Mobileye-Chef Shashua „Tesla verfolgt den falschen Ansatz“

Amnon Shashua Quelle: Laif

Amnon Shashua, Chef und Gründer des Sensor- und Chipherstellers Mobileye, erklärt, warum er schon 2021 mit vollständig autonom fahrenden Autos rechnet – und wie er die noch offenen rechtlichen Fragen klären will.

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WirtschaftsWoche: Herr Shashua, Skeptiker wie VW-Chef Matthias Müller haben das selbstfahrende Auto schon mal zum Hype erklärt. Auch die Kunden scheinen noch nicht bereit, sich von Algorithmen von A nach B fahren zu lassen. Ihre Wachstumsstory beruht darauf, dass sich das autonome Fahrzeug bald durchsetzen wird. Haben Sie sich verrechnet?
Amnon Shashua: Ich weiß nicht, wie man zu so einer Einschätzung kommen kann. Ich kann Ihnen aber sagen, was wir vorhaben – und zwar aufs Jahr genau: Wir werden zusammen mit unserer Mutter Intel und unserem Partner BMW ab 2021 voll autonome Fahrzeuge der höchsten Autonomiestufen Level 4 und 5 anbieten. Das bedeutet: Sie fahren gar nicht mehr selbst; sie können im fahrenden Auto lesen oder Mails schreiben.

Zur Person

Audi verkauft erst seit Kurzem ein Fahrzeug auf Level 3; hier muss der Fahrer immer noch notfalls eingreifen können. Die meisten Hersteller nennen überhaupt noch keine konkreten Termine für voll autonome Autos. Sind Sie zu ambitioniert?
Natürlich sind die letzten Prozentpunkte auf dem Weg zu 100 Prozent Autonomie die schwierigsten. Aber alle technischen Zutaten für ein vollständig selbstfahrendes Auto sind da. Bei Ihrem Audi-Beispiel – übrigens mit Mobileye-Technologie – erspart ein Stau-Autopilot dem Fahrer das ermüdende Stop-and-go.

Bisher darf er das nur bis Tempo 60.
Wir arbeiten mit japanischen und US-Herstellern am nächsten Schritt: Bereits 2019 werden wir in deren Ländern mit Autobahngeschwindigkeit autonom fahren.

Sie haben ihre langjährige Entwicklungspartnerschaft mit BMW kürzlich um Fiat-Chrysler erweitert. Wollen Sie weitere Hersteller auf Ihre Plattform lotsen?
Absolut. Wenn Technologie und Märkte zu uns passen. Und davon gibt es einige.

Welche?
Namen kann ich noch nicht nennen. Wir sind aber in sehr intensiven Gesprächen mit sieben weiteren Autobauern. Davon werden wir bald den einen oder anderen als neuen Partner begrüßen.

Was sind die größten Herausforderungen auf dem Weg zum autonomen Automobil in so einem Verbund?
Die wahre Herausforderung ist nicht technologischer, sondern juristischer und gesellschaftlicher Art. Die Regulierungsbehörden nehmen dabei eine entscheidende Rolle ein. Wir merken, dass die Behörden in den meisten Ländern der technischen Entwicklung auf keinen Fall im Weg stehen wollen. Also erlassen sie nur wenige und einfache Standards. Wir brauchen aber nicht weniger Regulierung und Standards, sondern mehr – und konkretere.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

Das sagen ausgerechnet Sie?
Ja. Denn andernfalls wird es nicht funktionieren. Die Menschen werden das autonome Fahren nicht akzeptieren, wenn der Unfallhergang und die Schuldfrage nicht zweifelsfrei geklärt werden können, erst recht bei Todesfällen.

Künstliche Intelligenz wird die Autos mit komplizierten, vielschichtigen Algorithmen steuern. Passiert ein Unfall, wird kein Mensch die Milliarden Rechenoperationen entschlüsseln können, um zu verstehen, warum das Auto falsch fuhr.
Deswegen brauchen wir ja klare Regeln, die einen Rahmen setzen. Der Hinweis, die Technologie sei prinzipiell 90 Prozent sicherer als menschliche Fahrer, man wisse aber nicht, warum genau die künstliche Intelligenz bei einem Unfall so und nicht anders entschieden hat, wird nicht genügen. Die Gesellschaft wird das nicht akzeptieren. Es fehlen die von Menschen erstellten Regeln in so einem System. Und wollte man auf diese Regeln tatsächlich verzichten, so müsste man mit Testautos über drei Milliarden Kilometer abfahren, um die künstliche Intelligenz mit ausreichend empirischen Daten so zu vervollkommnen, dass Unfälle so gut wie ausgeschlossen werden können. Das ist nicht praktikabel.

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