Microsoft-Zahlen Nadellas Operation Wolke

Satya Nadella hat es geschafft: Microsoft ist auf dem Weg in eine neue Zukunft. Das Cloud-Geschäft für Unternehmenskunden hat sich verdoppelt. Jetzt startet der Vorstandschef die zweite Revolution.

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Cloud-Computing kurbelt Microsofts Geschäfte an Quelle: AP

Die magische Zahl lautete 6,7 Milliarden Dollar: Das war es, worauf die Wall Street gewartet hatte. Das war der Umsatz, den Microsoft im abgelaufenen Quartal in der Sparte namens „Intelligent Cloud“ erwirtschaftet hat, ein Plus von sieben Prozent zum Vorjahr. Das darin enthaltene Geschäft mit Cloud-Diensten für Unternehmen wächst ebenfalls stark: „Mit einer annualisierten Runrate von zwölf Milliarden Dollar“, so Konzernchef Satya Nadella im Gespräch mit Analysten, „sind wir auf dem Weg unser Ziel von 20 Milliarden Dollar Cloud-Umsatz im Finanzjahr 2018 zu erreichen.“ Die Börse feierte die Aussichten mit einem nachbörslichen Kurssprung von bis zu 4,5 Prozent.

Es war nicht weniger als eine Wette auf alles oder nichts. Als der gebürtige Inder Nadella 2013 das Ruder von Steve Ballmer übernahm, fand er in Microsoft ein Unternehmen mit einer gewaltigen Vergangenheit, einer profitablen Gegenwart und einer perspektivlosen Zukunft vor.

„Cloud first, Mobile first“

Doch statt sich an den immer noch gewaltigen Nettoerträgen zu berauschen, im abgelaufenen Quartal über drei Milliarden Dollar, die noch für ein paar Jahre die Vorherrschaft Microsofts im weltweiten IT-Business garantiert hätten, steuerte er das Unternehmen geradewegs in eine ungewisse Zukunft. Nur eben eine mit einem Potenzial.

„Cloud first, Mobile first“ war die klar kommunizierte Strategie, die dramatische Veränderungen verlangte. Die Frischzellenkur schlug schneller an als erwartet. 2015 fand Microsoft seine Dynamik und Coolness wieder. Die Zahlen des abgelaufenen Quartals zeigen, dass sich auch die Ergebnisse einstellen.

Damit hat Microsoft 2015 am meisten umgesetzt

Auf bereinigter Basis lag der Umsatz im abgelaufenen Quartal bei 22,6 Milliarden Dollar, Analysten vom Investmentdienst Zacks hatten im Schnitt 22,1 Milliarden erwartet. Der bereinigte Gewinn pro Aktie mit 0,69 Dollar lag klar über den geschätzten 0,58 Dollar. Doch die elektrisierende Nachricht war ein Wachstum von 102 Prozent im absolut entscheidenden Cloud-Angebot für Unternehmenskunden, dem „Azure“-Service.

Azure ist Teil der „Intelligent Cloud“ und richtet sich an Unternehmen, Organisationen oder Verwaltungen, die weltweit ihre alten Datencenter einmotten und die bestehenden Outsourcing-Verträge mit Indien kündigen. Die wieder steigenden Gewinne separieren Microsoft vom Konkurrenten IBM, der am Montag das 17. Quartal mit Umsatzrückgängen in Folge vorgelegt hatte und trotz eines Wachstums von 30 Prozent im Cloud-Geschäft einen Rückgang des bereinigten Gewinns um 23 Prozent verkraften musste.


Microsoft bleibt noch hinter AWS zurück

Microsoft ist im Kampf um Unternehmenskunden noch die Nummer zwei hinter Amazons Cloud-Angebot AWS, zu dem kommende Woche Zahlen vorlegt werden. Doch mit einem dreistelligen Wachstum holt Nadella auf und zeigt Zuwächse wie zuletzt AWS mit 87 Prozent im Quartal.

„Wir können sie schon am Horizont sehen“, so Finanzchefin Amy Hood. „Sechzig Prozent der Fortune 500-Unternehmen haben mindestens drei unserer Cloud-Angebote“, assistiert Nadella. „Das vergangene Jahr war zentral für unsere eigene Transformation und die Zusammenarbeit mit unseren Kunden, die ebenfalls im Prozess ihrer eigenen digitalen Transformation sind.“ Kurz gesagt: Microsoft war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Mit dem dramatischen Wandel der alten Geschäftsfelder in neue Dienste, von Nadella konsequent vorangetrieben, riskiert der Online-Händler Amazon, der einen enormen Vorsprung durch einen Frühstart in die Cloud hatte, zurückzufallen.

