Milliardenstrafe für Qualcomm Das gekaufte Monopol des Apple-Zulieferers

Die EU-Kommission geht gegen den weltgrößten Hersteller von Handychips vor. Der US-Konzern soll mit Milliardenzahlungen an Apple ein Monopol aufgebaut haben – zum Schaden von Smartphone-Käufern und Konkurrenten.

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Qualcomm: Das gekaufte Monopol des Apple-Zulieferers Quelle: Reuters

Brüssel/München Ohne Qualcomm geht nichts in der Mobilfunkbranche. Dem amerikanischen Halbleiteranbieter gehören zahlreiche Patente für Technologien, die ein Smartphone zwingend braucht. Diese Position der Stärke soll das US-Unternehmen in den vergangenen Jahren zum Schaden von Kunden und Wettbewerbern missbraucht haben. Daher hat die Europäische Kommission den Chipkonzern an diesem Mittwoch mit einer Geldbuße von rund einer Milliarde Euro belegt.

Das Unternehmen habe „Milliarden von US-Dollar an Apple gezahlt, damit Apple nicht bei der Konkurrenz kauft“, teilte EU-Kommissarin Margrethe Vestager mit. „Bei diesen Zahlungen handelte es sich nicht einfach um Preisnachlässe – sie wurden unter der Bedingung geleistet, dass Apple in sämtlichen iPhone- und iPad-Geräten ausschließlich Qualcomm-Chipsätze verwendet“, erläuterte Vestager. „Durch das Verhalten von Qualcomm wurden Verbrauchern und anderen Unternehmen mehr Auswahl und Innovation vorenthalten – und das in einem Sektor mit riesiger Nachfrage und enormem Potenzial für innovative Technologien.“

Qualcomms Macht beruht auf rund 30.000 Mobilfunkpatenten. Nur wer die Lizenzbedingungen dafür akzeptiert, bekommt die neueste Technologie. Das ärgert die Handyhersteller schon seit Jahren. Die Marktführer Apple und Samsung überweisen zwischen 15 und 20 Dollar pro Gerät an den Konzern aus Kalifornien. Apple fühlt sich deshalb von Qualcomm unter Druck gesetzt und klagt gegen seinen Lieferanten.

Die Wettbewerbsbehörden in zahlreichen Ländern beäugen Qualcomm seit langem kritisch. So warf unter anderem die Federal Trade Commission in den USA dem Konzern vor, mit wettbewerbsfeindlichen Methoden ein Monopol errichtet zu haben. In China musste Qualcomm vor drei Jahren bereits fast eine Milliarde Dollar Strafe entrichten, in Südkorea verdonnerten die Aufseher das Unternehmen zu Zahlungen von mehr als 800 Millionen Dollar.

Der EU geht es jetzt um die sogenannten LTE-Basisband-Chipsätze. LTE ist der momentan vorherrschende Mobilfunk-Standard und Qualcomm der dominierende Anbieter auf diesem Feld. Konkurrent Intel versucht seit Jahren in diesem Geschäft Fuß zu fassen, tut sich aber schwer. Wenn die EU mit ihrer Einschätzung Recht hat, liegt das nicht zuletzt am illegalen Geschäftsgebaren von Qualcomm.

Von 2011 bis Ende 2016 soll Qualcomm den Kunden Apple dafür bezahlt haben, ausschließlich dessen Chips zu verwenden. Damit seien die Konkurrenten unabhängig von der Qualität ihrer Produkte von dem „beträchtlichen Geschäft“ mit Apple ausgeschlossen worden. Apple ist nicht irgendwer, mit seinen iPhones ist die Marke ein Trendsetter der Branche und die Nummer zwei weltweit nach Samsung. „Wir sind überzeugt, dass diese Vereinbarung nicht gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstieß und keine negativen Folgen für den Wettbewerb auf dem Markt oder europäische Verbraucher hatte“, erklärte Qualcomms Chefjurist Don Rosenberg. Deswegen solle umgehend ein Berufungsverfahren in Gang gesetzt werden.

Dass gerade Intel unter dem Fehlverhalten eines Konkurrenten leidet, ist kurios. Denn die Firma aus dem Silicon Valley bekam vor einigen Jahren selbst eine Kartellstrafe aufgebrummt. Nach jahrelangen Ermittlungen sah es die europäische Wettbewerbsaufsicht als erwiesen an, dass Intel mit unzulässigen Rabatten und direkten Zahlungen an Hersteller und Händler seinen einzigen Rivalen AMD ausstechen wollte. Ganz ähnliche Vorwürfe also wie jetzt bei Qualcomm.

Die nun verhängte Geldbuße in Höhe von 997 Millionen Euro entspricht laut Kommissionsangaben 4,9 Prozent des Umsatzes von Qualcomm im Jahr 2017.

Für Qualcomm kommt die Strafe zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Wettbewerber Broadcom versucht momentan, Qualcomm für rund 130 Milliarden Dollar zu schlucken. Dagegen wehrt sich das Management von Qualcomm. Die Offerte sei zu niedrig und mit zu großen Risiken behaftet. Das Unternehmen selbst ist gerade dabei, den europäischen Halbleiterhersteller NXP für 47 Milliarden Dollar zu kaufen. Die EU-Kommission hat den Deal jüngst unter Auflagen genehmigt. Allerdings musste Qualcomm die Frist für das Übernahmeangebot verlängern, weil bislang nicht genügend Anteilseigner ihre Aktien angedient haben.

Qualcomm kann nun gegen das von der Kommission verhängte Bußgeld vor dem EU-Gericht klagen. Solche Verfahren dauern meist mehrere Jahre, teilweise konnten Unternehmen in der Vergangenheit vor Gericht eine deutliche Reduzierung erreichen. Dies sei jedoch eher die Ausnahme, sagt Michael Rosenthal, Partner für Kartellrecht bei der Kanzlei Sullivan & Cromwell.

Hoffnung schöpfen darf Qualcomm ausgerechnet wegen Intel. Der Chiphersteller hatte vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die ihm auferlegte Milliardenstrafe geklagt und dabei einen Teilsieg errungen. Die obersten Richter wiesen die Vorinstanz an, die Begründung der Kommission inhaltlich stärker zu überprüfen. Rosenthal wertet dies als Verbesserung des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen der Kommission.

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