen Graben, und zwar einen, der nicht so leicht zu überwinden ist: der zwischen Reich und Arm. Eigentlich sollte ein Gesetz sicherstellen, dass Ärzte gleichmäßig über die Republik verteilt sind, so dass niemand zu lange Wege für gute medizinische Versorgung in kauf nehmen müsste.

Doch besonders in den großen Städten funktioniert das nicht. Und es dem Team von Karsten Polke Majewski zu verdanken, dies auf besondere Weise transparent gemacht zu haben. Majewski leitet das neue Investigativ-Team von ZEIT Online, das sich in den vergangenen Monaten durch etliche Leistungen hervorgetan hat. Es ist das erste Investigativ-Team speziell für ein Online-Medium. Und dies war ihre erste Arbeit, und sie hat gleich für Aufsehen gesorgt.

Polke-Majewski hat sich mit seinen Kollegen Kai Biermann, Philipp Faigle und Sascha Venohr an eine aufwändige Recherche gemacht. Sie haben die Daten aller niedergelassenen Ärzte in Deutschlands größten Städten gesammelt, in Berlin, Hamburg, München und Köln. Und dann haben sie das Ergebnis mit Hilfe ihres Grafik-Kollegen Paul Blickle in eine interaktive Karte gesteckt. Und siehe da: Die Ärzte hockten dort, wo das Geld steckt.

In Hamburg-Winterhude etwa oder in Köln-Lindenthal gibt es eine regelrechte Praxenschwemme. Während es in Köln-Mülheim gerade zwei Kinderärzte für 6700 Kinder gibt. Und in Hamburg größtem, aber auch ärmsten Stadtteil Wilhelmsburg nur zwei Augenärzte. Das ist sozialpolitisch brisant, da Ökonomen schon seit Jahren einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und Gesundheit nachweisen können. Dank der Arbeit der Kollegen, dank ihrer Visualisierung, kann man jetzt auf einen Blick erkennen, dass mit den Ansiedlungsvorgaben für Arztpraxen in den Städten kein Ausgleich gelungen ist. Die anschauliche Grafik wurde durch eine sauber recherchierte Serie begleitet, in der das Problem weiter aufgezeigt und die Hintergründe beschrieben wurden.

Nicht immer war es einfach, an die Daten zu kommen. Die Berliner Ärztekammer weigerte sich, die Adressen in computerlesbarer Form herauszurücken und verwies auf ein gedrucktes Verzeichnis, mit dem ein Verlag offenbar ein ordentliches Geschäft macht – ich nehme mal an, es ist nicht Holtzbrinck gewesen. Die Kollegen programmierten also einen Scraper, und saugten die Daten letztendlich von einer Webseite ab.

Polke-Majewski ist ein alter FAZ-Mann. Umso mehr freue ich mich, ihn und sein Team zu beglückwünschen. Ihre Serie zeigt nicht nur, welche anschaulichen Ergebnisse durch klugen Datenjournalismus zu erreichen sind. Sie zeigt auch, dass das digitale Medium tatsächlich das beste ist, was Journalisten jemals zur Verfügung stand – (und jetzt nur für Verlegerohren) – wenn man das Geschäftsmodell außer acht lässt.

Was den Journalismus angeht, stecken wir inmitten einer Revolution. Wir werden in Zukunft noch eine Menge solcher Arbeiten sehen. Das ist immens wichtig. Die traditionellen Medienmarken haben eine einzige Überlebenschance: Wenn sie sich zu Leuchttürmen auch im Digitalen entwickeln.

Wenn Sie sich abheben von dem bunten Einerlei des Webs. Und ich beglückwünsche die ZEIT dafür, dass sie uns den Weg weist. Denn eins ist mal klar: Solche Stücke sind Vorbild und Ansporn zugleich. Und wir als Konkurrenten wollen euch nicht immer den Vortritt auf diesem Podium lassen.

Ich bin mir allerdings bei einem nicht sicher: Wie lange es noch Sinn macht, Preise in Print und Online zu vergeben. Vielleicht sollten wir einfach aufhören, die Welt in Online- und Printjournalisten aufzuteilen. Sondern nur noch in gute und und noch bessere Journalisten.

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