So werden Startups künftig erst mal zahlen müssen – und das im Silicon Valley, wo gute Anwälte gern 900 Dollar die Stunde berechnen. Schon wittern die Advokaten das große Geschäft. Anwaltskanzleien vor Ort bauen gerade kräftig ihre Patentrechtssparten aus. Die Schox Patent Group aus San Francisco bietet sogar eine Flatrate von 15 000 Dollar pro Patent, Versicherungskonzerne legen Policen gegen Patentrechtsklagen auf.
Das Startup Lex Machina sammelte jüngst zwei Millionen Dollar für die Vermarktung einer neuen Software von Stanford-Wissenschaftlern ein, die analysiert, wie anfällig eine Geschäftsidee gegen Patentklagen ist oder ob es Sinn ergibt, Wettbewerber wegen eines Vorstoßes gegen Schutzrechte zu verklagen.
Apple-Sieg wundert nicht
Gemindert wird das Risiko so aber kaum. Denn geht es vor Gericht, ist der Ausgang höchst ungewiss. Das Urteil im Verfahren des kalifornischen Vorzeigekonzerns Apple gegen den koreanischen Angreifer Samsung fällten ausgerechnet Geschworene aus San Jose, ebenfalls in Kalifornien. Zwar bestand die Jury keinesfalls aus unbeleckten Amateuren. Ihr Vorsitzender, Velvin Hogan, ist Elektroingenieur und besitzt selbst zwei Patente, für deren Anerkennung er sieben Jahre mit dem Patentamt stritt. Und Richterin Lucy Koh verdingte sich als Patentanwältin für die IT-Industrie im Silicon Valley, bevor sie 2008 durch den damaligen Gouverneur Arnold Schwarzenegger berufen wurde. Trotzdem verwunderte es Insider in der Silicon-Valley-Metropole kaum, dass Apple mit der Klage siegte, obwohl sich das Unternehmen teilweise auf Formen und Funktionen berief, die schon vor der Schöpfung des iPhone existierten.
Vorwürfe der Smartphone-Hersteller
- Die 3G-Fähigkeit
- MP3-Musikstücke wiedergeben
- Per Handy Fotos machen und senden
- Die letzte Position in einer Bildergalerie wieder aufrufen
- E-Mails in Echtzeit aufs Handy gepusht bekommen
- Eine im Handykörper verbaute Antenne
- Drahtloses System zum Übertragen von Nachrichten
- Steuerung per Finger, etwa Zwei-Finger-Zoom-Funktion
- Abfedern, wenn das Ende einer Web-Site erreicht ist
- Telefonnummern und E-Mail-Adressen in Texten automatisch in antippbare Links verwandeln
- Design von iPhone und iPad
- Grafische Benutzeroberfläche
- Bildschirm mit einem Fingerwisch entsperren
- Autokorrektur bei Schrifteingabe
- Eine Technologie, mit der App-Entwickler eine fingergesteuerte Scroll-Funktion in ihre Apps einbauen können
- Senden und Empfangen von SMS-Nachrichten länger als 160 Zeichen
- Erstellen, Senden und Empfangen von Kalender-Terminen
- Von Microsoft entwickeltes Dateiordnungssystem
- Daten über das WLAN-Netzwerk übertragen
- Nutzen des H.264-Videokompressionsverfahren
Wie auch immer der Streit ausgeht – Samsung geht in die Berufung, das US-Gericht will erst im Dezember über die Verkaufsverbote entscheiden: Das Urteil von San Jose dürfte Auswirkungen auch auf Verfahren haben, die Apple zurzeit in Deutschland und anderswo auf der Welt gegen Samsung führt. „Auch Richter lesen Zeitung“, sagt der Düsseldorfer Patentexperte Florian Müller, der etwa Microsoft berät. Der Prozess habe klar gezeigt, dass Samsung die Apple-Patente vorsätzlich und wissentlich verletzt habe. Weil die meisten Prozesse um versehentliche Patentverletzungen geführt würden, reagierten Richter bei Vorsatz empfindlich.
Weltweit laufen zurzeit noch Dutzende Verfahren zwischen den zwei Konzernen. Schlössen sich Richter dem US-Verdikt an, könnte dies weitere Verbote für Samsungs Handyportfolio nach sich ziehen.