Pro Sieben Sat 1 Aktionäre lassen Vergütungssystem durchfallen

Die Aktionäre des Medienkonzerns freuen sich vor allem über ihre hohe Dividende. Mit der Performance auf dem Parkett sind sie allerdings weniger zufrieden. Und das Vergütungssystem für die Vorstände fiel komplett durch.

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Pro-Sieben-Chef Thomas Ebeling Quelle: dpa

Ein Parkplatz fernab der Halle auf einer Wiese, ein obligatorischer Shuttle-Service, kein öffentlicher Nahverkehr und Schlangen im Nieselregen am Eingang. Für Daniela Bergdolt ein Unding für eine Hauptversammlung. „Wir sollten eine Location finden, die einem Dax-Konzern genügt“, forderte die Vertreterin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) an diesem Freitagmorgen. Die neuen „Eisbach-Studios“ in einem Münchener Industriegebiet seien jedenfalls für Pro Sieben Sat 1 nicht geeignet. Da helfe auch ein üppiges Frühstücksbüffet nicht.

Einen neuen Versammlungssaal in München finden? Das sollte Vorstandschef Thomas Ebeling in den nächsten zwölf Monaten durchaus gelingen. Andere Kritikpunkte auf der Hauptversammlung des Medienkonzerns dürfte der Manager nicht so leicht ausräumen können. Zum Beispiel den schwachen Kursverlauf der größten privaten Sendergruppe in Deutschland. „Ihre Story scheint nicht ausreichend zu verfangen“, betonte Bergdolt. Mehr noch: „Die Zukunftsvision wird nicht erkannt, vielleicht verkannt.“

Am Donnerstag war Pro Sieben Sat 1 mit einem Minus von knapp sechs Prozent der größte Verlierer im Dax. Am Freitag kamen die Papiere an der Frankfurter Börse erneut leicht unter Druck. Seit Anfang 2017 haben die Aktien zwar etwa fünf Prozent an Wert gewonnen, binnen Jahresfrist jedoch neun Prozent verloren.

Ebeling zufolge mussten die Aktien Einbußen hinnehmen, weil die Investoren sämtliche TV-Konzerne neu bewertet hätten. Zudem hätte die Kapitalerhöhung im Herbst den Kurs belastet.

Am Donnerstag kam noch etwas dazu: Vorstandschef Ebeling hatte seine Prognose für das TV-Werbegeschäft zurückgenommen. Der Manager rechnet für 2017 mit einer schwächeren Entwicklung als noch zu Jahresbeginn. Weil die Kunden zurückhaltender buchten als zunächst geplant, erwarte er im Gesamtjahr nur noch ein Marktwachstum von 1,5 bis 2,5 Prozent. Vor zweieinhalb Monaten hatte der 58-Jährige noch einen Zuwachs von zwei bis drei Prozent in Aussicht gestellt.

Der Konzern ist nach wie vor vom TV-Geschäft abhängig. Der Umsatzanteil der Fernsehsparte ist vergangenes Jahr zwar auf 58 Prozent gefallen. Doch die Division steht für drei Viertel vom operativen Gewinn.

Abgesehen vom schwachen Abschneiden an der Börse zeigten sich die Aktionäre sehr zufrieden mit Pro Sieben Sat 1. Vor allem die Dividende erfreut die Anteilseigner. Sie klettert dieses Jahr um zehn Cent auf 1,9 Euro je Aktie. „Hier zeigt sich Pro Sieben von der besten Seite“, unterstrich Felix Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). 85 Prozent vom bereinigten Ergebnis schütte der Konzern aus, damit seien die Münchener ein „Vorzeigeunternehmen“.

