Frieden hat Nadella neben Apple auch mit Google geschlossen. Zunächst einigte man sich darauf, sich nicht mehr mit Patentstreitigkeiten zu bekriegen. Nun verzichtet Microsoft auch darauf, die Wettbewerbshüter mit Argumenten und Material über die vermeintlich wettbewerbsfeindlichen Aktivitäten von Google zu versorgen. Aus dem Lobbyverband FairSearch, der in Brüssel Politik gegen das Suchmaschinen-Monopol von Google machte, hat sich Microsoft kürzlich zurückgezogen.
Obwohl Nadella dafür gepriesen wird, auch zuhören zu können und sich für ein besseres Arbeitsklima einzusetzen, hält ihn das nicht vor harten Entscheidungen ab. So wickelte er das unter Vorgänger Ballmer für 9,5 Milliarden Dollar gekaufte Mobiltelefongeschäft von Nokia ab. Weitere Einschnitte folgten: 25.800 der einst 128.000 Jobs wurden in seiner Amtszeit gestrichen, die größte Entlassungswelle in der Geschichte des Konzerns. Ohne Skrupel entledigte er sich auch möglicher Rivalen wie Marketingchefin Tami Reller, Ex-Skype-CEO Tony Bates und dem ehemaligen Nokia-Chef Stephen Elop.
Wie Windows wurde, was es ist
Der Urahn des inzwischen meistgenutzten PC-Betriebssystems kam im November 1985 auf den Markt. Damals war Microsoft noch ein Außenseiter, während der Platzhirsch IBM und der Aufsteiger Apple den Kampf um den PC-Markt auszufechten schienen. Anfangs arbeitete sich Windows nur mühsam ins Geschäft – denn Microsoft verzichtete zunächst angesichts eines jahrelangen Patentstreits mit Apple auf grafische Bedienungselemente.
Mit dieser Version lernte Windows 1992, Videos abzuspielen, bekam die ersten integrierten Spiele und neue Schriften. Die Grundansicht mit den überlappenden Fenstern und einem Desktop für Programm-Symbole blieb – mit einigen Design-Änderungen – lange erhalten.
Parallel zu den Consumer-Versionen von Windows entwickelte Microsoft nach dem Scheitern des OS/2-Projektes mit IBM eine Windows-Version mit einem neuen Programm-Kern („Windows New Technology“). NT wurde mit Windows 2000 fortgeführt und ging später in Windows XP auf.
Die radikale Erneuerung von 1995 brachte in Grundzügen das Windows, das heute praktisch jeder kennt. Unter anderem wurde der „Start“-Knopf mit dem Balken am unteren Bildschirmrand eingeführt. Nachdem nachträglich der Web-Browser Internet Explorer zum Windows-Grundpaket hinzugefügt wurde, setzte sich Microsoft zum Ärger der Wettbewerbshüter in diesem Bereich gegen den Pionier Netscape durch. Auf die Version folgten die kleineren Aktualisierungen Windows 98 und ME.
2001 brachte Microsoft die bisher langlebigste Version seines Betriebssystems auf den Markt. Mit Windows XP wurden viele visuelle Effekte hinzugefügt, ebenso wie wichtige Funktionen wie etwa schneller Benutzerwechsel, eine integrierte Firewall für mehr Sicherheit und verbesserter Medienwiedergabe.
Das Betriebssystem Windows Vista sollte XP verdrängen, wurde von den Nutzern aber weitgehend ignoriert. Die 2007 veröffentlichte Version bot zwar neue Bildschirmansichten, aber eine für viele Nutzer verwirrende Rechteverwaltung für Benutzerkonten. Erst mit der Vorstellung von Windows 7 im Oktober 2009 konnte Microsoft die Anwender wieder überzeugen.
Mit Windows 8 rüstet sich Microsoft für den Wandel der Computer-Welt: Die neue Kacheloberfläche ist für Touchscreens ausgelegt und eignet sich damit auch für Tablet-Computer – äußerlich ähnelt das System damit dem Smartphone-Betriebssystem Windows Phone. Microsoft stellte Windows 8 im Oktober 2012 vor. Gerade an der neuen Bedienung wurde jedoch schnell viel Kritik laut.
Ein Update für Windows 8 kam im Oktober 2013 auf den Markt. Das kostenlose Windows 8.1 soll die größten Kritikpunkte an dem Vorgänger ausräumen. So können Nutzer direkt auf den Desktop starten und so die Kacheloberfläche umgehen. Zudem kehrt der Startknopf zurück, wenn auch nicht das klassische Startmenü.
Mit Windows 10 bietet Microsoft eine einheitliche technische Plattform für PCs, Tablets und Smartphones an. Das von Nutzern ersehnte Start-Menü kehrt auf den Desktop zurück. Am 29. Juli 2015 stellte der Softwaregigant das jüngste Betriebssystem vor. Ein Jahr lang war das Upgrade auf Windows 10 für Computer mit Windows 7 und 8.1 kostenlos. Was das neue System bringt und für welche Nutzer es sinnvoll ist, lesen Sie hier.
Nadella hat ohne Frage weit mehr erreicht, als man ihm zugetraut hat. Doch noch ist es zu früh, seine Ägide zu bewerten. Bei den Smartphones und Tablets hat Microsoft weiter eine offene Flanke. Die mit neuer Technik zu beheben könnte noch Jahre dauern. Beobachter wie Moorhead meinen deshalb, dass Microsoft wie schon im Tablet-Markt mit Surface doch noch mit eigenen Smartphones punkten muss.
Nadella hat auch schon Hinweise geliefert, wie das möglich sein könnte. Er setzt auf die sogenannte Continuum-Funktion, mit der sich Windows-Smartphones mit Tastatur, Maus und Bildschirm koppeln und so wie Notebooks bedienen lassen. Fraglich ist auch, ob Microsoft seine Offenheit bewahrt.
„Derzeit entspringt sie vor allem der Schwäche“, meint Analyst Mueller. Ob man bei Stärken wie der Hololens dem Wettbewerb genauso liberal Zugriff auf sie bietet, muss sich noch zeigen.
Was auch zur Wahrheit gehört: Viele der jetzigen Erfolgsbringer hat noch Nadellas Vorgänger Ballmer gestartet. Der Vertraute von Microsoft-Gründer Bill Gates stört sich nicht daran, dass sein Nachfolger sich mit ihnen jetzt als Mr Cool von Microsoft inszeniert. Ein neuer Chef, so beschied Ballmer großzügig dem Wirtschaftsmagazin „Businessweek“, sei glaubwürdiger beim Brechen von Traditionen. Als einer der größten Aktionäre von Microsoft hat Ballmer ein Interesse, dass Nadella weiter den Börsenwert nach oben treibt.
Microsoft-Veteranin Larson-Green, die neben Office schon Windows und die Gerätesparte verantwortete, hat in ihren 23 Jahren bei Microsoft alle drei Vorstandschefs erlebt, von Gates über Ballmer bis Nadella. „Bill war sehr Technologie-fokussiert, Steve auf Sales und Marketing, bei Satya sind es eindeutig Produkte.“ Die Chancen, dass Microsoft unter ihm ein neues großes Ding herausbringt, sind also gegeben. Nadella muss sie nur nutzen.