Eine herausragende Aufgabe kommt deshalb Neuzugang Ahrendts zu, die Cook höchstpersönlich von Burberry abgeworben haben soll, um in den Verkauf der Apple-Geräte wieder Dynamik zu bringen. Die Anfangfünfzigerin gilt als erfolgreichste Modemanagerin der vergangenen Jahre. Als sie 2006 den Chefposten bei Burberry übernahm, war das Label in erbärmlichem Zustand.
Lizenznehmer weltweit benutzten das seit 1924 legendäre Karomuster für alles Mögliche bis hin zu Wegwerfwindeln für Hunde, verkauften die Ware zu Ramschpreisen und ramponierten das Luxus-Image. Ahrendts fackelte nicht lang, kaufte 23 Lizenzvereinbarungen zurück und stellte 35 Produktkategorien ein. Das war teuer, zahlte sich aber aus. Der Umsatz von Burberry verdreifachte sich, Ahrendts wurde 2013 zur bestbezahlten Top-Managerin Großbritanniens.
Die Nähe zu Burberry
Mindestens so wichtig wie Ahrendts’ Sinn für Luxus ist für Apple ihre Nähe zu digitalen Technologien. Die in einem typischen US-Vorort geborene Amerikanerin hatte schon bei Burberry enge Kontakte zu Apple und Google geknüpft. Im September des vergangenen Jahres lieferte Apple vor der Markteinführung mehrere iPhone 5s an Burberry, damit das Modehaus mit den neuen Smartphones eine komplette Modenschau fotografieren, filmen und über soziale Netzwerke verbreiten konnte.
Die Kleidung im Flagship-Store auf der Londoner Regent Street ließ Ahrendts mit RFID-Chips ausstatten. Treten Kunden vor einen Bildschirm im Laden, erkennt der Funkchip die Ware, und es startet ein Film über das Kleidungsstück.
Ahrendts beschreibt sich selbst als einen etwas merkwürdigen Menschen, dessen zwei Gehirnhälften gleichsam leistungsfähig seien – die für Emotionen zuständige rechte und die analytische linke. „Ich nehme Veränderungen instinktiv wahr“, sagte sie kürzlich bei einem Vortrag. Schaden kann das nicht, wenn es darum geht, demnächst das in die Jahre gekommene Einrichtungskonzept der Apple Stores zu überarbeiten. „Das jetzige ist mittlerweile immerhin 15 Jahre alt. Auch wenn es immer noch frisch wirkt, ist es nicht mehr revolutionär“, sagt Archibald Horlitz, Gründer und früherer Eigner des größten unabhängigen deutschen Apple-Händlers Gravis.
Was Dr. Dre kann
Eine völlig andere Rolle als Ahrendts sollen die beiden Beats-Gründer spielen. Dr. Dre, der mit bürgerlichem Namen André Young heißt, ist einer ganzen Generation als Super-Rapper bekannt. Er war die Schlüsselfigur in der Entstehung und Verbreitung des West-Coast-G-Funk, einer Musikrichtung, die Rap mit Synthesizer-Musik und schweren Bässen vereint.
Die Musiklegende Iovine arbeitete mit Stars wie Bruce Springsteen, John Lennon, Tom Petty, U2 und Shock-Rocker Marilyn Manson zusammen und gilt als einer der Entdecker und wichtigsten Förderer des Gangsta-Raps.
Der 61-jährige Iovine, der seine Karriere als Hausmeister in einem Plattenstudio startete, war mit Jobs befreundet und half diesem beim Start des iTunes Stores beim Verhandeln von Verträgen mit Plattenfirmen und Künstlern. Dr. Dre wuchs im kriminalitätsgeplagten Osten von Los Angeles auf und wurde mit der Entdeckung von Superstars wie Eminem und Snoop Dog zu einem der einflussreichsten Hip-Hop-Produzenten.
Ins Geschäft mit potenziellen Apple-Kunden stiegen Iovine und Dr. Dre ein, indem sie 2008 das Unternehmen Beats Electronics gründeten. Dessen knallrote, bassstarke Kopfhörer und Lautsprecher haben mit Apple-Geräten etwas Wichtiges gemeinsam. Sie werden von ihren Fans abgöttisch geliebt und von ihren Kritikern abgrundtief gehasst. Als Anfang Mai in Los Angeles und im Silicon Valley die ersten Gerüchte über den Kauf von Beats Electronics durch Apple die Runde machten, taten viele Beobachter dies erst einmal als wilde Spekulation ab.
Doch langsam machen sich Kenner der Szene einen Reim auf die Übernahme. „Es ist vor allem eine Talent-Akquise“, meint Apple-Analyst Amit Daryanani von RBC Capital Market aus San Francisco. Tatsächlich könnten Iovine und Dr. Dre, die mit einem Teil ihrer Mitarbeiter zu Apple wechseln, beim Kampf gegen die Streaming-Dienste helfen, die Apple im Geschäft mit Musik-Downloads arg zusetzen. Denn viele Künstler sind mittlerweile von den mickrigen Tantiemen genervt, die sie von Diensten wie Spotify erhalten.
Ein Ausweg könnte sein, dass sie direkt von Vertriebspartnern wie Apple unter Vertrag genommen und gefördert werden, ohne zusätzliche Mittelsmänner einschalten zu müssen. Dafür braucht es viel Vertrauen in der Szene, Kontakte und Marketinggespür. Alle drei Dinge bringt das Duo unbestritten mit, inklusive wirtschaftlichem Erfolg.
Kulturschock bei Apple
Trotzdem ist es für beide Seiten ein Kulturschock. Denn der leutselige und schillernde Iovine, der seinem Herzen gern Luft macht, ist die absolute Antithese zum verschwiegenen und diskret auftretenden Apple-Chef Cook. Dr. Dre, der in einem Internet-Video mit dem Schauspieler Tyrese Gibson anscheinend betrunken über seinen neuen Apple-Reichtum schwelgte, soll mit der Prahlerei sogar die Verkaufsverhandlungen verzögert haben. Zudem kommt der im Januar gestartete Streaming-Dienst der beiden namens Beats Music gerade mal auf schätzungsweise 200.000 Abonnenten – gegenüber zehn Millionen zahlenden Käufern beim schwedischen Konkurrenten Spotify.
Für Apple-Chef Cook ist es ein gigantisches Experiment, das sowohl als genialer Schachzug oder aber als Katastrophe enden kann.