Marco Börries Der deutsche Bill Gates ist zurück

In den Neunzigern galt Marco Börries als deutscher Bill Gates. Nun ist er zurück und will kleinen Händlern im Netz ganz neue Macht geben.

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Marco Börries gibt kleinen Händlern im Internet neue Macht. Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche

Ein wenig, sagt Marco Börries, fühlt es sich wieder an wie damals auf der Cebit. Als er die Schule geschwänzt hat, um sich an den Stand eines Computeranbieters zu schleichen und Demoversionen seiner Software unters Volk zu bringen.

32 Jahre ist das her. Damals erzielt Börries von Lüneburg aus einen Achtungserfolg gegen Microsoft, indem er sein Programm Star Office auf jeden vierten deutschen PC bringt – und seine Firma für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag an den Rivalen Sun Microsystems verkauft. Noch zwei Unternehmen gründet der als „deutscher Bill Gates“ Gefeierte direkt danach und versilbert sie. Er zieht ins Silicon Valley und darf sich bei Yahoo Senior Vice President nennen, als das noch eine große Sache ist. 2008 kehrt er nach Deutschland zurück, nur um mit der vierten Gründung gleich wieder abzutauchen.

Bis vor wenigen Tagen. Da tritt das Wunderkind von einst wieder in die Öffentlichkeit: Auf der Messe Euroshop, der weltweit wichtigsten Technologieschau der Handelswelt, stellt er kleinen Händlern sein Unternehmen Enfore vor. Mit einem innovativen Mix aus Hard- und Software sowie Internetdiensten will Börries ihnen helfen, beim vernetzten Handel endlich mit den Großen der Branche gleichzuziehen. Graue Schläfen hat er bekommen, er geht auf die 50 zu, doch sein Elan ist der alte. „Ich will nicht in einer Welt leben, in der es nur Amazon, Vapiano und Zara gibt“, sagt Börries. Es gehe ihm um Gerechtigkeit. Darunter macht er’s nicht.

Die umsatzstärksten Onlinehändler

An die 40 Millionen Euro Risikokapital soll er von prominenten Geldgebern eingesammelt haben. Unter denen sind Jerry Yang, der Yahoo einst geführt hat, Andreas von Bechtolsheim, Mitgründer von Sun Microsystems und einer der ersten Investoren von Google, und Xing-Gründer Lars Hinrichs.

Mit Leuten, die schon bei Star Office dabei waren, aber auch jungen Entwicklern aus Asien hat Börries ein vernetztes Terminal gebaut, das einem iPad ähnelt, Kassenbelege druckt und Barcodes scannt.

Wenn eine der mächtigsten Managerinnen Deutschlands ihre Vision von zukünftigem Alltag und Arbeit skizziert, lohnt sich das Hinhören – und das Hinterfragen. Am 27.03. können Sie der Vorsitzenden der Geschäftsführung von...

So wie Apple selbst Senioren die Scheu vor Technik genommen hat, will Börries der Aushilfe im Café die Angst nehmen, sie könne Rechnungschaos anrichten. Hinter dem Gerät liegt eine Software, die alle Geschäftsvorgänge für Kleinunternehmer abwickeln kann, die Nachbestellung von Sojamilch genauso wie virtuelle Rabattkarten für Stammkunden. „Das kann etwas ganz Großes werden, vielleicht endlich mal wieder ein digitaler Weltmarktführer aus Deutschland“, schwärmt Internetunternehmer Hinrichs über das übliche Maß an Begeisterung hinaus, das er als Investor zeigen muss.

Anleihen bei Apple

Dabei ist Börries weder der Erste, noch der Einzige, der versucht, kleinen Händlern die Vorzüge der vernetzten Welt zu vermitteln. Start-ups wie iZettle oder Sumup buhlen um diese Klientel; auch der deutsche Mittelständler Vectron umwirbt sie seit Kurzem mit einem neuen Kassensystem.

Börries aber will den ganz großen Wurf, „der für den Schneider in Hanoi ebenso passt wie für den Fleischverkäufer aus Hamburg oder das Modelabel aus Buenos Aires“, sagt Investor Hinrichs. Weltweit, sagt Börries, gebe es 200 Millionen solche kleine Händler. Eine riesige, aber eben auch zersplitterte Zielgruppe. „Es gibt nicht viele Leute, die ein so komplexes Produkt bauen können“, begründet der deutsche Geldgeber den Enthusiasmus der Investoren.

Ein weiterer Grund ist wohl das Geschäftsmodell, das sich Börries bei Apple abgeschaut hat. „Ein iPhone kostet in der Herstellung 250 Dollar, die Leute kaufen es aber für 800. Weil alles reibungslos funktioniert“, sagt er und zeigt ein Lächeln, mit dem er für Zahnpasta werben könnte. Zu seinem Gerät gibt es eine Enfore ID, so wie es zum iPad eine Apple ID gibt – die Eintrittskarte in die Welt der Apps, die das Leben leichter machen und von denen Apple ein Drittel des Umsatzes kassiert. Bei Enfore könnte das ein Dienst sein, über den kleine Boutiquen zu den gleichen Bedingungen einkaufen können wie die großen Modeketten.

Die Idee klingt bestechend. Aufgehen aber wird sie nur, wenn Börries so viele kleine Händler hinter sich bringt, wie Apple begeisterte Kunden gewonnen hat. Noch hat er gerade mal 60 Kunden im Pilottest: Friseure, Reinigungen, Hotels, Cafébetreiber.

Dennoch will er im Sommer schon in die USA expandieren. Und dann weiter nach China. Nur keine Zurückhaltung. Er hat lange im Silicon Valley gelebt. Da lernte er, ganz groß zu denken.

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