Im Zusammenhang mit dem Tod von Unister-Chef Thomas Wagner ermittelt die Sächsische Generalstaatsanwaltschaft wegen Betrugs- und Untreueverdachts. Außerdem wird ein Anfangsverdacht wegen Insolvenzverschleppung bei dem Internetunternehmen geprüft. Dies sei aber nach jedem Insolvenzantrag so üblich, sagte der für Wirtschaftsstrafsachen zuständige Leipziger Oberstaatsanwalt Lutz Lehmann am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.
Nachdem Unternehmensgründer Thomas Wagner (38) Ende vergangener Woche bei einem Flugzeugabsturz in Slowenien ums Leben gekommen war, hatte die Unister Holding GmbH am Montag Insolvenz angemeldet. Inzwischen befinden sich vier weitere Firmen der Gruppe im vorläufigen Insolvenzverfahren. Unister betreibt über 40 Internetportale - darunter fluege.de und ab-in-den-urlaub.de.
Grundlage der Betrugsermittlungen sei eine Strafanzeige, wie Wolfgang Klein von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sagte. Dabei gehe es um einen „hohen Geldbetrag“, um den Wagner in Italien kurz vor dem Flugzeugabsturz betrogen worden sein solle. Wer die Anzeige erstattet hat, sagte er nicht. Nach einer weiteren Anzeige des Unister-Mitgründers und Gesellschafters Daniel Kirchhof seien die Ermittlungen um den Verdacht der Untreue erweitert worden.
Die Unister-Insolvenz - Ein Wirtschaftskrimi?
Der Fall ist mysteriös - und klingt nach einem Wirtschaftskrimi: Selfmade-Millionär und Gründer des Leipziger Internetunternehmens Unister, Thomas Wagner, stürzt am 14. Juli 2016 mit einer Privatmaschine in Slowenien ab. An Bord Bargeld. Kurz darauf meldet die Holding Insolvenz an, ebenso ein Tochterunternehmen. Schon seit Jahren wird über wirtschaftliche Schwierigkeiten spekuliert. Viele Fragen sind offen.
Quelle: dpa
Zum Absturz könnte Vereisung an der einmotorigen Maschine beigetragen haben. Entsprechende Probleme hatte der 73-jährige Pilot der slowenischen Flugkontrolle gemeldet. Slowenische Medien spekulierten, dass die gecharterte Privatmaschine deutlich oberhalb der für diesen Typ üblichen Flughöhe von 5000 Metern unterwegs gewesen sein dürfte. Die Untersuchungen des Wracks laufen noch, auch unter Beteiligung deutscher Behörden.
Neben Firmengründer und Unister-Hauptanteilseigner Wagner (38) auch der Mitgesellschafter Oliver Schilling (39), ein 65-jähriger Mann und der Pilot.
Wagner und sein Kompagnon wollten sich in Venedig mit potenziellen Investoren treffen, wie Unister mitgeteilt hat. Dabei sollen sie betrogen worden sein. Die slowenische Polizei berichtete von Dokumenten an Bord der Unglücksmaschine, die darauf hinwiesen, dass Wagner „um eine größere Summe geschädigt wurde“. In Medienberichten wird über die Investoren und untergeschobenes Falschgeld spekuliert, offiziell bestätigt ist nichts. Auch die Herkunft der an der Unglücksstelle gefundenen 10.000 Schweizer Franken in bar ist unbekannt.
Wagner galt zeitweise als ostdeutscher Vorzeige-Unternehmer, später gerieten Geschäftspraktiken von Unister immer wieder in die Kritik. Die letzte veröffentlichte Bilanz der Unister Holding stammt von 2011. Ihr alleiniger Geschäftsführer war Wagner, der alle Fäden in den Händen hielt. 2002 hatte er Unister als 23-Jähriger in Leipzig ursprünglich als Studententauschbörse gegründet und das Start-up auf einen rasanten Wachstumskurs geführt. 2015 war dann von Stellenstreichungen die Rede, 30 Millionen Euro pro Jahr sollten eingespart werden.
Unter dem Dach der Unister Holding GmbH fand sich eine Vielzahl von Firmen, die mehr als 40 Internetportale unter anderem zu den Themen Reisen, Nachrichten, Immobilien oder Partnervermittlung betreiben - darunter beliebte Seiten wie fluege.de, ab-in-den-urlaub.de, news.de oder partnervermittlung.de. Insgesamt arbeiteten mehr als 1000 Beschäftigte für die Unternehmensgruppe.
Bis zu seinem Tod hielt Wagner rund 40 Prozent der Anteile und war damit Hauptgesellschafter Unister Holding. Der Rest verteilt sich nach Firmenangaben auf die vier Mitgründer - darunter Schilling, der ebenfalls beim Absturz ums Leben kam - sowie eine Firma namens Opus30 Vermögensverwaltungsgesellschaft.
2012 geriet Unister ins Visier der Justiz. Wagner und drei weitere Manager wurden unter anderem wegen unerlaubter Versicherungsgeschäfte und Steuerhinterziehung angeklagt. Unister wies die Vorwürfe stets zurück. Zum Prozess kam es bisher nicht, weil das Landgericht Leipzig derzeit eine weitere Klage prüft.
„Wir hätten aber auch von Amts wegen Ermittlungen eingeleitet“, sagte Klein. Schon die Hinweise auf Straftaten in der umfangreichen Medienberichterstattung rund um den Tod Wagners und die Insolvenz der Unister Holding hätten dies nötig gemacht.
Wurde Wagner betrogen?
Mehrere Medien hatten berichtet, dass Wagner in Venedig möglicherweise im Zuge eines sogenannten „Rip Deals“ um über eine Million Euro betrogen worden sein könnte. Ob das zutrifft, ist unbekannt, die Behörden schweigen bisher dazu. Die Masche allerdings gibt es tatsächlich, die deutsche Botschaft in Italien warnt eindringlich vor solchen Geschäften.
Wagner wollte sich nach Unternehmensangaben in der Lagunenstadt mit Investoren treffen. Kurz darauf verunglückte er mit einem Kleinflugzeug auf dem Rückweg nach Leipzig.
Im Falle einer möglichen Insolvenzverschleppung stelle sich die Frage, ob es überhaupt einen Beschuldigten gebe, sagte Oberstaatsanwalt Lehmann. Infrage komme in solchen Fällen nur der Geschäftsführer, nicht dessen Mitarbeiter. „Und ermitteln können wir nur gegen Lebende.“ Ein endgültiger DNA-Beweis, dass es sich bei einer der vier nach dem Absturz in Slowenien gefundenen Leichen um Thomas Wagner handelt, stand bis Freitag noch aus.
Mit Wagner hatten auch Unister-Mitgesellschafter Oliver Schilling (39), ein 65 Jahre alter angeblicher Finanzvermittler sowie der 73-jährige Pilot in der Maschine gesessen.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) äußerte sich angesichts der Unister-Insolvenz besorgt um eine Abwanderung der Fachkräfte. Er hoffe, dass vermieden werden könne, „dass die vielen gut qualifizierten Mitarbeiter aus Leipzig weggehen“, sagte er am Freitag in Dresden. Oberstes Ziel sei der Erhalt der Arbeitsplätze.