Netflix gegen Amazon Wo bleiben bloß die neuen Kunden?

Netflix legte seine Geschäftszahlen vor, und alles schien gut. Bis auf ein Detail: Das machte den Anlegern klar, wie ernst das Problem des Videostreaming-Dienstes ist. Prompt rutschte der Aktienkurs ab. Denn die Konkurrenz schläft nicht.

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Für den Internet-Videodienst stehen die Zeichen auf Gegenwind. Quelle: dpa

San Francisco Das abgelaufene Quartal, das erste im Jahr 2016, lief für Netflix gar nicht so schlecht: 6,74 Millionen Neukunden für den Internet-Videodienst waren mehr, als erwartet wurden. Ein Gewinn pro Aktie von 0,06 Dollar war ebenfalls deutlich besser als die 0,03 Dollar, die Analysten prognostiziert hatten. Der Umsatz von Januar bis Ende März 2016 machte mit 1,96 Milliarden Dollar fast eine Punktlandung, und das schien beruhigend.

Also eigentlich kein Grund, die Aktie nachbörslich um bis zu 15 Prozent auf Talfahrt zu senden, wie es geschah. Am Ende lag noch ein Verlust von knapp 7,8 Prozent auf 99,90 Dollar. Denn für das gerade laufende Quartal stehen die Zeichen auf Sturm.

Die Aktie wird mit einem 400-fachen des aktuellen Gewinns bewertet und die einzige Chance, in diese luftigen Bewertungen hineinzuwachsen - der Schnitt des S&P-500-Index etwa liegt beim 16,4-Fachen - ist konstantes und kräftiges Wachstum. Das verbindet Netflix mit Werten wie Tesla oder Amazon.

Für die laufende Dreimonats-Saison werden aber bei Netflix nur noch rund 500.000 Neukunden in den USA erwartet. Um die 590.000 hatten Analysten erhofft und das war schon mau: 900.000 waren es im Vorjahresquartal.

International werden es nur noch gut zwei Millionen zusätzliche Abonnenten sein, weniger als im ersten Quartal mit 4,5 Millionen, und sogar weniger als im 2. Quartal 2015 mit 2,37 Millionen. Und das, obwohl seitdem 130 Länder hinzugekommen sind. Das war es, weshalb die Investoren am späten Montag den Panikknopf gedrückt haben. Die Schätzung liegt zudem dramatisch unter der Analysten-Prognose von 3,45 Millionen.

Die Abschwächung erklärt Netflix selbst im Aktionärsbrief mit dem enormen Erfolg des Starts in Australien und Neuseeland im Vorjahr. Deshalb liege einfach der Vergleichswert so hoch. Aber die Angst ist, dass solche Erfolge zunächst einmal ausbleiben werden, denn in 130 neuen Ländern gibt es Netflix seit Anfang 2016 und trotzdem ist nach der ersten Welle der Abos bereits der Ansturm vorbei. Der nächste Mega-Schub wäre der Einstieg in den extrem regulierten chinesischen Markt. Doch davon kann derzeit keine Rede sein. Gründer Reed Hastings kommentiert Fragen danach nicht.

Was die USA angeht, geht das geringe Wachstum mit einer Preiserhöhung bei den 45 Millionen Bestandskunden einher. Mehr Geld von bestehenden Kunden zu verlangen, sind typische Anzeichen für gesättigte Märkte, warnen Analysten.


Wettbewerber haben sich positioniert

Was US- und Weltmarkt angeht, stehen die Zeichen deshalb auf Gegenwind. Amazon nutzt die Chance mit der Ankündigung, seinen Videodienst aus dem Gesamtangebot Amazon Prime herauszulösen und für monatlich neun Dollar anzubieten. In den USA sind das jetzt ein bis zwei Dollar unter den Netflix-Abos. In Deutschland raffen sich bislang erfolglose Wettbewerber wie Pro Siebens Maxdome zu einem erneuten Angriff auf Netflix mit selbst produzierten Inhalten auf. Eigene Serien wie „House of Cards“ hatten Netflix zum Erfolg geführt, während Maxdome in Deutschland eher auf Konserven gesetzt hatte. Auch Amazon investiert dreistellige Millionenbeträge in eigene Serien und Filme.

Im Grunde spitzt sich alles auf ein Problem zu: Netflix-Gründer Hastings will mit soliden Gewinnen aus dem saturierten US-Geschäft die teure weltweite Expansion finanzieren. Die Frage ist, ob das angesichts der neuen Konkurrenz in den USA langfristig funktionieren kann.

Denn ein anderes, lange verdrängtes, Problem wird dadurch sichtbarer: Die Inhaltelieferanten wie Universal Studios, Warner Brothers oder Walt Disney haben allen digitalen Verwerfungen zum Trotz eines geschafft: Das traditionelle weltweite Distributions-System für Medien ist das alte geblieben. Die Studios liefern an einen Mittelsmann wie Netflix, Hulu, Comcast oder Amazon, und der liefert an seine Kunden. Die Machtverhältnisse sind klar, und das bringt alle Mittelsmänner in eine immer schwierigere Situation, die mehr vom Kuchen abhaben wollen.

Für Hastings ist das eine besondere Herausforderung. Denn jetzt hat er es im direkten Wettbewerb mit Amazon-Chef Jeff Bezos zu tun. Der Mann, dessen berühmtes Credo „Deine Marge ist meine Chance“ ganze Branchen in der Versenkung hat verschwinden lassen. Und das Problem von Hastings: Er hat nicht mal eine Marge. Der generierte Nettogewinn aus 1,9 Milliarden Dollar Umsatz lag bei 28 Millionen Dollar, weil die Expansion die US-Gewinne auffrisst. Für das laufende Quartal wird er auf geschätzte neun Millionen sinken.

Über 50 Prozent der US-Kunden zahlen noch den alten Preis von 7,99 Dollar pro Monat und werden jetzt auf 8,99 Dollar oder 9,99 Dollar umgestellt. Das ist ein gefundenes Fressen für den Leitwolf Jeff Bezos.

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