Netz-Monopole „Die Internetkonzerne sind der Politik bis zu 20 Jahre voraus“

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Bedarf für Wettbewerbskontrolle

Wo ist denn dann das Problem?
Die Frage ist doch, ob wir uns gänzlich von der Innovationskraft und den Innovationsvorstellungen einiger weniger Anbieter abhängig machen wollen. Ich halte das für falsch. Abgesehen davon hat diese Machtballung durchaus ihre Kehrseiten, etwa wenn ich mir ansehe, wie die Giganten das Werbegeschäft dominieren. Da gibt es eindeutig Verlierer und Bedarf für Wettbewerbskontrolle.

Wie soll die funktionieren?
Genau das müssen wir nun herausfinden. Welcher Teil der Wertschöpfung soll unangetastet bleiben? Wo und welche Steuern will die Politik erheben? Das sind ganz entscheidende Fragen, wenn sich die Güter digitalisieren und die Profite virtuell von Wirtschaftsraum zu Wirtschaftsraum wandern. Man denke nur daran, wie etwa Apple Gewinne aus der EU in Niedrigsteuerstaaten verschiebt. Das Problem aller politischen Regulierer auf der Welt ist überall das gleiche. Ich war mal mexikanischer Finanzminister und weiß, wovon ich spreche. Die Politik ist immer zu spät dran. Um es sportlich zu sagen, wir rennen dem Ball nur hinterher. Das war schon bei der Regulierung der Banken so. Und die Netzkonzerne sind der Politik zehn bis 20 Jahre voraus.

Weil die Politik den digitalen Wandel verschlafen hat?
Ja, es ist in Teilen ein selbst verschuldetes Problem der Politik. Weil wir nämlich noch immer auf politische Konzepte setzen, die heute nicht mehr zeitgemäß sind.

Inwiefern?
Traditionell wollten wir als Wirtschaftspolitiker jedes Eckchen der Geschäftswelt verstehen und für jedes Detail definieren, wie ein Markt zu funktionieren hat – und wann genau es falsch läuft. Das ist im Digitalzeitalter schlicht nicht mehr machbar, weil sich Angebote und Innovationen so schnell entwickeln. Also müssen wir statt jedes Detail festzulegen, besser eine Art allgemeingültigen Rahmen für das Handeln im Netz als Ganzes festlegen.

Eine Art digitale Wirtschaftsverfassung fürs Netz?
Vielleicht so was. Es geht um grundsätzliche Prinzipien, die vielleicht etwas allgemeiner gefasst sind, als konkrete Gesetze. Aber sie haben den Vorteil, dass jeder im digitalen Raum weiß, wer sich fair verhält, und wer nicht. Wir müssen uns jedenfalls von der Vorstellung verabschieden, alle Eventualitäten im Netz schon vorab juristisch regeln zu können. Das mag den Juristen nicht gefallen, aber es ist eine wichtige Erkenntnis auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Regelwerk fürs digitale Wirtschaften.

Ist das nicht blauäugig? Die Erfahrung mit vielen digitalen Tech-Konzernen zeigt, dass die gerne erst einmal die Grenzen des Zulässigen austesten und erst dann zurückrudern, wenn drastische Sanktionen drohen.
Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrechte geben ja auch heute schon die Möglichkeit, wirklich schmerzhafte Strafen zu verhängen, wenn einer die Regeln massiv verletzt. Das ändert sich ja nicht. Im Gegenteil, zu einer weniger kleinteiligen gesetzlichen Regulierung gehört im Digitalzeitalter genauso die Möglichkeit, Verstöße gegen die Regeln des fairen Handelns auch hart zu sanktionieren.

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