Hoffnungsträger: Die Digitalsparten der ProSiebenSat.1 Media

Zuvor hatte Vorstandschef Ebeling den Aktionären seine Strategie erläutert. Der Manager verspricht seinen Investoren durch die enge Verzahnung von Fernsehwerbung mit seinen neuen Internetshops und zahlreichen Online-Portalen steigende Gewinne und ein kräftiges Umsatzwachstum. Seit Jahren investiert Ebeling in Beteiligungen wie das Dating-Unternehmen Parship oder das Vergleichsportal Verivox. Diese Onlinesparten wachsen stark, aber die Gewinnmargen sind geringer als im Kerngeschäft. Dies stieß auf Kritik von DSW-Vertreterin Bergdolt.

Das vorgesehene Vergütungssystem für die Vorstände ließen die Aktionäre durchfallen. Rund zwei Drittel der Anteilseigner stimmten gegen das Ansinnen. DSW-Vertreterin Bergdolt hatte zuvor moniert, Ebeling könne ein Jahresgehalt von bis zu 9,5 Millionen Euro erhalten. Das seien 950 Prozent seines Grundgehalts. Die Vorstandsvergütung sei intransparent und „schlicht zu hoch“. Für 2016 bekam Ebeling ein Festgehalt von rund 1,1 Millionen Euro und Boni von 2,5 Millionen Euro. Dazu kamen Pensionsansprüche.

