Musik-Streaming Besser hören mit Amazon?

Spotify und Apple Music müssen sich auf einen neuen Rivalen einstellen: Amazon will offenbar ins Musikstreaming einsteigen. Ein harter Verdrängungswettbewerb ist im Gang – und Amazon besitzt einen großen Vorteil.

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In den USA haben die Streaming-Umsätze erstmals die Downloads überflügelt. Quelle: Imago

Düsseldorf Der Kampf der Online-Musikdienste spitzt sich zu. Nach Berichten der „Financial Times“ planen der Onlinehändler Amazon und das Internetradio Pandora, die nötigen Lizenzen von den Musikkonzernen für den Betrieb von Streaming-Diensten zu bekommen. Beide US-Unternehmen haben vor, ihr Abo-Modell bereits in Kürze für 9,99 Dollar monatlich anzubieten, heißt es.

Zugleich wolle Amazon eine abgespeckte Variante für den halben Preis für den vernetzten Lautsprecher „Echo“ bereitstellen. Bereits heute bietet Amazon als Teil seines Abo-Dienstes „Prime“ eine reduzierte Musikauswahl an.

Doch das soll sich ändern: Amazon will groß in den boomenden Markt der Musikstreaming-Dienste einsteigen. Bei dieser Technologie spielen die Menschen die Musik direkt aus dem Internet ab, statt die Stücke herunterzuladen. Diese Art des Musikkonsums löst zunehmend den Kauf von CDs – ob digital oder analog – ab, und sorgt seit Jahren für eine Kräfteverschiebung auf einem insgesamt schrumpfenden Musikmarkt.

Streaming-Marktführer ist das schwedische Unternehmen Spotify, das rund 100 Millionen Nutzer, davon 30 Millionen zahlende Kunden, besitzt. Der zweite große Player heißt Apple Music, der rund 15 Millionen zahlende Abonnenten hat. Weitere Anbieter für die „Musik aus dem Wasserhahn“, wie es einige nennen, heißen Soundcloud, Deezer oder Tidal – und bald eben auch Amazon.

„Es wundert mich, dass Amazon diesen Schritt nicht schon längst unternommen hat“, sagt der Musikvermittler Gerrit Winterstein, der jüngst das Berliner Start-up „The Hook“ gegründet hat. Winterstein gehört zu den renommiertesten Musikspezialisten in der Werbebranche. Aus seiner Sicht ähnelt sich das inhaltliche Angebot der großen Streamingdienste stark, auch der Monatspreis ist identisch. Nur ein Unterschied: Amazon verfügt über eine gigantische Kundendatei und kann seinen Nutzern maßgeschneiderte Inhalte anbieten. „Amazon wird an dem prognostiziertem Wachstum des Marktes interessiert sein“, meint Winterstein.

In diesem Jahr werden nach Angaben des Branchenverbands Recording Industry Association of America (RIAA) die Streaming-Umsätze in den USA – dem weltgrößten Musikmarkt – erstmals die Download-Verkäufe überholen. Die Streaming-Umsätze in den USA sind 2015 um 29 Prozent auf 2,4 Milliarden Dollar gestiegen.

Der Boom der Streamingdienste hat den internationalen Musikmarkt stark verändert. Auf der Strecke geblieben sind einerseits die Einnahmen der Künstler, die durch die geringeren Margen im Streaming-Markt gesunken sind. Künstler wie die britische Sängerin Adele wählen deshalb als Vertriebsweg zunächst den Verkauf via CDs und digitaler Downloads, und bieten ihre Inhalte erst im zweiten Schritt den Streamingdiensten an. Monatelang hielt sie 2015 beispielsweise ihr jüngstes Album „25“ zurück, was Spotify & Co. in Bedrängnis brachte.

Auch US-Sängerin Taylor Swift wehrte sich 2014 gegen den musikalischen Ausverkauf und hielt ihr Album „1989“ medienwirksam zurück. Ein Gebaren, das unter Musikkennern durchaus Verständnis erntet: „Musik wie aus dem Wasserhahn sorgt nicht dafür, dass langfristig eine vielfältige Musikkultur aufrecht erhalten werden kann“, urteilt Winterstein.

Dabei ist der große Konkurrent von Streaming-Neuling Amazon weder Spotify noch Apple und eigentlich auch nicht die versammelte Künstlerschar. Der mächtigste Konkurrent heißt Youtube. Denn die Videoplattform, die zum amerikanischen IT-Konzern Google gehört, gilt als der größte Musik-Streamingdienst überhaupt. Und das nicht nur – aus Konsumentensicht – zum Nulltarif, sondern auch unter Mitwirkung so gut wie aller Künstler. Auf die Möglichkeit der Vermarktung via Youtube kann heute kaum ein Künstler mehr verzichten. Auch die Sängerin Adele nicht.

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