Neustart für VMware Das Märchen von der billigen Cloud

Sich digitalisieren, Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig Geld sparen: Der Cloud-Spezialist VMware bietet Unternehmen verlockende Aussichten. Michael Dell, bald Besitzer des Konzerns, setzt darauf – und auch IBM.

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„VMware wird zentraler Teil der Strategie von Dell Technologies sein.“ Quelle: Imago

Las Vegas Der wichtigste Mann kam ganz am Schluss. Michael Dell, Gründer und Vorstandschef des IT-Riesen Dell gab sich als Überraschungsgast auf der Hausmesse von vmWare die Ehre. Dell wird am 7. September die Übernahme der Muttergesellschaft von vmWare, EMC, für die gigantische Summe von 67 Milliarden Dollar abschließen. Das teilte das Unternehmen am Mittwoch mit, nachdem auch die chinesische Aufsichtsbehörde zugestimmt hatte. Doch die bange Frage war: Was wird aus der Tochter vmWare, ein Unternehmen, dass PCs und Server in die Cloud bringt, „virtualisiert“, also eigentlich der geborene Gegner eines PC-Herstellers ist? Wird der Dell-Anteil dann verkauft, um die gigantische Übernahme zu bezahlen?

Michael Dell hatte im Beisein von VMware-Chef Pat Gelsinger eine klare Antwort parat: „VMware wird zentraler Teil der Strategie von Dell Technologies“, erklärte er. Später sprach er in kleinerer Runde von Chancen auf Milliardenumsätze mit gemeinsamen Produkten, die bereits in der Pipeline seien und gemeinsamen Marketingchancen in Märkten wie Indien. VMware wird zu einem Schlüsselfaktor für Dell, um sich in der Cloud-Technologie zu profilieren.

Die Wall Street hörte es gerne. Die VMware-Aktie, die nach Bekanntgabe der Fusionspläne massiv eingebrochen war, liegt mittlerweile mit 74,22 Dollar nur noch wenig unter dem Kurs vor der Mitteilung. Die Investmentgesellschaft Sun Trust setzte das Papier wieder auf die „Kaufen“-Liste mit einem Kursziel von 92 Dollar. Der Grund: Das Unternehmen habe sich erfolgreich aus seiner alten Sparte in die moderne Welt der Cloud weiterentwickelt.

Und dieser Welt will VMware gehörig Beine machen: Sajai Krishnan kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, wenn er auf das Märchen von der „billigen“ Cloud zu sprechen kommt. „Letztlich sind Anbieter von Cloud-Infrastrukturen auch nur profitorientierte Unternehmen“, erklärt der stellvertretende Marketingleiter bei VMware in Palo Alto. „ Das ist heute schon so wie in der Luftfahrtindustrie: Vier große Unternehmen, diesem Fall AWS (Amazon), Microsoft, Google, IBM, teilen einen Markt unter sich auf. Die großen Preiskämpfe der Vergangenheit sind bei der Cloud-Infrastruktur längst vorbei. Alles beruhigt sich und die Preise werden langsam wieder steigen,“ sagt er. Vor dieser Kostenfalle will Krishnan die Unternehmen bewahren.

Eine auf der Hausmesse VMworld in Las Vegas vorgestellte „Cross Cloud“-Architektur soll ab 2017 die Steuerung verschiedener Clouds mit einer zentralen Anwendung ermöglichen. „Das ist wie Cloud-Hopping“, sagt Krishnan. Unternehmens-Software kann dann auf eigenen Rechnern betrieben werden oder in einer beliebigen Cloud. Die eingebauten Analyse-Tools vergleichen laufend die Preise. Wenn ein anderer billiger ist, sollen ein paar Klicks genügen, um die Apps unterbrechungsfrei auf günstigere Server zu übertragen.

Weitere Überwachungs-Werkzeuge spüren Cloud-Ressourcen auf, die zwar gebucht sind, aber nur im Leerlauf arbeiten. Vielleicht wurden sie einfach nach einem Projekt vergessen. Die werden dann gekündigt. Umfragen haben ergeben, so VMware-Chef Gelsinger, dass Kunden des Unternehmens schon heute im Schnitt acht Cloud-Provider nutzen. 2011, so VMware, fand die Unternehmens-IT zu 87 Prozent in traditionellen Datencentern statt. 2021 werden es noch 50 Prozent sein und 2030 wird die Cloud mit 52 Prozent erstmals die Oberhand gewinnen.