Wie RTL und Sat.1 das Fernsehen veränderten
1. Januar 1984Die Ära des Privatfernsehens in Deutschland begann am 1. Januar 1984 um 9.58 Uhr. Die Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk (PKS) ging um diese Zeit mit Sat1 auf Sendung, RTL plus folgte einen Tag später. Der damalige Geschäftsführer, Jürgen Doetz, begrüßte das Publikum gemeinsam mit Moderatorin Irene Joest vor den Fernsehern mit den Worten: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Moment sind Sie Zeuge des Starts des ersten privaten Fernsehveranstalters in der Bundesrepublik Deutschland.“ Quelle: dpa
2. Januar 1984Am 2. Januar 1984 sah das Publikum dann Helmut Thoma, damals Direktor der deutschen Programme, auf der Mattscheibe. Er begrüßte die Fernsehzuschauer zum Senderstart der ersten RTLplus-Sendung. RTLplus sendete damals aus Luxemburg sein deutschsprachiges Programm. 1988 zog der Privatsender nach Köln. Für Köln sprach, dass bereits wegen des WDR Übertragungsleitungen vorhanden waren. Quelle: dpa
8. April 1988Der junge Sender musste um das Publikum kämpfen. Erfolge verzeichnet RTL dabei unter anderem mit seiner Comedy-Spielshow „Alles Nichts Oder?!“ mit Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder (hier im Jahr 2008). Trotz kleinem Budget und minimaler Ausstattung war das Moderatorenduo sehr gewinnbringend für den Sender. Die Grundidee war ein Kindergeburtstag für Erwachsene. Ein prominenter Gast musste an albernen Spielen teilnehmen und sich gegen die Moderatoren behaupten. Der Gewinn war eine Torte. Derjenige, der das Spiel verlor, musste seinen Kopf durch ein Loch in der Wand stecken, um dann die Torten aus dem Publikum ins Gesicht geworfen zu bekommen. Das klingt letztlich infantiler, als die Show tatsächlich war. Die Sendung lief bis 1992. Quelle: dpa
7. November 1988Große Erfolge brachte Sat.1 die Sendung „Glücksrad“ ein. Zum ersten Mal drehte es sich im Privatsender am 7. November 1988. Moderiert wurde die Ratesendung von Frederic Meisner (links) und Schauspieler Peter Bond (rechts), die sich wöchentlich abwechselten. Die Buchstabenfee, also die Dame, die die Buchstaben der Ratewand umdreht, war Maren Gilzer. Die Spiele-Show war montags bis freitags um 19.30 Uhr zu sehen. Wegen des hohen Erfolges wurde sogar 1991 eine samstägliche und eine sonntägliche Ausgabe ins Programm genommen. Fast sieben Jahre lang war das „Glücksrad“ damit täglich zu sehen. Vorbild für die Sendung war die US-Show „Wheel of Fortune“. Die Adaption ausländischer Formate wurde schnell zu einem Steckenpferd der Privaten – denn das brachte enormen Erfolg. Quelle: dpa
21. Januar 1990Die erste erotische TV-Show im deutschen Fernsehen war die Spiele-Show „Tutti Frutti“, moderiert von Hugo Egon Balder. Die Gäste konnten in Raterunden Punkte gewinnen, die sie in abzulegende Kleidungsstücke der Stripperinnen investierten. Den Privaten hing damals wegen zahlreicher Erotikfilmen im Nachtprogramm ein Schmuddel-Image an. „Tutti Frutti“ änderte daran nicht viel, wurde jedoch zum vieldiskutierten Gesprächsthema. Das Punktesystem begriff kaum jemand, nackte Haut wollten dafür genug Interessenten sehen. Ein Novum, was der Sender auch offensiv bewarb: Die Kandidaten mussten auch selbst Kleidung ablegen – und die Zuschauer durften hoffen, Nachbar oder Nachbarin in Unterwäsche zu erwischen. Die Sendung lief auf RTL bis 1993. Quelle: dpa
10. Dezember 1991Rosa von Praunheim präsentierte zu Beginn einer jeden Ausgabe der Show „Explosiv - Der heiße Stuhl“ eine Person, über die sie provokante Thesen aufstellte. Anschließend musste derjenige auf dem heißen Stuhl platznehmen und mit fünf weiteren Gästen über diese Thesen diskutieren. Dabei kam es zu lauten, persönlichen Diskussionen, die der Moderator immer wieder anheizte. Filmemacher Rosa von Praunheim outete in seiner Sendung außerdem die TV-Lieblinge Hape Kerkeling und Alfred Biolek als schwul, was einer der größten Skandale der TV-Geschichte war. Sein Kommentar dazu: „Mein Outing von schwulen Prominenten war ein Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der Aidskrise“, erklärt der heute 69-jährige Rosa von Praunheim auf seiner Website. Ihm ging es damals darum, schwule Sympathieträger, die versteckt lebten, zur Solidarität mit der Homosexuellengemeinschaft zu bewegen, weil es in ihr die meisten HIV-Infizierten und Aids-Toten zu beklagen gab. Generell war „Explosiv“ die wohl umstrittenste, da krawalligste Talkshow der privaten Fernsehsender. Quelle: dpa
19. Januar 1992Linda de Mol startete 1992 die Sendung „Traumhochzeit“ auf RTL. Die Sendung zählte mit bis zu elf Millionen Zuschauern zu den beliebtesten deutschen Fernsehsendungen der 1990er Jahre. Bis zum Jahr 2000 konnten in der Sendung drei Paare gegeneinander antreten, die (neben verschiedenen kleineren Preisen) eine Traumhochzeit gewinnen konnten. Der gigantische Erfolg der Samstagabend-Show legte den Grundstein für das Imperium der niederländischen Produktionsfirma Endemol, heute zweitgrößter Fernsehproduzent der Welt. Mitbegründer der Firma: Lindas Bruder John de Mol. Quelle: dpa

Pro Sieben Sat 1 sei in erster Linie immer noch ein Fernsehkonzern, stellte Ebeling klar. „Fernsehen hat die höchste Profitabilität.“ Sein Unternehmen nutze freie Werbezeiten, um eigene Onlineportale zu bewerben. Es gebe auch keine Alternative dazu, in neue Geschäftsfelder zu investieren. Wer nur auf eine Karte setze, der gehe ein hohes Risiko ein, da eine wegweisende, neue Technologie das gesamte Geschäft zerstören könne.

Auch bei einem weiteren Thema konnte der Konzernchef die Anleger beruhigen: „Wir wollen keine weitere Kapitalerhöhung machen“, erklärte Ebeling. Nach nur vier Rednern und nicht einmal zwei Stunden konnte Aufsichtsratschef Werner Brandt bereits zur Abstimmung über die Tagesordnung übergehen. Zuvor aber versprach er noch, die Kritik am Veranstaltungsort ernst zu nehmen: „Wir werden das berücksichtigen.“

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