„Gemessen an den derzeit bekannten Produkten, halte ich Microsoft momentan sogar für innovativer als Apple“, lobt Patrick Moorhead. Der Branchenanalyst, ehemals Strategiechef des Halbleiterherstellers AMD, ist nicht nur von Microsofts Datenbrille Hololens angetan, die Gegenstände in den Raum projiziert und möglicher Nachfolger des Smartphones sein könnte. Sondern auch von Microsofts Surface. Der Tablet-PC, der gleichzeitig als Notebook fungiert, war als Antwort auf Apples iPad gedacht. Lange galt er als Rohrkrepierer, unverkaufte Exemplare mussten mit 900 Millionen Dollar abgeschrieben werden. Nadella hielt trotzdem an ihm fest.
Unter dem deutschen Chefdesigner Ralf Groene gelang eine unerwartete Wende. Apple musste nachziehen, bietet mit dem iPad Pro nun ebenfalls einen Zwitter aus Tablet und Notebook an. „Der iPad Pro ist bei uns abgekupfert“, frotzelt Microsoft-Konzernsprecher Tim O’Brien. Beim alten Microsoft hätte das Wutanfälle ausgelöst, schon der Besitz eines iPhones galt dort als illoyal. Im neuen Microsoft freut man sich nicht nur über die Anleihen, sondern unterstützt sie sogar aktiv. Als Apple-Chef Tim Cook sein iPad Pro vorstellte, stand ein Microsoft-Topmanager mit auf der Bühne. Er präsentierte stolz eine auf Apples neues iPad-Flaggschiff angepasste Variante des populären Bürosoftwarepakets Office, wichtige Voraussetzung für Apple, um geschäftliche Nutzer zu gewinnen.
Die Entscheidung, Office auch auf den konkurrierenden Mobil-Plattformen Apple iOS und Google Android zu offerieren, war die erste öffentliche und wichtigste Amtshandlung Nadellas. Sie entsprang der Erkenntnis, dass es keinen Sinn mehr machte, Office exklusiv für Windows Mobile zu reservieren.
Der neue Konzernchef hat sogar einen draufgesetzt und mit der Tradition gebrochen, Software unter keinen Umständen gratis zu offerieren. So wie beim Betriebssystem Windows 10, das Käufer von Vorgängerversionen kostenlos erhalten, fördert Microsoft auch bei den iOS- und Android-Versionen von Office die Verbreitung durch das Freemium-Modell. Die Grundversionen der Software sind kostenlos, für weiter gehende Funktionen muss ein Abo abgeschlossen werden. Getrieben von Smartphones und Tablets, wächst Microsoft Office kräftig.
Das Zeitalter der Netzökonomie ist ein Zeitalter der Zusammenarbeit, daran lässt Nadella keinen Zweifel. So ermuntert er seine externen Entwickler sogar, für andere Plattformen zu schreiben. Zugleich offeriert Microsoft eine Vielzahl von Schnittstellen, damit Entwickler auf künstliche Intelligenz wie Bild- und Spracherkennung zugreifen können. „Hauptsache, überall ist ein Stückchen Microsoft dabei“, erklärt Holger Mueller von Constellation Research aus San Diego. Denn da mittlerweile alle Programme mit dem Internet vermählt sind, kann Nadella so seine zweite große Initiative nach Office vorantreiben: Microsoft soll führender Anbieter von Cloud Computing werden. Momentan ist Amazon dort Platzhirsch.
Microsoft macht mittlerweile mit seinem Angebot namens Azure Boden gut. Der Softwarekonzern hat renommierte Kunden wie BMW für sich gewinnen können. In diesem Jahr rechnet Nadella, mit Azure rund zehn Milliarden Dollar umsetzen zu können, bis 2018 sollen es mindestens 20 Milliarden Dollar sein.
Auch an anderen Stellen öffnet Nadella den einst eigenbrötlerischen Konzern. Das alternative Betriebssystem Linux etwa wurde von Vorgänger Ballmer als „Krebs“ verunglimpft. Unter Nadella wird die Alternative zu Windows nicht nur geduldet, sondern sogar unterstützt. Microsofts Datenbank SQL Server, eines der wichtigsten Produkte des Konzerns für Unternehmenskunden, läuft künftig auch auf Linux. Microsofts Ingenieure sollen lernen, was der Markt besser macht.