Milliardenmarkt Youtube Wie eine Videoplattform neue Stars erschuf

Seit der Gründung hat sich Youtube vom netten Online-Spaß zum Milliarden-Geschäft entwickelt. Davon profitieren nicht nur viele „klassische“ Prominente – das Videoportal hat seine ganz eigenen Stars erschaffen.

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Youtube-Star Connor Franta. Die Videoplattform hat eine neue Art von Star hervorgebracht. Quelle: ap

Los Angeles Hunderte Fans wollen ein Autogramm, die Schlange im Shopping-Mekka „The Grove“ in Los Angeles nimmt kein Ende. Doch der Prominente, um den es geht, ist kein Hollywood-Schauspieler und auch kein Rock-Musiker – sondern ein „Youtuber“. Der 22-jährige Connor Franta zählt zu den Stars der Szene. Grundlage seines Ruhms ist Alltagsgeschwätz, das er mit einfachen Mitteln aufgezeichnet und über den Videokanal ins Internet gestellt hat. Das Beispiel zeigt, wie sehr YouTube in zehn Jahren die Medienwelt verändert hat.

Als die Youtube-Gründer im Mai 2005 mit ersten eigenen Videos online gingen, war dies zugleich der Startschuss für eine neue Spielart der Star-Kultur. Talentierte junge Leute nutzen die Plattform seitdem zunehmend als Sprungbrett für ihre Karriere. Mit Amateurvideos bauen sie Fankreise auf, die zum Teil in die Millionen gehen. Einige holen anschließend auch kommerziell alles aus ihrer Internet-Berühmtheit heraus: Sie veröffentlichen Bücher und Musik-Alben, gestalten Produkte oder ergattern sogar Engagements in Film und Fernsehen.

Franta hat einige seiner persönlichen Geschichten in eine Biografie verpackt. Dass die Vorstellung seines neuen Buches in Los Angeles auf Anhieb für lange Schlangen sorgt, hat er natürlich Youtube zu verdanken.

„Es ist die mächtigste Marketing-Plattform in der Welt der heutigen Jugend“, sagt Andrew Graham, der den 22-Jährigen und viele andere Youtube-Stars professionell managt. Wenn man ein Publikum wie die vor dem Buchladen versammelten Teenager erreichen wolle, dann sei Youtube der richtige Kanal.

In den vergangenen Jahren hat die zu dem Internet-Konzern Google gehörende Videoplattform eine ganze Reihe von Stars mit Millionen treuen Fans hervorgebracht. Diese Fans sehen regelmäßig nicht nur die neuen Online-Videos ihrer Lieblinge, sondern auch die Werbung, die mit den Videos verknüpft ist.

Nur Musik-Clips erhalten auf Youtube noch mehr Klicks als die Inhalte der angesagten Selbstdarsteller. Die innerhalb der Plattform „Creators“ genannten Künstler sind also auch wirtschaftlich ein wichtiger Faktor. Denn die beeindruckende Zahl der erreichten Nutzer ist gleichbedeutend mit lukrativen Werbeeinnahmen.

Franta schafft es mit Rehaugen und einem neckischen Grinsen auf aktuell etwa 4,4 Millionen Anhänger. In seinen Videos spricht er über alles Mögliche: über sein persönliches Leben, über die Liebe oder zum Beispiel über Süßigkeiten. Mindestens einmal die Woche stellt er einen neuen Beitrag online. Angefangen hat er damit 2010, als er noch in der Kleinstadt La Crescent im US-Staat Minnesota zur Schule ging.

Mit der Zeit hat er seinen Auftritt ausgebaut und vor allem sein Marketing perfektioniert. Zu seinem Repertoire gehören inzwischen etwa Musik-Sampler, mit denen er seinem Millionen-Publikum die eigenen Lieblingsbands vorstellt, sowie eine Auswahl an regional angebauten Kaffeesorten.

Eine Karriere wie die des 22-Jährigen wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen - bevor YouTube es jedem Internet-Nutzer möglich machte, eigene Videos bequem und ohne besondere technische Vorkenntnisse zu veröffentlichen. Franta war damals zwölf. Er ist mit diesen Möglichkeiten also aufgewachsen und konnte sich bereits von anderen inspirieren lassen. „Ich war selbst ein Fan von Leuten wie Shane Dawson und Phillip DeFranco, heute sind wir Freunde“, sagt Franta bei der Vorstellung seines Buches „A Work in Progress“ in Los Angeles.


„Streaming“ als nächster Trend

Als Youtube im Mai 2005 in die sogenannte Beta-Phase ging, war das erste veröffentlichte Video ein 19 Sekunden langer Clip mit dem Titel „Ich im Zoo“. Der Mitbegründer Jawed Karim sprach direkt in die Kamera über die „coolen“ Elefanten im Tierpark von San Diego. Zehn Jahre später sind die Videos in der Regel um einiges länger und haben eine weit höhere Bildschirmauflösung. Das Grundprinzip und die allgemeine Stimmung sind aber oft noch genau wie damals.

Die Themen, die von den verschiedenen „Creators“ behandelt werden, sind zum Teil sehr unterschiedlich. Die Art der Videos ist aber meist ähnlich: Die Aufnahmen wirken oft improvisiert, im Fokus steht immer die Person. Die Bedeutung der „Creators“ für Youtube zeigt sich nicht zuletzt am finanziellen Engagement des Mutter-Konzerns Google. In mehreren Städten - in London, Los Angeles, New York, Tokio und São Paulo - hat das Unternehmen inzwischen eigene Produktionsstudios eröffnet. Wer mehr als 5000 Fans hat, kann seine Videos auch hier drehen.

„Sicher, Youtube war ursprünglich vor allem für die 'viralen Videos' bekannt, das war großartig und das ist es noch immer“, sagt Kevin Allocca, einer der leitenden Manager des Video-Portals. „Aber wenn man geschäftlich erfolgreich sein will, geht es vor allem darum, eine Fangemeinde aufzubauen. Ich denke, das ist ein ganz anderes Modell als bei klassischen Medien. Es kommt darauf an, einen möglichst engen Kontakt zum Publikum herzustellen.“

Der nächste große Trend könnte das „Streaming“ werden, also die Live-Übertragung von Videos über das Internet. Mehrere Anbieter haben sich in diesem Bereich bereits in Stellung gebracht, darunter etwa Twitch, Periscope, Meerkat und YouNow. Auch Youtube stellt einige entsprechende Funktionen zur Verfügung. „Hier gibt es große Möglichkeiten für Innovationen“, sagt Allocca. Youtube-Stars wie Franta könnten ihr Repertoire also schon bald noch erweitern. Die Schlangen bei Auftritten vor Ort dürften sich dann wohl ebenfalls noch einmal erweitern.

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