Microsoft gibt den Takt vor

Da ist zum Beispiel der kommerzielle Umsatz mit Microsofts Büro-Paket Office 365, der um währungsbereinigt 54 Prozent anzog. Das Cloud-Angebot wird stärker von Unternehmen akzeptiert als erwartet. Nicht zuletzt, weil es heute auch auf Android-Geräten oder Apples Mobilgeräten verfügbar ist.

Office und Microsoft Dynamics lassen sich mit immer mehr Zusatzbauteilen wie Datenanalyse und künstlicher Intelligenz in komplette Cloud-Betriebssysteme für Unternehmen ausbauen. Amazon ist ebenfalls auf dem Weg zum Allumfassenden Cloud-Serviceanbieter. Aber Microsoft ist eben auch schon da und gibt sogar den Takt vor.

Suchmaschine Bing zeigt wieder Lebenszeichen

Microsofts entscheidender Vorteil könnten die gewachsenen Vertriebsstrukturen im Unternehmensbereich sein und über 20.000 Partnerfirmen, die Nadella erst vor zwei Wochen auf der jährlichen Konferenz in Toronto auf die Cloud eingeschworen hat. Unternehmen auf dem Sprung in die Cloud verlangen nach handfester Unterstützung. Amazon hat ebenfalls tausende von Entwicklern, die Apps für einen globalen Unternehmensmarktplatz anbieten. Aber Microsofts Angebote sind aus einem Guss.

Vor- und Nachteile von Cloud Computing

Der Erfolg kam nicht ohne große Opfer. Eines der dramatischsten war die Öffnung hin zu „Open Source“, freier Software, die noch Jahre zuvor von Microsoft als „unamerikanisch“ verteufelt wurde. Doch nur so und nicht anders konnte Microsoft eine ernstzunehmende Macht in einer digitalen Wirtschaft werden, die im Internet lebt, in der Cloud.

Nadella, zweifellos mit Unterstützung des Boards, von Bill Gates und Steven Ballmer, drückte diesen Sinneswandel ohne Rücksicht durch. Zahlreiche Top-Manager gingen oder mussten gehen. Entscheidungsebenen wurden herausoperiert, es gab auch Entlassungen und milliardenschwere Abschreibungen.



Die Erfolge in der Cloud kommen keinen Moment zu früh. Das Konsumentengeschäft, darunter Windows-Software und Hardware, fiel im Quartal weiter, diesmal um vier Prozent auf 8,9 Milliarden Dollar. Das defizitäre Smartphone-Geschäft, das noch einmal 71 Prozent an Umsatz verlor, wird abgewickelt. Das Tablet-Geschäft wächst leicht weiter. Aber es wächst immerhin. Schwach auch die Absatzzahlen der X-Box-Spielekonsolen.

Auf der anderen Seite zeigt selbst Bing, der ewige und verlachte Zweite unter den Suchmaschinen, unter Nadella wieder Lebenszeichen. Das ist zunächst mal einem Trick zu verdanken. Wer den digitalen Assistenten Cortana nutzen will, kann seine Standardsuchmaschine unter Windows 10 nicht mehr auf Google umstellen. Sonst funktioniert das Ganze mit der künstlichen Intelligenz nicht mehr richtig, argumentiert Microsoft.

Das volle Potential der Cloud

Wer Cortana nicht will, kann jederzeit zu anderen Suchmaschinen wechseln. Aber nur dann. Das Ergebnis: Zusätzliche Suchzugriffe und Werbeumsätze von vielen der rund 350 Millionen Windows-10-Maschinen, und ein Nettowachstum der Suchmaschinenwerbung von 16 Prozent.

Das ist noch nichts, weswegen Google nur eine schlaflose Nacht haben sollte. Geht jetzt noch Nadellas zweite große Zukunftswette auf, die „Kommunikation als Plattform“, erlebt Bing einen zweiten Frühling. Selbst die endlose Geduld von Vorgänger Ballmer zahlt sich am Ende tatsächlich noch aus, wenn Cortana auf Android- und Apple-Geräten Furore machen wird. Ballmer hatte allen wütenden Forderungen von Aktionärsaktivisten widerstanden, die hochdefizitäre Sparte abzustoßen. Sein Argument über Jahre: Wer einmal bei der Websuche draußen ist, kommt nie wieder rein.

Das kann sich nun im Zeitalter der künstlichen Intelligenz als Segen erweisen. Sogenannte Chat-Bots werden in Nadellas Zukunftswelt menschliche Sprache verstehen und die bekannten Apps aus den Online-Shops ersetzen. Im Hintergrund der Spracherkennung: der Assistent Cortana. Und dahinter Microsofts Cloud und Bing und das soziale Potenzial der Neuerwerbung LinkedIn, dem größten sozialen Arbeitsplatz-Netzwerk. Der Kreis des Nadella schließt sich.

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