Es geht um viel Geld in einem Markt, der auf bis zu eine Billion Dollar Potenzial geschätzt wird, je nachdem, wie viel die Cloud-Technik tatsächlich übernehmen wird. Microsoft-Chef Satya Nadella rechnet für 2018 mit einem Umsatz von 20 Milliarden Dollar für den Cloud-Dienst. Ein Teilnehmer, der den Namen seines international tätigen Arbeitgebers nicht veröffentlichen wollte, sprach von monatlichen Zahlungen an einen Cloud-Anbieter von schon heute bis zu einer halben Million Dollar. Interne Analysen zeigten, dass über einhunderttausend davon eingespart werden konnten – wenn man die Datennutzung laufend überwacht wird. Drei zusätzliche Mitarbeiter seien dafür eingestellt worden, was aber einen guten Teil der Ersparnis wieder aufzehrte.

Analyse und Überwachung ist alles, so Krishnan. Apps, die über Monate oder Jahre kontinuierlich laufen, sind oft „bis zu 50 Prozent preiswerter“, wenn sie auf eigenen Maschinen laufen. Apps mit hohen Schwankungen bei der Auslastung dagegen sparen in einer Cloud viel Geld. Aber es gelte genau zu planen.


Der Markt für Spezialisten ist knapp

Einer der Anbieter, die von dem Konzept überzeugt sind, ist IBM. „Big Blue“ ist der erste Partner der neuen VMware „Cloud Foundation“. Im Grunde ist das eine fertig vorkonfigurierte Lösung, um bestehende IT-Infrastruktur in Unternehmen in eine Cloud „umzubauen“. Das wird „private Cloud“ genannt. „Wir werden das, was bislang acht bis zehn Wochen dauerte, in Stunden machen“, verspricht Robert LeBlanc, Senior Vice President Cloud bei IBM.

Über 500 IBM-Kunden hätten seit Februar bereits ihre bestehende Infrastruktur auf eine interne VMware-IBM-Cloud umgestellt. Wird so eine „private Cloud“ mit einem der externen Anbieter wie IBM oder Amazon zusammengeschaltet, nennt man es „hybride Cloud“. Verzichtet ein Unternehmen irgendwann einmal ganz auf eigene Infrastruktur, dann bedient er sich alleine einer „öffentlichen Cloud“ wie sie Microsoft, Google oder eben Amazon anbieten.

„Die Realität im Wirtschaftsalltag ist aber eine bestehende Infrastruktur“, verdeutlicht Krishnan gegenüber dem Handelsblatt. „Da kann man nicht einfach auf von heute auf morgen umstellen. Die Unternehmen haben nicht einmal die Leute dafür.“ Es herrscht extreme Knappheit von Entwicklern, die sich mit Cloud-Infrastruktur auskennen. Davon will VMware profitieren.

Berühmt und groß wurde das Unternehmen damit, PCs vom Schreibtisch und Server aus den Datencentern wegzuzaubern und sie ins Internet zu verlagern. „Virtualisierung“ nennt sich das, wenn hunderte Büroangestellte den Eindruck haben, jeder arbeite an einem Rechner. Tatsächlich ist es nur ein starker Computer in einem Rechenzentrum, der sie alle gleichzeitig bedient.

Dieses Prinzip hat VMWare erfolgreich gemacht. Firmenangaben zufolge hat das Unternehmen rund 500.000 Kunden weltweit, viele davon mit eigenen IT-Mitarbeitern, die auf VMWare spezialisiert sind. „Die werden mit ihren Kenntnissen den Umstieg auf eine VMware-gesteuerte Cloud vollziehen können.“

Um zu lernen wie das genau funktionieren soll, sind rund 23.000 Entwickler und Kunden von Montag bis Donnerstag in die Wüste von Nevada gereist. Viele Jahre lang fand die Hausmesse in San Francisco statt. Nun wird aber in Las Vegas getagt. Der Grund:Hier veranstaltet Amazons AWS, der Marktführer von Cloud-Infrastruktur, Ende November traditionell seine Hausmesse mit mehr als 20.000 Teilnehmern. Demnach ist die Botschaft von Michael Dell und Pat Gelsinger klar: Wir sind jetzt auch da.

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